Politik

Regierungskrise in Berlin: Scholz will Streit vor Öffentlichkeit abschirmen

Bundeskanzler Olaf Scholz fordert angesichts desaströser Umfragewerte, dass Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierungskoalition nicht mehr nach außen dringen.
21.08.2023 09:41
Aktualisiert: 21.08.2023 09:41
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Ampel-Koalitionäre gemahnt, über strittige Projekte nicht mehr öffentlich zu debattieren. "Ich halte es für überflüssig, dass dies so öffentlich ausgetragen wird", sagte er am Sonntagabend im Interview mit den TV-Sendern ProSieben/Sat1. Mehrfach äußerte er in dem Interview sein Unverständnis, dass man bereits vor einer Einigung den Streit nach außen trage. "Alle wären klug beraten", das zu beherzigen.

Hintergrund ist der Streit um Entlastungen für die Wirtschaft und die Kindergrundsicherung. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte am Mittwoch die Umsetzung des von Finnazminister Christian Lindner (FDP) vorgelegten Wachstumschancengesetz verhindert, um höhere Summen für die Kindergrundsicherung durchzusetzen.

Zuvor hatte SPD-Co-Chef Lars Klingbeil die Bundesregierung zu einer schnellen Einigung bei beiden Projekten aufgefordert. "Ich erwarte, dass dies sehr schnell in der Regierung umgesetzt wird", sagte er am Sonntag im ZDF-Sommerinterview. Alle Kabinettsmitglieder müssten sich zusammenreißen. Die Ampel-Regierung habe die Menschen bereits bei der Debatte über das Heizungsgesetz verunsichert. Er könne nicht nachvollziehen, wieso vergangenen Mittwoch das Kabinett das Wachstumschancengesetz nicht habe beschließe können.

Klingbeil verwies darauf, dass es zuvor eine Abstimmung zwischen Kanzler Olaf Scholz (SPD), Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegeben habe. Scholz könne nicht andauernd "auf den Tisch hauen und rumbrüllen". Man habe sich einen anderen Regierungsstil vorgenommen.

Am Sonntag betonten sowohl der Regierungssprecher als auch die Sprecher des Finanz- und Familienministeriums, es liefen noch regierungsinterne Abstimmungen. Sie wollten nicht bestätigen, dass Paus in ihrem Gesetzentwurf mit Kosten von 3,5 Milliarden Euro für das Jahr 2025 rechnet. Lindner hat in der mittelfristigen Finanzplanung der Regierung zwei Milliarden Euro vorgesehen. Dieser Betrag solle insbesondere dafür genutzt werden, die Zugangsvoraussetzungen für die Leistungen zu erleichtern, so ein Sprecher des Finanzministeriums.

Die Kindergrundsicherung soll mehrere Förderungen bündeln, die Grünen wollen die Leistungen auch ausweiten. Vor allem sollen die Mittel des seit 1. Januar 2023 eingeführten Kinderzuschlags von 250 Euro besser abgerufen werden. Bisher stellen nur rund 35 Prozent der Berechtigten einen Antrag.

Scholz hatte Paus vor der Sommerpause aufgefordert, Berechnungsvarianten für die Kindergrundsicherung vorzulegen. Die Familienministerin hatte ursprünglich zusätzliche Mittel von bis zu zwölf Milliarden Euro gefordert, dann aber von Kosten zwischen zwei und sieben Milliarden Euro geredet. Die Kosten hängen erheblich davon ab, wie viele Personen den Kinderzuschlag tatsächlich abrufen werden. Die Zeit berichtete zuletzt, dass der Gesetzentwurf Kosten von 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2025 vorsehe.

Der Streit über Steuerentlastungen für Firmen soll spätestens bei der Kabinettsklausur Ende August in Meseberg geklärt werden. Grünen-Co-Chef Omid Nouripour sagte in der Bild am Sonntag, es gebe keine Blockade, es gebe noch ein "paar Details" zu klären. Unternehmen sollen vor allem mit besseren Abschreibungsmöglichkeiten gefördert werden.

Lindner sagte in Berlin, die Kinderarmut bei deutschen Familien und solchen, die schon lange hier lebten, sei spürbar zurückgegangen. Sie sei aber weiterhin indiskutabel hoch. Es gebe zudem einen klaren Zusammenhang zwischen der Migration seit 2015 und Kinderarmut. Hier müsse angesetzt werden.

Umfragen zeigen inzwischen eine große Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung, während die AfD in der Wählergunst deutlich zulegt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Frankreich: Regierung von Premier François Bayrou scheitert bei Vertrauensfrage
08.09.2025

Frankreichs Regierung unter Premier François Bayrou ist an der Vertrauensfrage gescheitert. Ein krachendes Votum zwingt Präsident...

DWN
Politik
Politik Höhere Beitragsbemessungsgrenzen: Sozialbeiträge werden für Beschäftigte 2026 spürbar steigen
08.09.2025

Die schwarzrote Koalition will die Beitragsbemessungsgrenzen für Rente, Pflege und Krankenversicherung anheben – mit der Begründung,...

DWN
Politik
Politik Government Pension Fund Global: Norwegens Ölfonds trotzt den USA
08.09.2025

Der Government Pension Fund Global (GPFG) sorgt für Streit: Nach dem Ausschluss von Caterpillar und israelischen Firmen drohen die USA mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autozulieferer unter Druck: Stellenabbau bei Bosch, Conti, ZF – Autobranche kämpft ums Überleben
08.09.2025

Die deutsche Autobranche steckt in einer existenziellen Krise. Auftragseinbrüche, Milliardeninvestitionen in E-Mobilität und massiver...

DWN
Finanzen
Finanzen Wölfe der Wall Street: US-Börsen zwischen Rekorden und Unsicherheiten – steigt der Goldpreis auf 5.000 Dollar?
08.09.2025

Die US-Börsen schwanken zwischen Euphorie und Risiko: Rekorde bei S&P 500 und Nasdaq treffen auf Sorgen um Fed-Unabhängigkeit und...

DWN
Politik
Politik EU-Asylagentur: Deutschland bei Asylanträgen nicht mehr führend
08.09.2025

Seit mehr als zehn Jahren lag Deutschland bei Asylanträgen in Europa unangefochten an der Spitze. Nun übernehmen Frankreich und Spanien...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Warum Führungskräfte manchmal unlogische Entscheidungen treffen – und was zu tun ist
08.09.2025

Führungskräfte treffen oft irrationale Entscheidungen – aus Zeitdruck, Denkfehlern oder Selbstüberschätzung. Doch wer mutig ist und...

DWN
Politik
Politik Zwei Jahre nach dem Start: Wird die Regierung das Heizungsgesetz abschaffen?
08.09.2025

Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Heizungsgesetzes plant die schwarz-rote Koalition Änderungen. Zwischen Klimazielen, Förderkürzungen...