Unternehmer demonstrieren eher selten. Doch heute zieht es die Chefs kleiner und größerer Firmen zum Bundestag. Sie kämpfen für eine neue Gesetzes- bzw. Rechtsform für Verantwortungseigentum für Ihre Firmen, die Ihnen die Ampelkoalition versprochen, aber noch immer nicht vorgelegt hat: Mehr als 900 kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland fordern von der Bundesregierung die Schaffung einer Unternehmensform, die ein Wirtschaften jenseits von Profitinteressen erleichtern würde.
Ihr Anliegen: Gesellschaften „mit gebundenem Vermögen“ sollen Gewinne nicht an Gesellschafter ausschütten. Stattdessen sollen erwirtschaftete Gewinne entweder wieder ins Unternehmen fließen oder gemeinnützig gespendet werden. Ein Entwurf von Rechtswissenschaftlern soll nun die Sache voranbringen.
Neuer Vorschlag für treuhänderisches Unternehmertum
Der Firmenbesitzer als Treuhänder, ein Unternehmensmodell mit gebundenem Vermögen – für ein solches Ziel hat eine Gruppe von Rechtswissenschaftlern einen Gesetzentwurf für eine „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ (GmgV) erarbeitet. Die drei für das Thema zuständigen Berichterstatter der Ampelfraktionen, Esra Limbacher (SPD), Katharina Beck (Grüne) und Otto Fricke (FDP), hatten darum gebeten. Der 500 Seiten starke Entwurf soll heute veröffentlicht werden und liegt dem Handelsblatt vorab vor.
Darin heißt es, der Unternehmer solle das Unternehmen „zwar leiten und entwickeln, es aber nicht als persönliches Vermögen, sondern für die nächste Generation und für die Interessenträger des Unternehmens halten“. Die Rechtsform sei damit geeignet etwa für langfristig orientierte Start-ups, „die nicht, wie dies sonst üblich ist, auf den lukrativen Exit hin, sondern auf langfristiges Unternehmertum hin geplant werden“. Auch unternehmerische Nachfolgeprozesse würden erleichtert.
Elemente der Genossenschaft
Für die Idee eines treuhänderischen Unternehmertums macht sich seit einigen Jahren die Stiftung Verantwortungseigentum stark. Die Initiative plädiert für eine eigenständige Rechtsform und lieferte nach eigenen Angaben den Rechtswissenschaftlern um Professorin Anne Sanders von der Universität Bielefeld auch Argumente für den aktuellen Entwurf.
Bestehende Rechtsformen wie zum Beispiel Stiftungsmodelle sind demnach vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) oder Start-ups zu kompliziert und zu teuer.
Die Ampel hatte in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, eine neue Rechtsform mit gebundenem Vermögen zu schaffen. Das zuständige Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) will dazu ein Eckpunktepapier vorstellen. Wie zu hören ist, wird hier allerdings eine GmbH-Variante geplant. Auch deswegen dürfte nun der neue Entwurf präsentiert werden – als „Diskussionsbeitrag“, wie es in der Vorbemerkung heißt.
Konkret nutzt der Entwurf unter anderem Elemente aus dem Genossenschaftsrecht. Unternehmensgewinne dürfen nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet, das Vermögen der Gesellschaft darf nicht ausgezahlt werden. Die Eigentümer eines Unternehmens erhalten eine marktgerechte Vergütung für ihre Tätigkeit. Stimmrechte können nicht vererbt oder verkauft werden. Im Todesfall bekommen die Erben nur die geleistete Einlage ausbezahlt. Als Mindesteinlage werden 5000 Euro vorgesehen.
Auf diese Weise soll eine langfristige Unternehmensentwicklung erreicht werden. Das bedeutet aber nicht, dass es sich zwingend um ein gemeinwohlorientiertes oder gemeinnütziges Unternehmen handelt.
Kein extra Aufsichtsrat
Die Kontrolle darüber, dass die Vermögensbindung auch eingehalten wird, soll ein gemeinsamer Aufsichtsverband übernehmen. Das sei kostengünstiger und effizienter als ein interner Aufsichtsrat pro Unternehmen, erklärt die Stiftung Verantwortungseigentum. Auch dürfte das Unternehmen grenzüberschreitend nur in Rechtsformen mit vergleichbarer Vermögensbindung umgewandelt werden. Der Missbrauch als Steuersparmodell müsse ausgeschlossen sein.
SPD-Berichterstatter und -Mittelstandsbeauftragter Limbacher hält die Schaffung einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen für richtig – ob als eigenständige Rechtsform oder GmbH-Variante. „Was wir jetzt brauchen, ist eine zügige Umsetzung“, forderte er.
FDP-Berichterstatter Fricke plädierte dafür, die „bestmögliche Regelungsform“ zu finden. Darum sei er neben den bald zu erwartenden Eckpunkten aus dem Justizministerium dankbar für den aktuellen Vorschlag der Rechtswissenschaftler. Grünen-Politikerin Beck forderte, dass die neue Rechtsform bald eingeführt werde, „damit für Tausende mittelständische Unternehmen, die dringend eine weitere Option für die Regelung der Nachfolgefrage brauchen, das Warten ein Ende hat“.
Beispiele für ein treuhänderisches Ansinnen sind Konzerne wie Zeiss und Bosch. Weitere Informationen zur Aktion „Warteschlange“ und zum Eckpunktepapier des BMJ finden Sie hier.
Aus Sicht der Stiftung könnte das auch ein Beitrag zur Lösung des Nachfolgeproblems im Mittelstand sein. Denn tausende kleinere und größere Betriebe stehen vor der Herausforderung, dass die Gründer, ihre Nachfahren oder Erben die Geschäfte nicht selbst weiterführen können, sie jedoch auch nicht auf Gedeih und Verderb an externe Investoren veräußern wollen. Gäbe es die neue Gesellschaft mit gebundenem Vermögen, könnte man in solchen Fällen externe Geschäftsführer hereinholen, die allerdings nur beschränkten Zugriff auf das Betriebskapital hätten.