Immobilien

Katastrophenstimmung: Bauvorhaben für Wohnungen brechen ein

Deutschland verzeichnete im April den stärksten Rückgang der Baugenehmigungen seit März 2006. Folge ist voraussichtlich ein akuter Mangel. Nur eine Gruppe von Projekten läuft noch gut.
16.06.2023 13:13
Aktualisiert: 16.06.2023 13:13
Lesezeit: 2 min

Steigende Zinsen, hohe Materialkosten und eine geringere staatliche Förderung bremsen den Wohnungsbau immer stärker aus: Im April brachen die Baugenehmigungen so stark ein wie seit über 17 Jahren nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Nur noch 21.200 Wohnungen wurden genehmigt - fast ein Drittel (31,9 Prozent) weniger als ein Jahr zuvor. Das Ifo-Institut geht davon aus, dass die Zahl der fertiggestellten Wohnungen bis 2025 kontinuierlich auf nur noch 200.000 fallen wird. Das wäre nur halb so viel wie von der Bundesregierung als jährliches Ziel ausgegeben.

"Das hat viele negative soziale Effekte, auch weil der Wohnungsmangel unaufholbar weiter wächst", warnte der Präsident des Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), Dirk Salewski. "Heute nicht genehmigt, heißt in den kommenden Jahren nicht gebaut." Der Immobilienverband ZIA rechnet für 2025 mit einer Lücke von bis zu 700.000 Wohneinheiten und 1,4 Millionen Wohnungssuchenden.

"Zum Rückgang der Bauvorhaben dürften weiterhin vor allem hohe Kosten für Baumaterialien und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beigetragen haben", erklärten die Statistiker den sei Mai 2022 anhaltenden Abwärtstrend. Nach acht Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) in Folge auf aktuell 4,00 Prozent haben sich Baukredite spürbar verteuert. Die Währungshüter wollen damit die Inflation bekämpfen. Das Ifo-Institut macht aber nicht nur die höheren Zinsen für die Misere verantwortlich. "Gleichzeitig hat der Bund die Neubauförderung drastisch zurückgefahren und die Standards für den Neubau Anfang 2023 abermals verschärft", sagte Ifo-Bauexperte Ludwig Dorffmeister. Bereits seit Monaten stoße deshalb die große Mehrheit der Bauträger keine neuen Vorhaben mehr an. Vorhaben gebe es vor allem im hochpreisigen Segment. Für deren Kunden spielten die gestiegenen Kosten keine große Rolle.

STÄRKSTER EINBRUCH BEI ZWEIFAMILIENHÄUSERN

Die Zahl der Bauzusagen für Einfamilienhäuser brach im April überdurchschnittlich stark ein, und zwar um 33,5 Prozent auf 18.300. Bei den Zweifamilienhäusern gab es einen noch größeren Rückgang von 52,1 Prozent auf 5300. "Auch bei der zahlenmäßig stärksten Gebäudeart, den Mehrfamilienhäusern, verringerte sich die Zahl der genehmigten Wohnungen deutlich", betonten die Statistiker. Hier gab es ein Minus von 27,1 Prozent auf 48.200. In den Daten sind sowohl die Zusagen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten.

"In allen Bereichen stürzen die Zahlen ins Bodenlose", sagte BFW-Präsident Salewski. Auskömmliche Förderprogramme, realistische Standards ohne Abstriche bei Qualität, Sicherheit und Klimaschutz sowie das Aussetzen der Grunderwerbsteuer bei Ersterwerb könnten dagegen helfen. Auch wegen staatlicher Regelungswut würden viele Projekte nicht realisiert, so der Verband ZIA. "Der Staat ist für 37 Prozent der Kosten am Produkt Wohnen verantwortlich", sagte ZIA-Präsident Andreas Mattner der "Bild"-Zeitung.

Inwieweit Änderungen der Rahmenbedingungen in einzelnen Bundesländern und Gemeinden Wirkung entfalten werden, bleibe abzuwarten, sagte Ifo-Forscher Dorffmeister. Auch benötigen die Projekte einige Zeit zur Abarbeitung. Deshalb leere sich die Pipeline nicht so rasch. Gleichwohl dürften die Auftragspolster angesichts der erheblich schwächeren Neubaunachfrage und der weiterhin erhöhten Häufigkeit von Auftragsstornierungen im Jahresverlauf deutlich abschmelzen. Im Mai stieg der Anteil der Stornierungen unter den Wohnungsbauunternehmen den Ifo-Umfragen zufolge auf 17,8 Prozent, nach 14,7 im April. Von einem Auftragsmangel waren im Mai 33,9 Prozent betroffen, nach 31,7 im April. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht zeitweise unter 90.000 US-Dollar: Kryptomarkt in extremer Angst
18.11.2025

Der Bitcoin-Kurs ist am Dienstag zeitweise tief gefallen und hat weltweit Unruhe unter Anlegern ausgelöst. Der Fear-and-Greed-Index warnt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Flixtrain bereit zum harten Wettbewerb um Bahn-Kunden
18.11.2025

Im Fernverkehr auf deutschen Schienen herrscht bislang wenig Wettbewerb. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Ein kleiner...

DWN
Technologie
Technologie Fliegende Autos: XPeng eröffnet erste Produktionsstätte für Flugfahrzeuge in China
18.11.2025

China eröffnet erstmals industrielle Strukturen für Fahrzeuge, die sowohl am Boden als auch in der Luft nutzbar sein sollen. Wird damit...

DWN
Technologie
Technologie Cloudflare down: Internetdienste X und ChatGPT massiv von Cloudflare-Störung betroffen
18.11.2025

Die Cloudflare-Dienste sind seit Dienstagmittag weltweit massiv gestört, betroffen sind darunter große Plattformen wie X und ChatGPT. Das...

DWN
Finanzen
Finanzen Nokia-Aktie und Nvidia-Aktie im Fokus: Wie die Partnerschaft 5G-Wachstum antreibt
18.11.2025

Die einst vor allem für Handys bekannte Nokia hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und rückt nun wieder in den Fokus von...

DWN
Finanzen
Finanzen Vestas-Aktie im Minus: So sollen 900 gezielte Entlassungen die Ertragsziele stützen
18.11.2025

Die Vestas-Aktie steht derzeit unter Druck. Dass das Unternehmen weltweit 900 Bürostellen abbaut, scheint den Anlegern auch Sorgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erfolg im Job: Warum Diplome nicht mehr über Karrierechancen entscheiden
18.11.2025

Die Anforderungen an Fachkräfte haben sich deutlich verändert, und Arbeitgeber legen zunehmend Wert auf Fähigkeiten, Persönlichkeit und...

DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität in Europa: Beckedahl kritisiert Bundesregierung
18.11.2025

Deutschland feiert neue Google- und Microsoft-Rechenzentren, während die digitale Abhängigkeit von US-Konzernen wächst. Der...