Die Inflation, die Europa seit 2022 in Atem hält, ist den Zielen der Europäischen Zentralbank (EZB) abträglich. Der Krieg in der Ukraine ließ Energie- und Lebensmittelpreise schlagartig explodieren; wir verzeichnen die höchste Inflation in Deutschland seit der Wiedervereinigung. Im Februar 2024 beträgt die Inflationsrate in Deutschland 2,9 Prozent. Das ist eine starke Verbesserung, denn die letzte Messung im Dezember 2023 lag bei einer Rate von 3,7 Prozent. Eine Intervention der EZB durch die Senkung des Leitzinses würde die Preissteigerungsrate vermitlich weiter drücken.
So arbeiten Inflation und Leitzins zusammen
Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich eine Geschäftsbank – zum Beispiel die Deutsche Bundesbank – Geld beschaffen oder anlegen kann. Der aktuelle Leitzinssatz liegt bei 4,5 Prozent. Zum Vergleich: 2020, als die Inflationsrate bei 0,5 Prozent lag, war der Leitzins bei 0 Prozent. 2022 wurde dieser bei der explodierenden Inflation von 6,9 Prozent auf 0,58 Prozent angepasst. So mancher Experte, zum Beispiel Volker Wieland, Stiftungsprofessor für Monetäre Ökonomie und Geschäftsführender Direktor des Institute for Monetary and Financial Stability an der Goethe-Universität Frankfurt, empfand das für zu wenig, um die Inflation in Bann zu halten.
Heute geht die EZB deutlich aggressiver vor als noch vor zwei Jahren. Die Zentralbank nutzt den Leitzins als ein Mittel, um Preise zu beeinflussen. Bezieht man dies auf den Immobilienmarkt, bedeuten niedrigere Zinsen, dass sich deutlich mehr Menschen einen Immobilienkredit leisten können. Die Coronakrise motivierte über mehrere Jahre hinweg eine Niedrigzinspolitik der EZB. Diese sollte Konsumenten erlauben, weiter Geld auszugeben und so den Markt zu füttern, Weltwirtschaftskrise und Pandemie zum Trotz. Die deutsche Wirtschaft ist ein Kreislaufsystem – solange Geld reinfließt, kann Geld auch wieder rausfließen.
Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass ein zu niedriger Zins die Inflation in die Höhe treibt. Betrachtet man den Anstieg der Lebenshaltungs- und Energiepreise der letzten Jahre in Kombination mit den in Relation stagnierenden Einkommen der Deutschen, ist der Wertverlust evident. Es ist eine delikate Aufgabe, beide Variablen im Gleichgewicht zu behalten. Der Angriffskrieg in der Ukraine, nachdem die internationale Wirtschaft bereits durch drei Jahre Pandemie geschwächt war, führte zu einem Riss in diesem Gleichgewicht.
So beeinflusst die EZB den Immobilienmarkt
Stabilität und Planbarkeit ist über alle Branchen hinweg relevant, dieser Grundsatz der EZB ist aber insbesondere für den Bau wichtig. Es dauert durchschnittlich zwischen fünf Monaten und einem Jahr, um ein Einfamilienhaus zu bauen. Zuvor werden Pläne gemacht, Verträge unterzeichnet und Kredite abgeschlossen. Dieser Kredit begleitet den Immobilienbesitzer dann über mehrere Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte hinweg. Bei besten Bedingungen ist der Kauf und die Instandhaltung einer Immobilie eine Lebensaufgabe. Kommen erschwerende Umstände rund um Politik und Wirtschaft hinzu, verliert der Markt seine Sicherheit.
Deutschland hat in den letzten 10 Jahren einen echten Bauboom erlebt. Es war einfacher denn je, einen Kredit zu bekommen. Attraktive Zinsen und die weitläufig stabile weltpolitische Lage nach der Krise 2008 führten zu zahlreichen Bauaufträgen. 2024 sieht der Traum vom Haus etwas düsterer aus. Das Bauvolumen sinkt seit 2021 jedes Jahr mehr, Personal und Material werden teurer. Die goldenen Baujahre in Deutschland scheinen vorerst vorbei zu sein.
Prognosen und Konsequenzen
Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von 2 Prozent an. Ein gewisser Grad an Inflation bedeutet auch, dass der reale Wert von Kreditschulden sinkt. Ein hoher Leitzins wirkt dagegen, dass der Wertverfall nicht zu extrem wird. Ein bisschen Inflation kann dem Markt helfen, da diese den Kaufwunsch von Konsumenten erhöht. Zu viel Inflation bedeutet dagegen, dass die Kaufkraft der Deutschen zu tief sinkt, um den Kreislauf der Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Unternehmen machen in Phasen hoher Inflation tendenziell weniger reale oder gar nominale Gewinne, was langfristig dazu führt, dass Mitarbeiter entlassen werden und Firmen schließen.
Der Balanceakt stimmt die EZB vorsichtig. Trotz der rückläufigen Inflation und damit verbundenen Spekulationen im Bezug auf die Zinspolitik hält die EZB bereits zum dritten Mal in Folge an der Zinspause fest. Bei der geldpolitischen Sitzung Ende Januar waren sich alle Teilnehmer einig, dass eine zu rapide Zinssenkung langfristige Reputationskosten mit sich ziehen würde. Der Wert des Euro darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Ein Blick zu unseren Nachbarn verrät: Die Bank of England entschied sich zuletzt ebenfalls dafür, ihren Leitzins bei 5,25 Prozent zu belassen. Bis 2026 soll dieser um einen Zinspunkt fallen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war die Entwicklung in der Inflation, sowie die Einkommens- und Arbeitslosigkeitspolitik des Landes.
Warten auf Zinssenkungen
Auch in Deutschland hat man ein scharfes Auge auf die Inflation. Zwischen Dezember 2023 und Februar 2024 ist bereits eine Entspannung spürbar; wir bewegen uns mit rapiden Schritten auf die von der EZB gewünschte 2-Prozent-Marke zu. Wie sich der Markt entwickelt und ob eine Anpassung des Leitzinses im Angesicht der Inflationsentspannung notwendig wird, bleibt abzuwarten. Immobilienbesitzern und Interessenten tun gut daran, einen genauen Blick auf tagesaktuelle Zinsprognosen zu haben.