Die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Claudia Buch, wird ab Januar 2024 neue Chefin der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB). In einer kritischen Anhörung des Wirtschaftsausschusses hatte sich Buch bereits am 20. September den Fragen der Parlamentarier gestellt, die dem EZB- Rat eine andere Kandidatin vorgeschlagen hatten und von diesem mit der Nominierung Buchs übergangen worden waren. Am Ende wurde die Nominierung Buchs mit 29 zu 23 Stimmen bei zwei Enthaltungen bestätigt. Das Europaparlament stimmte dem Vorschlag am Dienstag Mittag zu. Buch folgt dem Italiener Andrea Enria nach, dessen Mandat zum Jahresende ausläuft. Das Amt ist auf fünf Jahre begrenzt.
Parlamentarier zunächst wenig begeistert
Die 57 Jahre alte Volkswirtin und frühere Wirtschaftsprofessorin hatte sich den Parlamentariern als starke Verfechterin der Bankenunion vorgestellt, deren Vollendung sie anstrebe und dem EU-Parlament für dieses gemeinsame Ziel eine enge Zusammenarbeit in Aussicht gestellt. Sie habe einen reichen Erfahrungsschatz, viel Engagement und Sachverstand und werde sich mit aller Kraft für die Bankenaufsicht und ein stabiles Finanzsystem einsetzen, sagte sie.
Buch ist seit April 23 bereits Mitglied im EZB-Aufsichtsgremium. Angesprochen auf mögliche Interessenkonflikte, erklärte sie im Ausschuss, dass sie dieses Amt aufgeben werde, wenn das Parlament dies wünsche.
Stühlerücken bei EU-Spitzenposten
Der Umstand, dass sich die EZB auf Buch festgelegt hatte, ist Teil eines größeren Stühlerückens in wichtigen EU-Positionen kritisierte MdEP Johan van Overtfeldt (EKR/BE) bei der Anhörung Buchs und wollte wissen, wie sie sich denn damit fühle. Die Parlamentarier hatten sich nicht für sie, sondern einstimmig für ihre Konkurrentin Maria Delgado ausgesprochen, aktuell Vize-Gouverneurin der spanischen Notenbank. Die EZB hatte dieses Votum ignoriert. Buch wollte Verfahrensfragen nicht kommentieren und warb stattdessen mit ihren Stärken.
Tatsächlich steigen mit der EZB-Entscheidung für eine Deutsche die Chancen einer anderen Spanierin auf einen EU-Spitzenposten. Spaniens parteilose Finanzministerin Nadia Calviño will von Januar 2024 an Präsidentin der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg werden. Sie gilt nun als aussichtsreichste Kandidatin auf diesen Posten und könnte ihre Mitbewerberin, die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager, ausstechen. Vestager hat sich wegen ihrer Kandidatur von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unbezahlt beurlauben lassen. Hätte Delgado den EZB-Job bekommen, wäre der Weg für eine weitere Spanierin im Bankensektor versperrt gewesen.
Noch EU-Ratspräsident Charles Michel, der laut „Le Monde“ ebenfalls auf Jobsuche ist und mit dem EIB-Posten liebäugelt, hat gegen die zwei starken Frauen nur Außenseiterchancen. Um seine politischen Ambitionen nach der Europawahl 2024 weiter verfolgen zu können, wird er sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen anderen Spitzenposten bemühen müssen. Im kommenden Jahr werden die Karten für die EU-Spitzenposten neu gemischt.