Politik

Getreide: Ukraine zieht gegen EU-Importverbote vor Gericht

Die Ukraine droht der EU mit rechtlichen Schritten. Denn die Union müsse gegen Mitgliedsstaaten vorgehen, wenn diese das Getreide-Importverbot verlängern sollten.
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01.09.2023 17:01
Aktualisiert: 01.09.2023 17:01
Lesezeit: 3 min
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Der EU-Kommissar für Landwirtschaft Janusz Wojciechowski hat sich dafür ausgesprochen, dass die Union das bis zum 15. September befristete Importverbot für ukrainisches Getreide, das in Polen, Bulgarien, Ungarn, Rumänien und der Slowakei gilt, bis zum Ende des Jahres verlängert. Laut der aktuellen Regelung können ukrainische Agrar- und Lebensmittelprodukte durch die EU in andere Teile der Welt transportiert werden, sind aber vom EU-Markt ausgeschlossen.

Polen war im April der erste EU-Mitgliedsstaat, der ein Importverbot für ukrainisches Getreide erließ. Warschau reagierte damit auf Demonstrationen von Landwirten, die sich über die Flut billigen Getreides aus dem Nachbarland beschwerten. Der Streit um das ukrainische Getreide ist ein zentrales Thema im Vorfeld der Parlamentswahlen im Oktober. Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) versucht dabei, eine dritte Amtszeit in Folge zu gewinnen.

Auf das polnische Verbot im April folgten Importbeschränkungen durch Ungarn, die Slowakei, Rumänien und Bulgarien. Die EU-Kommission versuchte in der Folge, den Streit zu entschärfen, indem sie anstelle der einseitigen Maßnahmen der fünf Mitgliedsstaaten eigene Beschränkungen für Getreide einführte, die nun jedoch zum 15. September auslaufen werden.

Transit-Subventionen als möglicher Kompromiss

In einer Rede vor einer Gruppe von Abgeordneten des Landwirtschaftsausschusses des EU-Parlaments am Donnerstag sagte nun Kommissar Wojciechowski, die Europäische Union solle in Erwägung ziehen, die Kosten für den Transit ukrainischen Getreides zu den Seehäfen der baltischen Staaten subventionieren. Dieser Vorschlag werde sowohl von den fünf Anrainerstaaten, als auch von der Ukraine unterstützt.

"Dies ist nicht der Vorschlag der Kommission, aber ich hoffe, er wird es sein", zitiert euobserver den EU-Kommissar für Landwirtschaft. Zugleich warnte der polnische Politiker davor, dass eine erneute Öffnung der EU-Märkte für ukrainische Agrar- und Lebensmittelprodukte eine "riesige Krise" in den fünf Staaten am östlichen Rand der Europäischen Union auslösen würde.

Die EU-Kommission hat bestätigt, dass der Vorschlag von Kommissar Wojciechowski derzeit nicht auf dem Tisch liege. Man arbeite derzeit daran, die Kapazität der sogenannten EU-Solidaritätsrouten zu erhöhen und die Engpässe zu beseitigen, die in den fünf Ländern im Osten der Union aufgrund des starken Anstiegs der Getreideexporte aus der Ukraine entstanden sind.

Getreide-Export für Ukraine wichtiger denn je

Das ukrainische Getreide hängt in Silos fest, seit Russland Mitte Juli beschlossen hat, das Abkommens zur Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine nicht weiter zu verlängern. Das Abkommen zwischen Moskau und Kiew zur Erleichterung der ukrainischen Getreideexporte durch das Schwarze Meer war im Sommer 2022 von den UN und der Türkei vermittelt worden. Es sollte in den ärmsten Ländern der Welt eine Nahrungsmittelkrise vermeiden.

Doch kritisierte Moskau wiederholt, nur ein winziger Teil des aus der Ukraine exportierten Getreides würde an bedürftige Länder geliefert, während der Großteil des Getreides in Europa landete. Zudem forderte Russland die Erfüllung der Versprechen, die dem Land im Rahmen des Abkommens gegeben worden waren und die das Ziel verfolgten, eine mögliche Nahrungsmittelkrise einzudämmen.

Sollte jedoch bis zum 15. September keine Lösung gefunden werden, besteht die Möglichkeit, dass Länder wie Polen einseitige Einfuhrverbote verhängen - ähnlich wie es im April geschehen war. Anfang Juli warnte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki, dass Warschau das Verbot im Alleingang ausweiten würde, wenn die Kommission nicht zustimmt.

"Die Gespräche laufen noch, aber wir rechnen fest mit einem positiven Ausgang dieser Diskussionen", sagte eine EU-Quelle gegenüber dem euobserver. Die nächste Sitzung der Gemeinsamen Koordinierungsplattform, in der Vertreter der EU-Kommission, der Ukraine und der fünf Grenzländer zusammenkommen, wird voraussichtlich am Dienstag (5. September) stattfinden.

Ukraine droht mit rechtlichen Schritten

Der ukrainische Außenminister hat seinerseits argumentiert, dass eine einseitige Verlängerung des Verbots gegen die Regeln des gemeinsamen Marktes und das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU aus dem Jahr 2014 verstoßen würde. Daher will Kiew falls nötig juristisch gegen ein mögliches Andauern der Importverbote vorgehen, weil sie das Land um eine wichtige Einnahmequelle bringen.

Laut Igor Zhovkva, dem obersten diplomatischen Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, wird die ukrainische Regierung versuchen, die Beschränkungen vor einem Schiedsgericht anzufechten, falls die EU die Maßnahmen über den 15. September hinaus verlängern sollte. "Die Ukraine wird nicht die Geisel eines ausländischen Wahlkampfes sein", sagte er mit Blick auf Polen.

"Sollte die Europäische Kommission ihre Entscheidung über die ukrainischen Getreideimporte verlängern, werden wir uns im Rahmen unseres Abkommens vor dem Schiedsgericht beschweren", sagte Zhovkva in einem Interview in Kiew. Der stellvertretende Stabschef von Selenskyj hob besonders Polen hervor, das ebenso wie Ungarn bereits mit eigenen Importverboten gedroht hat, falls die EU-Beschränkungen nicht verlängert werden sollten.

Sollte die Regierung in Warschau dann wieder eigene Importverboten auf ukrainisches Getreide einführen, müsse die Kommission rechtliche Maßnahmen wegen Verstößen gegen den EU-Binnenmarkt ergreifen, so der Selenskyj-Berater. "Die Kommission muss reagieren", zitiert ihn Bloomberg. Mit Blick auf Polen kritisierte er zudem die derzeitigen Maßnahmen. "Sie verlängern die Zeit der Kontrollen unserer Lebensmittel an der Grenze. De facto ist es eine Blockade."

Eine mögliche Lösung des Konflikts zwischen der Ukraine und einigen ihrer treuesten Unterstützer im Krieg gegen Russland könnte nun darin bestehen, dass die EU den Transit von ukrainischen Gütern zu den Häfen im Baltikum subventioniert. Damit könnten sowohl die Landwirte in Osteuropa als auch die Führung in Kiew leben. Deutschland hingegen würde den Großteil der Kosten dieser Einigung tragen.

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