Finanzen

Anleger geben Hoffnung auf fallende Zinsen auf

Lesezeit: 3 min
01.10.2023 14:50  Aktualisiert: 01.10.2023 14:50
Über viele Monaten wollten Anleger nicht wahrhaben, dass die hohen Zinsen von Dauer sind. Doch nun ist plötzlich Einsicht eingekehrt - mit brutalen Folgen.
Anleger geben Hoffnung auf fallende Zinsen auf
Endlich glauben die Investoren, dass EZB-Präsidentin Lagarde es ernst meint mit hohen Zinsen. (Foto: dpa)
Foto: Álvaro Ballesteros

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In Deutschland sind die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen zuletzt in die Nähe von 3 Prozent gestiegen und somit auf den höchsten Stand seit 2011. Das amerikanische Äquivalent ist auf Höhen gestiegen wie vor der globalen Finanzkrise und liegt in der Nähe von 5 Prozent, die 30-jährige US-Rendite verzeichnete den größten Quartalsanstieg seit 2009.

Auch in Japan haben die Renditen Werte erreicht, die selbst Anfang dieses Jahres noch undenkbar erschienen. Japans Staatsanleihen erlebten den schlimmsten Quartalsverlust seit einem Vierteljahrhundert. Und die österreichische 100-jährige Bundesanleihe, die während der Niedrigzinsphase begeben wurden, erlitt einen erneuten Rückschlag und fiel auf 35 Cent je Euro.

Die jüngsten Kurseinbrüche bei Staatsanleihen waren so extrem, dass selbst die optimistischen Anleger kapitulieren und die Banken an der Wall Street ihre Prognosen zurücknehmen mussten. Und ein Ende des Ausverkaufs ist nicht in Sicht. Sind hohe Renditen die neue Normalität oder vielmehr die Rückkehr zu einer alten Normalität, als die Zentralbanken der Welt die Märkte noch nicht Anleihekäufen in Billionenhöhe verzerrten?

Der Renditeanstieg bei Staatsanleihen hat massive Folgen: für Hypothekenzinsen, für Verbraucherkredite und für das Wachstum der Weltwirtschaft. Im Mittelpunkt des jüngsten Ausverkaufs standen die Staatsanleihen mit den längsten Laufzeiten. Wer Fed-Chef Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht geglaubt hat, dass sie es ernst meinten mit den hohen Zinsen, der muss sich nun eines Besseren belehren lassen.

"Die Märkte haben sich in den letzten Monaten geirrt, weil sie dachten, die Inflation würde schnell zurückgehen und die Zentralbanken würden sehr locker sein", zitiert Bloomberg Frederic Dodard, den Leiter der Vermögensallokation bei State Street Global Advisors. "Alles wird davon abhängen, wie sich die Inflation mittel- bis langfristig entwickelt, aber man kann mit Fug und Recht behaupten, dass wir die extreme Niedrigzinsphase hinter uns haben."

Einige der bekanntesten Investoren, darunter Larry Fink von BlackRock und Bill Ackman von Pershing Square Capital, sagen, dass der aktuelle Trend möglicherweise noch nicht vorbei ist. Denn selbst der eskalierende Haushaltsstreit in den USA hat nicht zu einer anhaltenden Nachfrage nach US-Staatsanleihen geführt, die weltweit als Zufluchtsort gelten.

Zentralbanken bleiben hart

Die Vertreter der US-Notenbank Federal Reserve hielten an ihrem Mantra fest, dass die Zinssätze länger höher bleiben sollen. In der Eurozone wehrt sich EZB-Präsidentin Lagarde vehement gegen eine baldige Zinssenkung. Anfang der Woche erklärte sie vor dem EU-Parlament, dass ihre Zentralbank die Zinssätze so lange auf einem ausreichend restriktiven Niveau halten werde, wie dies zur Abkühlung der Inflation erforderlich sei.

Bislang hatten die aggressiven Zinserhöhungen der Zentralbanken vor allem Anleihen mit kürzeren Laufzeiten in Mitleidenschaft gezogen, was die Renditen in die Höhe trieb und zu stark inversen Renditekurven führte. Denn die Märkte erwarteten Rezessionen, auf welche die Notenbanken mit Zinssenkungen reagieren würden, und dies hielt die Renditen der längeren Laufzeiten niedrig.

In den USA ist keine Rezession absehbar. Die Unternehmen verzeichneten hier zuletzt Profite in Rekordhöhe. Daher sahen sich Anleiheinvestoren letztlich doch gezwungen, nicht länger auf eine Lockerung der Geldpolitik zu spekulieren. Die europäischen Staaten haben größere konjunkturelle Probleme. Dennoch die EZB hat immer wieder betont, dass es noch zu früh sei, über eine Lockerung zu sprechen, da die Inflation immer noch deutlich über ihrem Zielwert von 2 Prozent liegt.

"Es sieht so aus, als ob die schmerzhafte Entwicklung noch höherer Renditen weitergehen könnte, bis sich etwas ändert", sagte Adam Kurpiel, Zinsstratege bei der französischen Bank. Jack McIntyre, Portfoliomanager bei Brandywine Global Investment Management, hingegen sieht nun einen lang erwarteten Wendepunkt kommen. "Unserer Meinung nach pendelt sich die Inflation ein und das Wachstum wird sich verlangsamen. Das werden wir in sechs Monaten erreichen".

In die gleiche Richtung geht die revidierte Prognose der Strategen von Goldman Sachs, die nun davon ausgeht, dass die zehnjährigen US-Staatsanleihen das laufende Jahr mit einer Rendite von 4,30 Prozent beenden werden. Dieses Ziel liegt zwar etwa 40 Basispunkte höher als ihr bisheriges Ziel, liegt aber bemerkenswerterweise unter dem aktuellen Niveau.

Zum Ende der Woche gab es Daten, die der Fed Hoffnung geben, dass sie den Kampf gegen die Inflation in den Griff bekommt. Das von ihr bevorzugte Maß für das zugrunde liegende Preiswachstum stieg so langsam wie seit Ende 2020 nicht mehr. Aber selbst wenn sich die Inflation in den USA und anderswo weiter abschwächen sollte, befinden sie die Märkte in einer neuen Welt.

"Wir kehren vielleicht gerade zu dem zurück, wie die Welt vor 2008 aussah", zitiert Bloomberg Rob Robis, den Chef der globalen Anleihestrategie bei BCA Research. "Die Zeit nach Lehman und vor Covid war eine Zeit, in der die Inflation nur mit Mühe 2 Prozent erreichte, das Wachstum unstet war und die Zentralbanken die Zinsen länger niedrig halten mussten."


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