Unternehmen

Ifo-Institut bestätigt mehr als düstere Aussichten für deutsche Autoindustrie

Volkswagen erwägt erstmals Werksschließungen in Deutschland. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zu VW-Plänen: „Deutschland muss starkes Autoland bleiben“. Doch die August-Umfrage des Ifo-Instituts attestiert der Branche das Gegenteil. Es herrschen düstere Aussichten. Ifo-Expertin Antia Wölfl: „Die Stimmung in der Autoindustrie ist im Sturzflug.“
04.09.2024 16:00
Lesezeit: 3 min

Volkswagen gerät ins Straucheln und auch andere deutsche Autobauer verlieren den Anschluss an den Weltmarkt. Die Stimmung in der deutschen Automobilindustrie hat sich im August angesichts fehlender Neuaufträge deutlich eingetrübt. Der Indikator für das Geschäftsklima sank auf minus 24,7 Punkte, nach minus 18,5 Zählern im Juli, wie das Münchner Ifo-Institut zu seiner Unternehmensumfrage mitteilte. „Die Stimmung in der Autoindustrie ist im Sturzflug“, sagte Ifo-Branchenexpertin Anita Wölfl. Grund dafür sind die äußerst pessimistischen Erwartungen für die kommenden sechs Monate. Das Barometer für die Geschäftserwartungen sackte ab auf minus 40,5 Punkte, nach minus 29,5 Punkten im Juli.

Der Indikator für die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage ging ebenfalls zurück, allerdings nur um 0,3 Punkte auf minus 7,2 Zähler.

Fehlende Aufträge aus dem In- und Ausland

„Die Unternehmen der deutschen Autoindustrie leiden unter einem Mangel an neuen Aufträgen – insbesondere aus dem Ausland“, sagte Wölfl. „Dies schlägt sich mittlerweile auch in der Personalplanung nieder.“ Der Indikator für die Exporterwartungen sank bereits den dritten Monat in Folge deutlich: Er liegt nun mit minus 29,6 Punkten so tief wie schon lange nicht mehr. Das Barometer für die Beschäftigtenerwartungen fiel auf minus 27,6 Punkte, von minus 15,6 Punkten im Juli.

Aktuell sorgen die geplanten Einschnitte bei Volkswagen für Schlagzeilen. Der Konzern hat am Montag mit der Ankündigung überrascht, seinen Sparkurs zu verschärfen. Erstmals werden auch Werkschließungen in Deutschland nicht mehr ausgeschlossen.

Heil zu VW-Plänen: Deutschland muss starkes Autoland bleiben

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat sich mit Blick auf die Sparpläne bei VW für den Erhalt aller Standorte ausgesprochen. „Es ist jetzt Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Standorte, und zwar alle Standorte, gesichert werden“ und dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden, sagte der SPD-Politiker dem Sender ntv. „Dafür muss es jetzt Verhandlungen geben. Das ist die Stunde der Betriebs- und Sozialpartnerschaft. Das hat auch gute Tradition bei Volkswagen“.

Nach den Worten von Heil sind bei VW betriebswirtschaftliche Probleme zu lösen. Da seien auch Fehler im Management gemacht worden. „Aber das ist ein starkes Unternehmen. Wir werden das politisch flankieren“, sagte Heil. Die Bundesregierung werde im Kabinett unter anderem Nachfrageimpulse für Elektromobilität beschließen. „Wir können bei Forschung und Entwicklung unterstützen“, sagte der Minister. Auch arbeitsmarktpolitische Unterstützung sei möglich.

Nachfrageimpulse für Elektromobilität stärken

„Aber jetzt ist erst mal das Unternehmen am Zug“, sagte Heil. Vorstand, Betriebsräte und Gewerkschaft müssten vernünftige Lösungen hinbekommen, um alle Standorte zu sichern. Es geht Heil zufolge nicht nur um Beschäftigte bei VW, sondern auch um Zulieferketten. „Deutschland muss ein starkes Autoland bleiben. Wir tun alles dafür, dass das auch möglich ist, aber Unternehmer und Manager müssen ihren Job tun.“

Nach Bekanntwerden der Sparpläne kommt die Belegschaft heute zu einer Betriebsversammlung zusammen. VW hatte am Montag verkündet, bei der Kernmarke kräftig sparen zu müssen. „Auch Werkschließungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten können in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden“, hieß es.

Werke fuhren doppelgleisig – bis jetzt

„Auf dem Weg zur Elektromobilität werden weniger Werke benötigt, weil die Autos weniger komplex sind“, sagte der Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien, Oliver Falck, zu Reuters. „Bisher wurden Doppelstrukturen gefahren nach dem Motto: Wir melken den Verbrenner noch, aber bauen gleichzeitig mehr E-Autos.“

Jetzt steige der Druck, weil insbesondere die Nachfrage nach Elektroautos schwächele. Weder die Binnen- noch die Exportnachfrage liefen derzeit gut. „Der Übergang zur E-Mobilität ist hart, es wird noch eine lange Durststrecke werden für die deutsche Autobranche“, sagte Falck. Der Strukturwandel müsse aber zugelassen werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Immobilien
Immobilien Fenstertausch: Was tun mit dem alten Material?
03.08.2025

Ein Fenstertausch steigert den Wohnkomfort und spart Energie. Doch nach dem Ausbau stellt sich die Frage: Was passiert mit den alten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Führung neu gedacht – aber nicht abgeschafft
03.08.2025

Immer mehr Unternehmen schaffen Titel ab und schwören auf flache Hierarchien. Klingt modern – doch funktioniert das wirklich? Dieser...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Firma unter Verdacht: Spekulationsblase rund um Aktien?
03.08.2025

Ein schwedisches Bitcoin-Unternehmen verspricht Anlegern steigenden Bitcoin-Wert pro Aktie, doch dahinter steckt ein riskantes Modell: Fast...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Globale Handelsadern unter Beschuss: Wem gehören die Häfen der Welt?
02.08.2025

Im globalen Machtpoker um maritime Infrastruktur blockiert China die milliardenschwere Übernahme von CK Hutchinson-Terminals durch...

DWN
Panorama
Panorama Sommerferien 2025: Wer früher startet, erlebt mehr Sonne – wer später reist, profitiert anders
02.08.2025

Sommerferien sind heiß ersehnt – doch wann ist der beste Zeitpunkt für den Urlaub? Früh oder spät starten, Sonne oder Schnäppchen,...

DWN
Finanzen
Finanzen Lebensversicherung verkaufen: Wie Sie die Lebensversicherung zu Geld machen können
02.08.2025

Bei einem Verkauf der Lebensversicherung erhält man in aller Regel mehr Geld als bei einer Kündigung des Vertrags. Während der...

DWN
Technologie
Technologie LinkedIn ist das professionelle soziale Netzwerk: Doch etwas ist im Wandel
02.08.2025

LinkedIn galt lange als letzte seriöse Bastion im Netz – ein Ort für Karrieren, Netzwerkpflege und Fachlichkeit. Doch jetzt häufen...

DWN
Finanzen
Finanzen Warum nur 1 von 25 Aktien echten Wohlstand schafft
02.08.2025

Nur vier Prozent der Aktien schaffen es, den Markt nachhaltig zu schlagen – der Rest vernichtet langfristig Vermögen. Was Anleger jetzt...