Die großen Notenbanken senken seit Kurzem die Zinsen. Die EZB drückte den Leitzins von 4,5 auf 3,5 Prozent. Der für Sparer wichtige Einlagenzins sank von 4 auf 3,5 Prozent. Die Fed hat Ende September um 0,5 Prozentpunkte auf die Spanne von 4,75 bis 5 Prozent gesenkt.
Anleger sollten dennoch an der eigenen Anlagestrategie festhalten und diese nicht an der neuen Notenbankpolitik ausrichten, erklärt der Honorar-Finanzanlagenberater Peter Binz gegenüber DWN.
Die Zukunft sei ungewiss. „Ob wir mit sinkenden oder zwischenzeitlich wieder steigenden Zinsen rechnen müssen – mit temporären, zum Teil stärkeren Ausschlägen nach oben – kann kein Mensch auf diesem Planeten verlässlich prognostizieren.“
Aktien laufen nach Zinssenkungen nicht immer gut
Laut den Lehrbüchern sollten Aktien steigen, wenn die Zinsen sinken. Allerdings war das historisch nicht immer so. Gemäß dem Fondsanalyseunternehmen Morningstar legte die US-Wirtschaft in den Neunziger Jahren eine sanfte Landung hin und die Aktienmärkte zogen deutlich an, nachdem die FED im Jahr 1995 die Zinsen gesenkt hatte. Nach den Zinssenkungen ab dem Jahr 2001, also ein Jahr nach dem Platzen der Dotcom-Blase, ging es hingegen jahrelang bergab.
Der Ökonom Philipp Eisel von EE Capital Management untersuchte die Entwicklung des S&P 500 in den ersten zwölf Monaten nach einer Leitzinssenkung. Demnach war die Rendite in zwei der drei Zinssenkungszyklen negativ (im Jahr 2001 und 2007).
Nur in einer Zinssenkungsepisode lag der S&P 500 ein Jahr später höher (+13 Prozent nach der ersten Zinssenkung vom 1. August 2019). Über alle drei Zinssenkungszyklen lag die Nominalrendite auf US-Dollarbasis bei -6,1 Prozent.
Professionelle Fondsmanager schaffen es denn auch meistens nicht, Marktumschwünge vorherzusehen und einen Index zu schlagen. Laut einer Studie der Universität Sankt Gallen aus dem Jahr 2014 lagen aktive Fonds in Wirtschaftsabschwüngen um 0,4 Prozentpunkte pro Monat hinter einem Index. Die Forscher untersuchten Rezessionen zwischen 1980 und 2010 in 16 Ländern.
Auch Morningstar berichtet, dass nur 29 Prozent der aktiven Fonds mit Sitz in Europa im Krisenjahr 2022 besser waren als der Durchschnitt der passiven Fonds. Im Jahr 2022 begannen die Fed und die EZB auch mit Zinserhöhungen. Selbst die Profis schaffen es also in der Mehrheit nicht, von Rezessionen oder Marktzinsänderungen zu profitieren.
Peter Binz rät daher davon ab, aufgrund der Notenbankpolitik die Anlagestrategie zu verändern und etwa von kurzlaufenden Anleihen oder Bankeinlagen in Aktien umzuschichten oder von kurzfristigen Zinsanlagen in langlaufende Anleihen.
Langlaufende Staatsanleihen könnten an Wert verlieren, wenn die Notenbanken die Zinsen erhöhen. Solche Umschwünge in der Notenbankpolitik seien nicht voraussagbar. Der Honorarberater verweist etwa auf den Anleihencrash im Jahr 2022. „Die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen war stark positiv und traf Anleger mit langfristigen Anleihen in ihren Portfolios besonders hart.“
Außerdem sei die nominale Rendite der Langläufer keine angemessene Entschädigung für das erhöhte Zinsänderungsrisiko, das Anleger auf sich nehmen. „Tatsächlich liegt sie langfristig inflationsbereinigt nur bei 1,2 Prozent, wie Daten aus den USA von 1900 bis heute zeigen.“
Die Inflation trifft Anleiheninvestoren zudem heftiger als Aktienanleger, wie aus der Studie „Global Investment Returns Yearbook 2023“ hervorgeht. Ein breit gestreutes Portfolio von Aktien aus über 20 Ländern brauchte seit dem Jahr 1900 im ungünstigsten Fall 22 Jahre, um Inflationsverluste wieder wettzumachen. Bei einem Welt-Anleihenportfolio betrug der Zeitraum 82 Jahre.
Langfristig sei eine breit diversifizierte Aktienanlage die „renditestärkste Anlageklasse“ gewesen, erklärt Peter Binz. Daher sollten langfristig orientierte Anleger, die eine höhere Rendite wünschten, besser die Aktienquote erhöhen - falls das mit der eigenen Risikobereitschaft, dem Liquiditätsbedarf und dem Anlagehorizont vereinbar sei.
Allerdings müsse man dafür stärkere Kursschwankungen aushalten. Die Anlageklasse Anleihen solle man dennoch nicht ganz aus dem Portfolio verbannen, sondern auf Kurzläufer und Geldmarktanlagen setzen - etwa Geldmarkt-ETFs.
Diese dienten als Liquiditätspuffer und sollten die Schwankungen der Aktien ausgleichen. „Geldmarktanlagen weisen ein geringes Schwankungsrisiko (Volatilität), das geringste Ausfallrisiko und das geringste Liquiditätsrisiko auf.“
Auf welche konkreten Finanzprodukte können Anleger setzen?
Ein einfaches Portfolio könnte beispielsweise aus einem Aktien-ETF und einem Geldmarkt-ETF mit deutschen Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von maximal 12 Monaten bestehen. Der Aktien-ETF könnte die Indizes FTSE All-World oder MSCI ACWI IMI abbilden.
ETFs auf diese Indizes streuen sehr breit. Sie bilden zwischen 90 und 99 Prozent der Aktienmärkte in 47 Industrie- und Schwellenländern ab. Derzeit sind zwei ETFs auf den FTSE All-World (thesaurierende Varianten: IE00BK5BQT80, IE000716YHJ7; ausschüttende Varianten: IE00B3RBWM25, IE0000QLH0G6) und ein ETF auf den MSCI ACWI IMI verfügbar (thesaurierende Variante: IE00B3YLTY66, ausschüttende Variante: IE000DD75KQ5).
Auf der Anleihenseite gelten ETFs mit deutschen Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von bis zu 12 Monaten als besonders sicher. Hier sind in Deutschland drei entsprechende ETFs verfügbar (DE000A0Q4RZ9, LU2641054551, DE000ETFL227). Anleger können aber auch auf Tagesgelder und Festgelder bei deutschen Banken zurückgreifen.
Allerdings sollte man maximal 100.000 Euro bei einer Bank parken, um weiter innerhalb der gesetzlichen Einlagensicherung zu bleiben. Manche Experten sehen aber auch die gesetzliche Einlagensicherung kritisch und warnen, dass diese im Falle einer großen Bankenkrise nicht halten würde.
Zwei Finanzprofessoren empfahlen gegenüber DWN, die Höhe der Aktienquote individuell festzulegen und dabei das Lebensalter, die Risikobereitschaft und eine etwaige Rentenlücke zu berücksichtigen. Laut Vermögensberatern sollten Anleger außerdem an der Vermögensaufteilung festhalten und diese nicht an Marktprognosen ausrichten. Allenfalls neue Lebensumstände rechtfertigten eine Abkehr von der ursprünglichen Strategie, etwa eine falsche Einschätzung der eigenen Risikobereitschaft oder eine Familiengründung.