Weber, der von 2004 bis 2011 selbst Präsident der Deutschen Bundesbank war, schrieb als Gastautor einen Beitrag für den Newsletter der Investmentberater „Flossbach von Storch“, als deren ökonomischer Berater Weber tät ist. Die Investmentberater „Flossbach von Storch“ haben in ihrem Newsletter „Position – Themen und Denkanstöße für Investoren“ sich dabei mit der Frage auseinandergesetzt, wie hartnäckig die gegenwärtige Inflation sei und welche Schritte zu ihrer Bekämpfung notwendig seien.
Weber geht in seinem Gastbeitrag besonders hart mit der Politik der EZB ins Gericht: Die Führung der Zentralbank hätte bei der Erstellung ihrer Inflationsprognosen auf komplexe Modelle vertraut, „die in der Praxis nicht funktionieren“. Das Ergebnis dieses Fehlers sei, so Weber, ein deutlicher und hartnäckiger Anstieg der Inflation. Mit diesem Problem – so fürchtet der ehemalige Bundesbanker – werde man sich noch länger beschäftigen müssen: „Ein für alle Beteiligten schmerzhafter Prozess.“
Ignorierte Warnsignale
Dem früheren EZB-Präsidenten Draghi hält Weber vor, dass dieser von einem „Deflationsrisiko“ gewarnt hatte, als es dieses nicht gegeben habe. „Die Notenbanken haben also in jenen Jahren Risiken gesehen, wo keine waren – und leider haben sie auch danach gehandelt.“ Diese hätte zur Folge gehabt, dass ihre Geldpolitik stets offensiver war als sie es hätte sein dürfen.
Erste Warnsignale seien demnach schon im Herbst 2020 erkennbar gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten die Preise jährlich nur um ein bis zwei Prozent angezogen. Seither seien sie aber um ein Vielfaches gestiegen. Eine „ultraexpansive“ Geldpolitik habe die Nachfrage befeuert, „Einkommenszuwächse wurden so über Transferzahlungen aus der Zukunft in die Gegenwart verlagert“, schrieb Weber. Jedoch konnte es aufgrund der Pandemie nicht zu einer Ausweitung des Güterangebots kommen – ein massiver Anstieg der Inflation war dann die Folge. Zwar versuchten nun „die Notenbanken, ihre früheren Fehler zu korrigieren – die Geister, die sie riefen, wieder zu verscheuchen“. Doch reichten die bisher getroffenen Maßnahmen nicht aus, um die Inflation zurück zum Zielwert von zwei Prozent zu drücken.
Nach der Einschätzung von Weber steht die EZB nun vor einem Zielkonflikt. Länder wie Griechenland und Italien haben einen sehr hohen Schuldenstand. Griechenland weist derzeit einen Stand von 168 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus, Italien von 140 Prozent. Bei weiteren Zinserhöhungen – die allerdings für eine erfolgreiche Inflationsbekämpfung notwendig wären – würden genau diese Länder massive Probleme bekommen, ihre Schulden zu bedienen.
Der Zielkonflikt der EZB
Diese Einschätzung wird von einem der Gründer der Investmentfirma, Bert Flossbach, geteilt. Er verweist auf die hohen Bestände an Staatsanleihen, die sich in den Jahren nach der Finanzkrise bei den Notenbanken angehäuft hätten. Zwar habe die amerikanische Notenbank schon vor einem Jahr damit begonnen, Ihren Bestand an Anleihen abzubauen, und so auch die EZB. So ersetze sie inzwischen fällig werdende Anleihen nicht mehr – doch würde dies den Bestand bis zum Juni nächsten Jahres nur um 333 Milliarden Euro verringern, was bei einem Volumen von rund fünf Billionen Euro aber kaum ins Gewicht falle. Flossbach sieht aber – ähnlich wie Weber – die Zentralbanken in einem Zielkonflikt. Vor die Frage gestellt, ob die Zentralbanken in der Wahrung der Finanzmarktstabilität oder in einer niedrigen Inflation ihre Priorität sehen, würden sich die Banken wohl für die Stabilität der Finanzmärkte entscheiden.
Damit dürften sowohl Flossbach als auch der frühere Bundesbanker Weber wohl richtig liegen. Schon aus politischen Gründen würde von der EZB alles unternommen werden, um den Bestand der Währung Euro zu sichern. Auch wenn dann der Preis darin bestünde, eine höhere Inflation als den ursprünglichen Zielwert von zwei Prozent zuzulassen. Das aber heißt dann in letzter Konsequenz, dass die Bürger in den Ländern der Euro-Zone den Fortbestand der Währung Euro mit der schleichenden Entwertung ihrer Ersparnisse bezahlen müssen.
Das 1998 gegründete und in Köln ansässige Finanzdienstleistungsinstitut – benannt nach seinen Gründern Kurt von Storch und Bert Flossbach – betreut heute ein Vermögen von rund 80 Milliarden Euro und gilt als einer der führenden Investmentberater in Deutschland.