Technologie

Mobilitätswende in Gefahr: Niemand will gebrauchte Elektroautos kaufen

Die Verbreitung von E-Autos in der Gesellschaft läuft immer noch schleppend. Im Gebraucht-Segment gibt es fast keine Nachfrage. Hohe Preise, niedrige Reichweiten und eine unsichere Stromversorgung sind die Hauptgründe.
20.12.2023 16:28
Aktualisiert: 20.12.2023 16:28
Lesezeit: 3 min

15 Millionen Elektroautos will die Bundesregierung bis 2030 auf deutschen Straßen fahren sehen. Stand Oktober wurden hierzulande jedoch insgesamt nur 1,3 Millionen Stromer zugelassen, zusätzlich rund 900.000 Hybrid-Modelle. Um die 15 Millionen zu erreichen, fehlen noch knapp 14 Millionen. Pro Jahr müssten also rund zwei Millionen Neuzulassungen pro Jahr stattfinden. 2023 werden die Neuzulassungen voraussichtlich 500.000 erreichen.

Diese Ziele ambitioniert zu nennen, wäre eine Untertreibung, sie sind vollkommen unrealistisch. Denn dafür ist der Markt bei weitem noch nicht groß genug. Angebot und Nachfrage steigen zwar, aber die relativ geringen Reichweiten und hohen Preise bleiben für viele potentielle Käufer ein Hindernis. Ein weiteres Problem ist das sehr geringe Angebot an qualifizierten Werkstätten bei einer nötigen Reparatur. Ein passender Mechaniker ist sehr schwer zu finden und entsprechend teuer.

Die aktuelle Stromknappheit liefert auch nicht gerade einen Anreiz zum Kauf eines E-Autos. 2024 werden zudem die Netzentgelte und damit die Strompreise deutlich ansteigen. Darüber hinaus ist die Ladeinfrastruktur noch nicht weit genug und bei einer drohenden Überlastung des Stromnetzes dürfen die Netzbetreiber künftig den Verbrauch von Ladestationen drosseln.

Lesen Sie dazu: Netzagentur: E-Autos kann jederzeit der Strom abgedreht werden

Nicht hilfreich ist die Tatsache, dass die Kaufprämien für neue E-Autos (immerhin bis zu 6.750 Euro) im Zuge des neuen Haushaltsentwurfs der Bundesregierung komplett gestrichen wurden. Für viele Menschen lohnt sich in diesem Umfeld der Umstieg auf einen Elektro-PKW einfach noch nicht. Interessierte warten verständlicherweise erst einmal ab, wie es mit der Stromsituation, den Reichweiten und den Preisen weitergeht.

Gebrauchte E-Autos immer noch zu teuer

Besonders stark zeigt sich die Marktschwäche im Gebrauchtwagen-Segment, wo das Angebot recht schleppend auf den Markt kommt – zu wenig attraktiven Preisen. Auf Deutschlands größtem Online-Fahrzeugmarkt „Mobile.de“ werden derzeit 1,29 Millionen Gebrauchtwagen angeboten, wovon knapp 59.000 batteriebetrieben sind. Diese Elektro-Modelle sind häufig nur geringfügig billiger als die entsprechenden Neuwagen. Etwa die Hälfte der dort inserierten gebrauchten E-Autos kosten mehr als 30.000 Euro.

Der Durchschnittspreis liegt bei rund 42.000 Euro und damit um 17 Prozent niedriger als im Vorjahr, wie der Focus im Sommer unter Berufung auf Zahlen von „Mobile.de“ berichtete. Einen ähnlichen Preisrutsch gebrauchter Elektromobile beobachtete die Fahrzeugbörse „Autoscout24“. Zum Vergleich: Der Durchschnittspreis von neuen E-Autos beträgt laut dem Center of Automotive Mangement (CAM) aktuell knapp 53.000 Euro. Das bedeutet, dass vor dem jüngsten Preisrutsch gebrauchte E-Autos ungefähr genauso viel wie die Neumodelle kosteten.

Trotz überschaubarem Angebot ist die Nachfrage sehr gering. Dabei kauft ein Großteil der Autofahrer eigentlich lieber gebraucht als neu. Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse planten 2022 rund sechs Millionen Menschen in Deutschland, in den nächsten ein bis zwei Jahren ein Auto zu kaufen. Bei mehr als zwei Drittel der Befragten soll es ein Gebrauchtwagen sein.

Der Hauptgrund für den stockenden Markt, und da sind sich Branchenexperten weitestgehend einig, ist neben der allgemein vorherrschenden Technik-Skepsis, dass gebrauchte Elektrofahrzeuge trotz des wachsenden Angebots und der Preisrückgänge weiterhin zu teuer sind. Besonders stark sinken die Preise bei technisch veralteten Modellen mit schlechten Reichweiten und langen Ladezeiten, aber gerade hier ist es besonders schwer, einen Abnehmer zu finden. Beim Gebraucht-Kauf ist eben das Risiko besonders hoch, dass die Batterie-Technik schnell überholt ist. Zusätzlich wissen die Interessenten ganz genau, dass sich ein gebrauchtes E-Auto nur schwer weiterverkaufen lässt.

Selbst an Elektroautos interessierte Kunden landen am Ende häufig beim gebrauchten Verbrenner. Das torpediert die angestrebte Mobilitätswende. Dem jüngsten DAT-Report der „Deutschen Automobil Treuhand“ zufolge interessieren sich ein Drittel aller Gebrauchtwagenkäufer auch für alternative Antriebe, gekauft haben sie dann aber häufig einen Verbrenner. 44 Prozent aller Befragten können sich zukünftig den Kauf eines Stromers grundsätzlich vorstellen. Allerdings liegt bei der Mehrheit der Verbrenner-Besitzer der voraussichtliche Kaufzeitpunkt mehr als fünf Jahre in der Zukunft.

Bis sich ein „gesunder und stabiler Gebrauchtwagenmarkt“ entwickle, werde es noch einige Jahre dauern, so Fabian Brandt von der Managementberatung Oliver Wyman gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Rezepte gegen die Marktflaute

Mehr elektrisch betriebene Dienstwägen könnten dem kleinen Markt mittelfristig helfen. Zwei Drittel aller Neuzulassungen in Deutschland sind gewerblich, die Kunden also Unternehmensflotten oder Autovermieter. „Diese sind ungeheuer wichtig für den gesamten deutschen Automarkt, da diese Fahrzeuge nach ein bis drei Jahren auf dem Gebrauchtwagenmarkt zur Verfügung stehen“, urteilt das DAT-Barometer vom November.

Außerdem dürften die Hersteller in Zukunft neue Vertriebsstrategien eruieren. Mit Gebrauchtwagen-Leasing oder Abomodellen wie dem von Volkswagen können mehr Kunden angezogen werden.

Die offensichtlichste Lösung des Problems ist hingegen der technische Fortschritt. Sobald E-Autos deutlich billiger und zugleich leistungsfähiger und langlebiger werden, wird das auch positiv auf den Gebrauchtwagenmarkt auswirken. Wenn man sich etwa die Errungenschaften des chinesischen Batteriegiganten CATL anschaut, so ist festzustellen, dass die großen Innovationen teilweise bereits heute stattfinden.

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Jakob Schmidt

                                                                            ***

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.

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