Politik

Blutige Gefechte in Israel – Zahl der Opfer steigt dramatisch

Auch nach mehr als 24 Stunden nach Beginn des Angriffs der Hamas auf Israel hat die israelische Armee die Lage im Land nicht unter Kontrolle. Aus mehreren Orten im israelischen Kernland werden zum Teil schwere Gefechte mit eingedrungenen Kommandoeinheiten der palästinensischen Terrormiliz Hamas gemeldet. Unterdessen steigen die Opferzahlen unaufhörlich – und auch die Angst vor einem verheerenden Flächenbrand im Nahen Osten.
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08.10.2023 14:54
Lesezeit: 3 min
Blutige Gefechte in Israel – Zahl der Opfer steigt dramatisch
Israelische Soldaten bei dem Versuch, eine Ortschaft zurückzuerobern. Die blutigen Kämpfe in Israel dauern an. (Foto: dpa) Foto: Ilia Yefimovich

Auf der israelischen Autobahn 4, einer der wichtigsten Verkehrsadern Israels, haben Armeeangehörige eine Terroreinheit der Hamas gestoppt und sich Feuergefechte mit den eingedrungenen Milizionären geliefert. Auch aus anderen Orten des israelischen Kernlandes dauern die Gefechte mit den Angehörigen der Kassam-Brigaden mit unverminderter Heftigkeit noch an. Die Kassam-Brigaden sind der militärische Arm der Hamas. So berichtet die israelische Zeitung „Haaretz“ über Hilferufe von Bewohnern aus dem Ort Kfra Asa. Der Ort an der Grenze zum Gazastreifen sei immer noch teilweise in der Hand der Palästinenser. Ein Bewohner berichtet: „Die Terroristen laufen immer noch im Kibbuz. Sie schießen auf den Gehwegen, verstecken sich auf den Dächern, einige von ihnen sind in den Häusern mit Geiseln.“ Auch aus sechs anderen Orten werden noch Gefechte mit Angehörigen der Kassam-Brigaden gemeldet. In dem Grenzort Ofakim hatte die israelische Armee eigenen Angaben zufolge eine Geiselnahme beendet und dabei zehn Terroristen getötet. Insgesamt meldet die israelische Armee bei Gefechten mit den aus dem Gaza-Streifen eingedrungenen Hamas-Angehörigen bisher „hunderte“ Angreifer getötet und Dutzende gefangengenommen zu haben.

Angst vor einem Flächenbrand

Unterdessen steigt die Zahl der Opfer unaufhörlich. Israelische Medien sprechen von mehr als 400 Toten, darunter 30 Polizisten und 26 israelischen Armeeangehörigen, die Zahl der Verwundeten belaufe sich auf annähernd 2000. Gleichzeitig steigt international die Angst vor einem Flächenbrand, der den gesamten Nahen und Mittleren Osten erfassen könnte. Der israelische Rundfunk meldete am Mittag, dass auch an der Nordgrenze Israels geschossen worden sei. Im Libanon, an der israelischen Nordgrenze, hat die Hisbollah-Miliz einen Staat im Staate aufgebaut. Die schiitische Hisbollah ist mit der sunnitischen Hamas verbündet. Beide Terrormilizen werden von Iran logistisch, militärisch und politisch unterstützt. Es ist deshalb eine Urangst der Israelis, in einen Zwei-Fronten-Krieg gegen Hamas und die ungleich stärkere Hisbollah, die auch über schwere Waffen verfügt, zu geraten. Schon am ersten Tag des Hamas-Überfalls haben israelische Vertreter sehr deutliche Warnungen in Richtung Hisbollah ausgesprochen, jedoch ist bis zur Stunde nicht klar, ob und in welchem Umfang sich die Hisbollah an den Kämpfen beteiligen wird. Völlig unklar ist auch, wie sich die Lage im Westjordanland entwickelt, das von der palästinensischen Fatah kontrolliert wird.

Gleichzeitig mehren sich schon jetzt kritische Fragen in Israel und in den USA, wie es dazu kommen konnte, von dem Angriff der Hamas so überrumpelt worden zu sein. Sowohl die ansonsten so gut in dieser Region vernetzten israelischen Dienste wie auch die eng mit Israel zusammenarbeitenden amerikanischen Nachrichtendienste waren offenbar völlig überrascht. Inzwischen lässt sich der Verlauf der Operation der Hamas nachvollziehen: Am Samstagmorgen, 6.30 Uhr, wurden die meisten Israelis durch Sirenen und Warnungen auf ihren Mobiltelefonen aus dem Schlaf gerissen. Aus dem Gazastreifen erfolgte ein in seiner Intensität bisher nicht gekannter Hagel an Raketengeschossen. Die Hamas sprach dabei von 5000, Israel von 2500 abgeschossenen Raketen.

Das Versagen der Nachrichtendienste

Offensichtlich aber diente der massive Raketenbeschuss nur als ein Ablenkungsmanöver. Etwa eine Stunde nach Einsetzen des Raketenangriffs begann die große, offenbar gut geplante Infiltrierungsaktion der Hamas. Hunderte Angehörige ihrer Kassam-Brigaden überwanden die gesicherten Grenzanlagen Israels. Zum Teil auf Motorrädern gelangten die Terroristen in das israelische Hinterland. Auch über den Seeweg kamen Hamas-Angehörige nach Israel. Gegen zehn Uhr gab es die ersten Meldungen von Geiselnahmen und Kämpfen in israelischen Orten mit den Eingedrungenen, Bilder von Leichen erschossener Israelis auf den Straßen kursierten, verzweifelte Israelis verbarrikadierten sich in ihren Häusern. Dutzende Geiseln wurden von den Terroristen in den Gazastreifen verschleppt, darunter jüngsten Berichten zufolge auch eine Deutsche. Offenkundig sollen die Geiseln als Faustpfand der Hamas dienen, um politisch den Druck auf Israel zu erhöhen.

Ein langer und schwieriger Krieg

Bisher ist es ein vollkommenes Rätsel, wie es der Hamas gelingen konnte, eine solch umfassende Militäroperation vorzubereiten, ohne dass offenkundig die israelischen Dienste davon etwas mitbekommen hatten. Originär zuständig für die Beobachtung im Gazastreifen wie im Westjordanland ist der israelische Abwehrdienst Shin Bet. Auch werden die Fragen an die Armeeführung immer lauter, warum es den Terroristen so schnell gelang, den 65 Kilometer langen, mehrere Meter hohen Zaun zu überwinden, der Israel vor Eindringlingen aus dem Gazastreifen schützen sollte.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, der bis zu dem Beginn des Angriffs innenpolitisch in Israel wegen einer geplanten Justizreform hoch umstritten war, hat nun zur Einheit Israels aufgerufen. Er kündigte an, dass Hamas für seinen Angriff „einen beispiellosen Preis“ zahlen werde. Gleichzeitig stimmte er seine Landsleute auf einen „langen und schwierigen Krieg“ ein.

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