Immobilien

Energetische Sanierung bei Wohnungsbestand-Investitionen rückläufig, Innovation jetzt entscheidend

Lesezeit: 4 min
13.01.2024 16:21
Der Gebäudesektor ist von entscheidender Bedeutung für die Klimawende: Rund 36 Prozent der Co2-Emissionen stammen aus dem Sektor und circa 40 Prozent der End-Energie wird im Sektor verbraucht. Dennoch sind die Investitionen seit den 2010er Jahren nicht gestiegen. Wieso Experten über ein „verlorenes Jahrzehnt“ reden und welche Instrumente und Innovationen jetzt wichtig sind, um schnell voranzukommen.
Energetische Sanierung bei Wohnungsbestand-Investitionen rückläufig, Innovation jetzt entscheidend
Die energetische Sanierung im Gebäudesektor bleibt ein zentrales Thema. (Foto: dpa)

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Das Thema energetische Sanierung bleibt ein Dauerbrenner in der Wohnungswirtschaft weil es fundamental ist für die Klimaziele: Die Regierung hat ein ehrgeiziges Einsparungsziel von 40 Prozent weniger CO2 in diesem Jahrzehnt - von 2020 bis 2030.

Bis 2030 gegenüber 1990 sollen die Emissionen um mindestens 65 Prozent und bis 2040 gegenüber 1990 um mindestens 88 Prozent gesenkt werden. Auch gelten in einzelnen Sektoren bis 2030 zulässige Jahresemissionsmengen. Einem aktuellen Papier des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (IW) zufolge hat Deutschland im letzten Jahrzehnt jedoch gerade 20 Prozent geschafft – daher bleibt das Sanierungs-Thema im Fokus.

In ihrem Paper haben die IW-Autoren die Bauvolumens-Rechnung erfasst und berechnet, welche Ausgaben und Maßnahmen für Bauinvestitionen in den letzten zehn Jahren getätigt wurden für Sektoren wie Gewerbe und Wohnimmobilien. Diese wurden dann für die Bereiche Dämmung, Heizung und Fenster unterteilt. Erkennbar ist die langfristige Entwickelung gemessen an den Klima-Zielen in der energetischen Sanierung und der Trend, wie sich die Ausgaben dort entwickelt haben.

Resultate: Realer Rückgang im Jahr 2022 gegenüber 2011

Die Ergebnisse zeigen, dass im Jahr 2022 etwa 67 Milliarden Euro für energetische Sanierung ausgegeben wurde – aufgeteilt auf die Bereiche Dämmung, neue Fenster und. Heizung. Für Heizung aber auch für Dämmung wurde insgesamt am meisten ausgegeben gegenüber 2011 - ein Plus von rund 40 Prozent. Doch real - mit der Inflation angelegt - war es ein Rückgang um die 13 Prozent. Dabei gab es den größten Anstieg noch bei den Heizungen (Heizungsausgaben sind um etwa 10 Prozent real gestiegen) aber in vielen anderen Bereichen gab es Rückschritte.

IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer, der die Ergebnisse in einem kürzlich erschienenen 1aLage Immobilien-Podcast kommentierte, erläuterte: „Bei der Dämmung zum Beispiel haben wir real 13.5 Prozent weniger ausgegeben im Jahr 2022 gegenüber 2011. Das verheißt natürlich nichts Gutes mit Blick auf die Klimaschutz-Ziele und mit Blick auf die Co2 Einsparungen, denn dazu müssten wir deutlich mehr investieren.“

Zurückblickend müsse man zunehmend feststellen, dass die 2010er Jahre ein „verlorenes Jahrzehnt“ waren. Während es viele Immobilieninvestoren, mehr Kapitalanleger und auch viele institutionelle Investoren im Immobilienmarkt gab, hat Deutschland es in dem letzten Jahrzehnt weder geschaffen die Wohneigenstumsquote zu steigern (mit einer aktuellen Stagnationsquote von 45 Prozent), noch ausreichend Neubau zu schaffen.

Voigtländer bemerkte weiter: „Eigentlich wäre das auch ein Jahrzehnt gewesen, wo man mehr als man braucht baut - wie es in vielen anderen Ländern passiert. Auch haben wir es nicht geschaffen, bei den Modernisierungen voranzukommen. Warum ist es ein verlorenes Jahrzehnt? Weil eigentlich die Rahmenbedingungen bestens waren: Wir hatten niedrige Zinsen, robustes Wirtschaftswachstum und eine ordentliche Einkommensentwickelung. Trotzdem ist es nicht passiert.“

Wieso sind die Sanierungs-Investitionen nicht stärker gestiegen?

Einige wesentliche Punkte, warum es wenig Investitionen während des Zeitraums gab, sind:

  • Energie-Preise sind eher gefallen, so dass viele Menschen dachten, das Thema sei nicht so relevant
  • Der enorme Handwerkermangel im letzten Jahrzehnt war ein wesentliches Hindernis
  • Andere Modernisierungen haben sich besser entwickelt (zum Beispiel typische Badsanierung oder Bau von Balkon – insgesamt Verbesserung der Ausstattung der Immobilien)
  • Ein intransparenter Markt: Im letzten Jahrzehnt gab es einen „Förder-Jungle“ mit circa 3 000 Förderprogramme für das energetische Sanieren auf Bundesebene, KfW, Bafa, Landesebene, kommunale Ebene und Stadtwerke, und alle diese nochmal mit eigenen Punkten. Immobilieneigentümer mussten sich erstmal durchkämpfen und fragen: „Wie mache ich das eigentlich?“

All diese Faktoren hätten dazu geführt, dass das Jahrzehnt nicht genutzt wurde, um in der energetischen Sanierung richtig voranzukommen.

Was machen andere Länder besser?

In vielen anderen Ländern, zum Beispiel in den USA (die vielleicht später dran sind), wird generell schneller gebaut und auf eine pragmatischere Weise, wohingegen Deutschland ein „Perfektionismus-Problem“ hat, so Voigtländer.

Dieser Pragmatismus führe eher zum Erfolg.

In anderen Ländern sagt man ... hier ist ein Grundstück and das das kann man auch bebauen und – gerade, wenn man Wohnungsbau braucht - dann macht man das auch. Wir haben diese Attitude, dass immer alles perfekt seien muss. Bis wir Bauland freigeben muss eben 100 Mal geprüft werden ob auch alles passt, und ob auch dann jeder zufrieden ist.“

„Der Perfektionismus, der fällt uns irgendwo auf die Füße, denn Perfektionismus dauert eben sehr lange und das ist eben in vielen Bereichen in Deutschland so: Es muss immer der ganz große und perfekte Wurf sein, der alle zufrieden macht.“

Co2-Bepreisung: Das beste Instrument damit die Wärmewende noch gelingt?

Voigtländer betonte, dass jetzt vor allen Dingen Innovationen wichtig sei, um die energetische Sanierung voranzutreiben. Es sei noch nicht klar, was die perfekte Lösung bei der Sanierung sei, denn die Wärmepumpe funktioniere in vielen Fällen aber in anderen Fällen auch nicht.

„Was wir vor allem bei dem Thema brauchen sind Innovationen. Wir müssen alle Möglichkeiten schaffen, das wir über neue Ansätze vorankommen können und da ist natürlich das beste Instrument die CO2-Bepreisung“, sagte er. „Die CO2-Bepreisung führt dazu, dass die Energie teurer wird, und das ist der Anreiz – in Kombination mit einer langen Planungssicherheit – das ich, als Immobilienbesitzer, weiß, dass ich etwas tun muss“.

„Der Charm des Co2 Preis ist das ich eben entscheiden kann, was ich mache. Es gibt ja auch Situationen, in denen es nicht sinnvoll ist, etwas zu machen. Wir haben viele demographisch belastete Regionen in Deutschland, wo ältere Menschen in ihren Häusern wohnen und nicht wissen, ob sie überhaupt noch einen Nachnutzer haben. Kann ich denn die Immobilie noch verkaufen oder vererben? Möglicherweise werden da auch im großen Stil in den nächsten 20, 30 Jahren Immobilien stillgelegt oder abgerissen, weil sie einfach nicht benötigt werden.“

Der zweite Vorteil der Co2 Bepreisung sei die Einnahmen, die verwendet werden könnten, um gleichzeitig die energetische Sanierung zu fördern. „Und wir könnten ja wirklich wirksame Förderprogramme schaffen: Das, was vielfach fehlt ist eine Berücksichtigung in der Einkommenssteuer. Das Steuersparen das ist mit dem stärksten Anreiz und das nutzen wir viel zu wenig,“ so Voigtländer weiter.

Auch müssten Möglichkeiten geschafft werden, um seriell energetisch zu sanieren - Lösungen zum Beispiel für ganze Reihenhausansiedlungen wo Firmen Angebote machen, die überall die Heizung austauschen, anstatt individuelle Beantragungen.

Trotz intensiven Bemühungen den Trend umzukehren, zeigen jüngste Daten, dass der Gebäudebereich mit rund 40 Prozent immer noch der Sektor ist,, in dem die meisten CO2 Emissionen in Deutschland verursacht werden. In ihrem neuen Gebäudereport 2024 betonte die Deutsche Energie-Agentur (dena), dass fast 80 Prozent der Wärmeproduktion weiterhin auf Energieträger wie Gas und Öl entfallen.

Corinna Enders, Vorsitzende der dena-Geschäftsführung, sagte der jüngste dena-Bericht sei ein „eindeutiger Weckruf." Der Gebäudebereich spiele weiterhin eine maßgebliche Rolle im Energieverbrauch in Deutschland. "Um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, ist ein entschlossenes Tempo bei der Umstellung auf erneuerbare Energien im Gebäudebestand unumgänglich", so Enders.

"Die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, die Bundeförderung Effiziente Gebäude sowie die neuen Regelungen zur kommunalen Wärmeplanung bieten wichtige Grundlagen, aber es bedarf jetzt der gemeinsamen Anstrengung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um die notwendigen Veränderungen auch umzusetzen."



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