Auf seriösen Plattformen wie LinkedIn wird dafür geworben. „Human Design“ soll die neue Methode der Persönlichkeitsfindung sein. Das bereits vor knapp 40 Jahren entwickelte Konzept, ist allerdings kritisch zu betrachten.
„Human Design“ – ein neuer Hokus Pokus-Trend in der Arbeitswelt?
In einer Welt, die aus den Fugen zu geraten scheint, die vor lauter Komplexität kaum noch zu verstehen ist, suchen Menschen Halt. Viele fangen bei sich an und glauben durch einen besseren Zugang zu sich selbst, vielleicht die Prozesse in der Welt besser beurteilen zu können. Es gibt dabei unterschiedliche Wege der Selbstanalyse. Die anerkannte Psychoanalyse mit Hilfe von ausgebildeten Therapeuten ist eine davon. Daneben existieren aber auch zweifelhafte Methoden. Wenn Angebote der Selbstfindung den wissenschaftlichen Pfad verlassen, betreten sie das Feld der Esoterik, welches nicht fachlich validiert ist.
In jüngster Vergangenheit kursiert ein aktueller Trend durch die Medienlandschaft. Das Konzept nennt sich „Human Design“ und verspricht tiefe Einblicke in die eigene Persönlichkeit und Selbstreflexion. Entdeckt, oder besser gesagt: konzipiert, wurde es 1987 von dem Kanadier Alan Robert Krakower, nachdem dieser, so heißt es, eine mystische Erfahrung und Eingebung erfahren habe. Doch damit nicht genug. Diese Erkenntnis soll er genau zu einem Zeitpunkt erhalten haben, als das Licht der SupernovaSN 1987A nach rund 157.000 Jahren die Erde erreichte. Seine Eingebung bezeichnet er als „die Stimme“ - klingt nach Science Fiction.
Ähnlich abenteuerlich klingt auch die Basis seiner Lehre: Laut Krakower prägen Neutrinos unsere Gene. Nach seiner Vorstellung gelangt so auch die Seele im Mutterleib in den Fötus – und zwar exakt am 88. Tag.
Nach seiner Lehre vereinen sich so die Elemente der esoterischen Systeme Astrologie, I Ging, Chakrenlehre und Kabbal. Krakower, der sich selbst Ra Uru Hu später umbenannte und mit seiner Familie in den USA, Deutschland und Ibiza lebte, gelang besonders in den letzten Jahren zu einer außergewöhnlichen Popularität. Dies mag durch die sozialen Medien und Kanäle wie TikTok oder Instagram verstärkt worden sein. Dort können gekaufte Influencer als Werbebotschafter schnell die Massen erreichen und begeistern.
Mittlerweile arbeiten Coaches, Heilpraktiker und sogenannte „Human Design Master“ mit der Lehre des bereits verstorbenen Krakower, vereinzelt auch Psychologen oder Ärzte. Ein Hauptaugenmerk liegt in der „energetischen Grundausstattung“ eines jeden Menschen, heißt es in der formalen Beschreibung. Es soll den inneren Bauplan sichtbar machen. Ähnlich wie in der Astrologie zieht es dabei Geburtsstunde, -ort und -datum mit in die Berechnung ein. Weiter kommen hinzu vier Typenmerkmale, die die Menschheit angeblich ausmachen sollen: Generatoren, Projektoren, Manifestoren und Reflektoren. Begriffe wie „innere Autoritäten“, die in unterschiedlicher Gewichtung in der Bevölkerung vorkommen sollen, spielen außerdem eine Rolle. Allerdings erfährt man nicht, woher die Basisdaten für die aufgeführten Verteilungen kommen.
Auf LinkedIn wirbt der Human Design Club mit dem Hashtag „New Leadership“ für seine Methode. Die Ausbildung zum Master bietet der Club für 4.990 Euro an, zahlbar in 24 Raten. Poster, Kleidung und Accessoires zu „Human Design“ ergänzen das Angebot des Clubs, erinnern damit aber mehr an eine sektenähnliche Celebrity, denn an eine seriöse Lehrmethode für die Persönlichkeitsentwicklung.
Das scheint die Fans weniger zu stören, auch wenn die Lehrinhalte die Gütekriterien der DIN-Norm 33430, welche die Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik enthält, nicht erfüllen. Die Universität Wien konnte 2012 den Barnum-Effekt bei der Human Design-Anwendung bestätigen. Es bezeichnet die Neigung vage und allgemein meist positive Aussagen über die eigene Person so zu interpretieren, dass sie als zutreffende Beschreibung empfunden werden. Seriös klingt anders.
Human Design: Ethisch vertretbares Personalmanagement?
Dennoch kommt „Human Design“ in der Berufswelt immer mehr in Mode und zur Anwendung. Kristin Fuchs, Wirtschaftspsychologin und Coach, weist auf die Verantwortung hin, die Unternehmen in Bezug auf Personalmanagement haben. „Es ist wichtig, dass jede Methode, die Anwendung in Personalabteilungen von Unternehmen findet, auf soliden wissenschaftlichen Grundlagen beruht und ethisch vertretbar ist. Bei jeder Art von Bewertungstool, sei es für Einstellungsprozesse oder Mitarbeiterentwicklung, müssen Genauigkeit, Fairness und Datenschutz an oberster Stelle stehen.“ Menschen, die mit den Gedanken spielen Lehrgänge für teures Geld zu buchen, gibt Fuchs den Rat, „dass Interessierte sich ausführlich informieren und die Seriosität solcher Angebote kritisch prüfen und auch vergleichen. In jedem Fall empfehle ich, auf transparente Informationen und evidenzbasierte Methoden zu achten“.
Inwiefern das Konzept „Human Design“ in der Lage ist, Menschen zu besseren Führungspersönlichkeiten zu machen, mag dahingestellt sein. Hinweise, wie der folgende auf der Clubseite, erfordern einiges an Kreativität und Glauben.
„Der „Aktueller Transit“ im „Human Design“ bezieht sich auf die aktuelle Position von Planeten und Himmelskörpern im Verhältnis zu den Zentren im „Human Design Chart“. Diese Positionen können Einflüsse auf das Verhalten, die Emotionen und die Entscheidungen einer Person haben und können genutzt werden, um ein tieferes Verständnis von sich selbst und ihrer Umgebung zu erlangen. Der aktuelle Transit kann helfen, potenzielle Herausforderungen oder Chancen in bestimmten Lebensbereichen zu identifizieren und Entscheidungen zu treffen, die besser auf die individuellen Bedürfnisse und Eigenschaften abgestimmt sind.“
Eine Methode, die hingegen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Neurowissenschaften beruht und versucht, diese für Führung und Management nutzbar zu machen, findet sich aktuell unter dem Begriff „Neuro-Leadership“. Vereinfacht gesagt geht es darum, das Belohnungssystem im Gehirn der Beschäftigten durch eine transparente, motivierende und faire Führung zu aktivieren, damit es bessere Leistungen erbringen kann.
CliftonStrengths zur Persönlichkeitsbildung
Große Unternehmen wie Mercedes Benz, L’Oréal oder Procter & Gamble führen Seminare für ihre Mitarbeiter durch und greifen bei den zur Verfügung stehenden Methoden gerne auf die von CliftonStrengths zurück. Im Gegensatz zum Ansatz von „Human Design“ ist CliftonStrengths eine Online-Talentbewertung, die von der Gallup Organisation entwickelt wurde. Das Ziel des Assessments ist es, die individuellen Stärken einer Person zu identifizieren und zu verstehen, um diese effektiv für persönlichen und beruflichen Erfolg einzusetzen.
Bereits über 25 Millionen Menschen haben laut dem Anbieter Gallup weltweit das Assessment abgeschlossen, dasvon Dr. Donald O. Clifton entwickelt wurde. Seine Ideen basieren auf 60 Jahren Forschungsarbeit – und die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, weiß CliftonStrengths Stärkencoach Beate Seidel: „Neben Talententwicklung und -förderung einzelner Mitarbeiter sowie insbesondere von Führungskräften ist die Teamentwicklung ein starkes Feld für den Einsatz. Das Spektrum reicht von schnell, quasi unmittelbar ableitbarem Sofortnutzen bis hin zu langfristigem Nutzen der Etablierung einer stärkenbasierten Unternehmenskultur. Wenn diese Unternehmenskultur top down gelebt wird, ist der Spaß und die Leistung der Mitarbeiter garantiert. Die Führungskraft macht den Unterschied. Menschen verlassen Manager, nicht Unternehmen!“
Trotz seiner Popularität und vielen Vorteile gibt es aber auch Kritik an dem Verfahren, insbesondere in Bezug auf die Kosten und die ausschließliche Fokussierung auf positive Aspekte, was die Objektivität beeinträchtigen könnte.
Human Design: Was die Geschichte uns lehrt
Ein wenig kommen bei „Human Design“ Erinnerungen an das Sektenmillieu der Vergangenheit auf, nur in moderner Fassung. In den 1970er Jahren etablierten sich einige fernöstlich inspirierte Gruppen wie Transzendentale Meditation (TM). Zwar können bei „Human Design“ keine direkten Vergleiche zu einer Sekte und deren Ziele herangezogen werde, dennoch existieren Parallelen. Die Ziele basieren auf einer Person, einer Art Guru, die sich als Prophet oder in irgendeiner Weise übernatürlich erhellt sieht. Der Grad zur Scharlatanerie ist schmal aufgrund fehlender wissenschaftlicher Fundamente. Dennoch stellt die Anhängerschaft nichts seiner Theorie in Frage.