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Wie die Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung um ihren Ruf gebracht wird

Eine EWIV kann für Unternehmen interessant sein, die sich transnational in Europa mit anderen Unternehmen zusammentuen möchten, um gemeinsame Interessen zu bündeln. Halbdubiose Konstrukte wie die IK-EWIV sorgen aber dafür, dass seriöse EWIVs in ein schlechtes Licht gerückt werden.
31.01.2024 13:48
Aktualisiert: 31.01.2024 13:48
Lesezeit: 4 min
Wie die Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung um ihren Ruf gebracht wird
Eine EWIV kann für Unternehmen interessant sein, die sich transnational in Europa mit anderen Unternehmen zusammentuen möchten. Halbdubiose Konstrukte sorgen aber dafür, dass seriöse EWIVs in ein schlechtes Licht gerückt werden. (Grafik: istockphoto.com/koya79) Foto: koya79

Auf Facebook, Telegramm und in süddeutschen Gründerkreisen kursierte letztes Jahr die Einladung bei „IK-EWIV“ reinzuschauen, um laut Aussage der Anbieter Steuern zu sparen. Beworben wurde es als „unternehmerische Freiheit, um den eigenen Kapitalfluss“ zu erhöhen. Die Macher bezeichneten „IK-EWIV“ als Prototyp einer EWIV, die alles beinhaltet, was die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) auch enthält. Dabei stehen die Buchstaben „IK“ für Internationale Kooperation, was eine EWIV zwingend voraussetzt.

Auf Telegramm findet sich dazu ein verwaister Kanal unter dem Namen „Lösung IK-EWIV“. Doch der Inhalt ist spärlich und endet mit dem letzten Eintrag am 02. November 2023. Die Erklärung für den Stillstand des Kanals liefert die Adresse der Webseite www.ik-evic.eu. Sie führt zu dem Hinweis: „Im Zusammenhang mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Stuttgart ist die Seite vorrübergehend gesperrt“. Seit Oktober 2023 laufen die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Betreiber der IK-EWIV. Offensichtlich wurde hier mit falschen EU-Rechtsformeln geworben.

Ist die EWIV ein Steuersparmodell?

Schnell entsteht der Eindruck, dass die Initiatoren von IK-EWIV das Instrument als Steuersparmodell nutzen wollten. Konkret bewarben sie Interessenten damit, durch den Beitritt zur IK-EWIV Teil eines „Großkonzerns“ zu werden. Für 20 Euro wurde man assoziiertes Mitglied. Das konkrete Geschäftsmodell, dass dann folgte sah vor, dass man bspw. 3.000 Euro, die Summe war frei wählbar, sogenanntes „Projektgeld“ von einem Geschäftskonto (steuerlich ansetzbar) an die IK-EWIV-Gesellschaft überwies. Im Gegenzug bekam man 2.000 Euro auf das private Konto, angeblich steuerfrei, zurück.

Dass Zahlungsrückflüsse ohne rechtlichen oder wirtschaftlichen Grund innerhalb einer seriösen EWIV nicht erlaubt sind, spielte hierbei anscheinend keine Rolle. Auch lag bei der IK-EWIV kein steuerliches Gutachten vor oder ein nachhaltiges Konzept. Vielleicht hatten es die Betreiber nicht geschafft in der Kürze der Zeit, sich um diese elementaren Dinge zu kümmern. Sie hatten die IK-EWIV erst Anfang 2022 gegründet. Doch in dieser kurzen Zeit haben sie es geschafft, laut eigenen Angaben im Netz, 900 Mitglieder zu bewerben. Alle willig und motiviert, mit dem Konstrukt Steuern zu sparen.

Je nach Ausgang der Ermittlungen, erwartet die Mitglieder ebenfalls Post von der Behörde. Denn jede Art an Ausschüttungen an die Mitglieder einer EWIV sind zu versteuern. Damit rückt das IK-EWIV Modell gefährlich in die Nähe der Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Schade, denn eine „echte“ EWIV kann etwas Gutes für Unternehmen und Selbstständige sein.

Im Vordergrund der EWIV steht die grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Bei der Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) handelt es sich um eine besondere grenzüberschreitende Rechtsform, die eine Kooperation von in mehreren Mitgliedsländern der EG tätigen Unternehmen für Hilfstätigkeiten ermöglicht. Ein bekanntes Beispiel einer EWIV ist zum Beispiel der deutsch-französische Kulturkanal ARTE. Ende 2022 gab es in Deutschland circa 4000 (echte) EWIV, laut dem EWIV-Informationszentrum, mit insgesamt 16.000 bis 20.000 Mitgliedern. Gerade kleine und mittlere Unternehmen des Mittelstands (KMU), Freiberufler oder Einzelunternehmer haben mit dieser Form die Möglichkeit grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten. Die EWIV selbst ist aber weder freiberuflich noch gewerblich tätig, sondern ist lediglich ein Vehikel bzw. eine „Hilfsfirma“.

Kern ist die Zusammenarbeit und die Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeiten ihrer Mitglieder. Was die EWIV besonders macht, ist ihre steuerliche Behandlung. Sie ist in der Regel befreit von Gewerbe- und Körperschaftssteuern also von Unternehmens-Einkommensteuern. In Deutschland ist die EWIV weitestgehend unbekannt, auch weil sie im EU-Recht verankert ist und nur wenige heimische Steuerberater mit ihr zu tun haben und das obwohl es sie bereits seit 1989 gibt.

Eine EWIV wird nicht gegründet, um selbst Gewinne oder eigene Geschäftsideen zu verfolgen. Wobei es auch Ausnahmen gibt. Sie kann ausnahmsweise gewerbliche Projekte mit Gewinnerzielungsabsichten durchführen, womit dann ein Gewerbebetrieb und eine gewerbliche Mitunternehmerschaft vorliegt. In diesen seltenen Fällen besteht die Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung zur Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung, so Diana Hauber, Pressesprecherin der Oberfinanzdirektion Karlsruhe.

„Im Vordergrund der EWIV steht ganz klar die wirtschaftliche Förderung und die Betreuung der Mitglieder“, erläutert Michael Olfen, Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht. Juristisch gesehen handelt es sich um eine Personengesellschaft und ähnelt der offenen Handelsgesellschaft (OHG). Ziel der Vereinigung darf nur sein, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder zu fördern und deren Ergebnisse zu verbessern. Konkret nützt eine EWIV als Vertriebs- oder Einkaufsverbund, als Forschungsprojekt oder Service-Einrichtung für die Mitglieder. Jede EWIV ist individuell und muss daher genau auf Ihre Ziel- und Zusammensetzung geprüft werden.

Der Gedanke, den die Politik bei der Schaffung der EWIV-Verordnung vor mehr als 30 Jahren hatte, war löblich. Es geht um die Förderung und Stärkung der transnationalen Zusammenarbeit in Europa. Dies kann den unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen zugute kommen. Eine gemeinsame Durchführung von Großprojekten, die Zusammenlegung von Ausschreibungen oder Kunden- und Reparaturdienstgemeinschaften sind als Verbund manchmal besser zu bewerkstelligen oder gar erst möglich. Die Liste lässt sich durch andere Bereiche beliebig erweitern.

Was also fehlte der IK-EWIV? Die Bewerbung der IK-EWIV in den sozialen Kanälen und auf deren Veranstaltungen mit einer bunten PowerPoint-Präsentation suggerierte den Interessierten, diese könnten ihre Betriebsausgaben über das Konstrukt optimieren. „Die EWIV deshalb nur als Steuersparmodel zu titulieren, ist schon deshalb verfehlt, weil nach § 6 EWIV-Ausführungsgesetz die Aufstellung eines Jahresabschlusses erforderlich ist und die Geschäftsführer dabei verpflichtet sind, für die ordnungsmäßige Buchführung der Vereinigung zu sorgen. Anderenfalls haben die Geschäftsführer ihre Sorgfaltspflicht nach § 5 verletzt und können der Vereinigung zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet sein“, sagt der Fachanwalt Olfen dazu. „Sie widerspricht dem Sinn und Zweck der europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung als die erste Unternehmensform des europäischen Rechts und darf nicht missbräuchlich verwendet werden, mit dem Ziel, Steuern zugunsten Ihrer Mitglieder zu hinterziehen“, ergänzt Olfen.

Wie EWIV sinnvoll genutzt werden kann, zeigt er am eigenen Beispiel seiner Mitgliedschaft bei esb. Hierbei handelt es sich um eine EWIV, wie sie die Gründungsväter vorgesehen haben. Es ist ein Zusammenschluss von verschiedenen europäischen Rechtsanwälten, die auf IT-Recht, Datenschutzrecht und anderen Bereichen des Wirtschafts- und Steuerrechts spezialisiert sind. Zusammen haben sie eine stärkere Außenwirkung und verschiedene Spezialisten unter einem Dach, die sich gegenseitig unterstützen können.

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Sofia Delgado

                                                                            ***

Sofia Delgado ist freie Journalistin und arbeitet seit 2021 in Stuttgart, nachdem sie viereinhalb Jahre lang in Peking gelebt hat. Sie widmet sich gesellschaftskritischen Themen und schreibt für verschiedene Auftraggeber. Persönlich priorisiert sie die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit, als dringendste Herausforderung für die Menschheit.

 

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