Politik

Was der Ampel vor dem Verfassungsgericht noch drohen könnte

Die Regierung bringt neue Gesetze auf den Weg, das Verfassungsgericht überprüft sie. Nicht selten hat Karlsruhe Vorhaben der Ampel zurückgewiesen oder maßgeblich eingeschränkt. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN) geben einen Überblick.
30.07.2024 12:55
Aktualisiert: 30.07.2024 13:00
Lesezeit: 2 min

Mit dem Urteil zur Wahlrechtsreform gibt das Bundesverfassungsgericht der Ampel-Koalition erneut eine Aufgabe: In kaum mehr als einem Jahr wird gewählt, bis dahin muss das Wahlrecht nachgebessert sein. Doch Klagen in Karlsruhe könnten SPD, Grünen und FDP vor der Bundestagswahl noch in ganz andere Schwierigkeiten bringen.

Solidaritätszuschlag

Seit 2021 müssen nur noch Besserverdiener und Unternehmen den Solidaritätszuschlag zahlen, für 90 Prozent der Steuerzahler wurde er abgeschafft. Dagegen zogen FDP-Abgeordnete vor Gericht, als ihre Partei noch nicht Teil der Bundesregierung war. Sie argumentieren, mit dem Auslaufen des Solidarpakts für den Aufbau Ostdeutschlands Ende 2019 hätte der Soli vollständig abgeschafft werden müssen.

Eine Entscheidung peilen die Karlsruher Richter noch für dieses Jahr an – und sie könnte der Ampel, genau wie das Haushaltsurteil vom vergangenen Jahr, im Spätherbst die Verabschiedung des Bundeshaushalts verhageln.

Denn die Bundesregierung hat für das kommende Jahr Soli-Einnahmen von 12,75 Milliarden Euro fest im Haushalt verplant. Sollte das Verfassungsgericht den Zuschlag kippen, würde das ein Loch in den Etat für 2025 reißen. Doch es könnte noch schlimmer kommen: Die Richter könnten entscheiden, dass der Staat Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag der vergangenen Jahre zurückzahlen müsste. Das wären dann seit 2020 um die 65 Milliarden Euro.

Heizungsgesetz und Rechte von Abgeordneten

Im vergangenen Jahr bremste das Bundesverfassungsgericht eine Verabschiedung des Heizungsgesetzes vor der Sommerpause aus - Begründung: Die Rechte der Abgeordneten wurden nicht ausreichend gewahrt. Wegen des engen Zeitplans im Gesetzgebungsverfahren hatte der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt. Über den sogenannten Hauptsacheantrag aber ist noch nicht entschieden worden.

Falls das Gericht Heilmann recht gibt, könnte dies den Weg ebnen für Verfassungsbeschwerden gegen das Heizungsgesetz - das im für die Ampel-Koalition ungünstigsten Fall aufgehoben werden könnte. Heilmann hatte betont, sein Antrag richte sich nicht gegen das inhaltliche Ziel des Gesetzes, sondern gegen das „sehr mangelhafte“ parlamentarische Verfahren. Das Verfassungsgericht könnte in dem Verfahren über das Heizungsgesetz hinaus Leitplanken aufstellen, um sicherzustellen, dass Abgeordnete in Gesetzgebungsverfahren genügend Zeit zur Beratung bekommen.

Bafög

Zwei Bafög-Erhöhungen hat die Ampel-Koalition auf den Weg gebracht. Die zweite Anhebung kam nur nach viel Druck von Studierendenvertretern, Gewerkschaften und auch SPD und Grünen in der Koalition zustande. Die Mehrausgaben pro Jahr für diese Erhöhung zum kommenden Wintersemester liegen im mittleren dreistelligen Millionenbereich.

Wenn die Ampel Pech hat, wird sie für das Bafög aber noch weiteres Geld mobilisieren müssen: Beim Bundesverfassungsgericht liegt seit längerer Zeit ein Fall, der noch in diesem Jahr entschieden werden könnte. Eine Psychologiestudentin beklagt, dass der im Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) festgelegte monatliche Bedarfssatz zu niedrig sei und gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verstoße.

Die Klage liegt zwar schon ein paar Jahre zurück und bezieht sich auf die Bafög-Sätze im Jahr 2014/2015. Doch das Gericht könnte grundsätzliche Aussagen zur Berechnung der Ausbildungshilfe treffen. Das Deutsche Studierendenwerk kritisiert immer wieder, der Bafög-Satz - ab Wintersemester 2024/2025 soll er bei 475 Euro im Monat plus 380 Euro Wohngeldpauschale liegen - sei auch im Vergleich zum Bürgergeld chronisch zu niedrig.

Untersuchungsausschuss

Die Unionsfraktion im Bundestag klagt wegen der gescheiterten Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Steuerskandal bei der Warburg-Bank. Grund: Die antragstellenden Abgeordneten und die Fraktion seien durch einen Beschluss des Bundestags, der die Einsetzung des Ausschusses verhindert habe, in ihren Rechten verletzt worden.

Die Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und FDP stimmten gegen den Vorstoß der Union. Bei dem Untersuchungsausschuss soll es um die Rolle von Olaf Scholz als früherer Hamburger Regierungschef, Ex-Bundesfinanzminister und jetziger Kanzler gehen. Dem SPD-Politiker wird vorgeworfen, als Bürgermeister auf die „Cum-Ex“-Steueraffäre der Hamburger Warburg-Bank Einfluss genommen zu haben. Er wies dies stets zurück.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland: Inflation bleibt leicht über der Zwei-Prozent-Schwelle
13.06.2025

Die Inflation in Deutschland bleibt stabil knapp über zwei Prozent. Wie wirkt sich die Preisentwicklung auf Energie, Lebensmittel und...

DWN
Finanzen
Finanzen Börse aktuell: DAX-Kurs nach israelischem Angriff auf Iran deutlich schwächer
13.06.2025

Die Börse aktuell reagiert nervös auf den israelischen Angriff auf den Iran. Wie belastet die geopolitische Krise den DAX-Kurs und den...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell nahe dem Rekordhoch: Israel greift Irans Atomanlagen an - Iran schlägt umgehend zurück
13.06.2025

Der Goldpreis ist am Freitagmorgen kräftig nach oben geklettert und hat sein Allzeithoch ins Visier genommen. Nach dem Angriff Israels auf...

DWN
Politik
Politik US-Richter: Nationalgarde-Einsatz in Kalifornien ist rechtswidrig - Niederlage für Trump
13.06.2025

Ein Gericht erklärt den Einsatz der Nationalgarde in Kalifornien für unzulässig. Die politischen Folgen reichen bis Washington. Was...

DWN
Technologie
Technologie 5G an der Bahnstrecke: Testlauf auf Hamburg–Berlin soll Durchbruch bringe
13.06.2025

Arbeiten, streamen, telefonieren – all das soll im Zug endlich störungsfrei möglich sein. Mobilfunkkonzerne, Bahn und Politik ziehen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pharma-Aktien: Milliardenjagd der Konzerne nimmt Fahrt auf
13.06.2025

Pharma-Unternehmen stehen vor einer Übernahmewelle historischen Ausmaßes: Mit Milliarden an freiem Kapital greifen die Giganten nach...

DWN
Technologie
Technologie Aus Müll wird Luxus: Pilzleder soll Tierhaut und Plastik ersetzen
12.06.2025

Tierhaut ist grausam, Kunstleder giftig – jetzt soll Abfall die Rettung bringen: Schwedische Forscher züchten edles Leder aus Pilzen,...

DWN
Politik
Politik Fall Gelbhaar: Grüne gestehen Fehler ein
12.06.2025

Erst lösten die Vorwürfe gegen den damaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar Aufregung aus – dann kamen Zweifel an ihrer...