Die Stahlproduktion in Deutschland gehört zu den wichtigsten Industriezweigen – vor allem die Automobilindustrie mit ihren zahlreichen Zulieferern hängt davon ab. Die Stahlwerke blasen dabei ordentlich CO2 in die Atmosphäre. Diese Emissionen sollen durch neue Produktionsverfahren eingedämmt werden. Der so genannte grüne Stahl wird beispielsweise mit Wasserstoff hergestellt. Doch ist die wirtschaftliche Situation aktuell tatsächlich so günstig für eine Umstellung auf dieses neue, teurere Produktionsverfahren?
Deutsche Stahlindustrie in der Krise
Die Lage ist ernst. Seit Jahren lahmt die Nachfrage für deutschen Stahl. Die Energiepreise hierzulande sind weiterhin hoch, die Konjunktur schwächelt, gerade in der Automobilindustrie. Die Konkurrenz aus Asien produziert Stahl - sowie Autos - billiger. Und klimafeindlicher. Darunter leidet die deutsche Wirtschaft. Doch noch halten die Industrieunternehmen in Deutschland an den aktuellen Plänen fest.
„Grüner Stahl made in Germany ist unser Antrieb“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen neulich noch im Rahmen des „Nationalen Stahlgipfels“ in Duisburg. Deutschland und die EU seien global Vorreiter bei der Dekarbonisierung der Stahlindustrie. „In Deutschland werden wir bis 2030 rund ein Drittel der deutschen Rohstahlkapazität umstellen und damit rund zwölf Millionen Tonnen CO2-freien Stahl erzeugen“, fuhr er fort. Die deutsche Stahlproduktion stehe am Anfang vieler wichtiger Wertschöpfungsketten. Damit sei sie wichtiger Impulsgeber für Schlüsselbranchen wie Automobil oder Maschinenbau und ihre Transformation.
Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um Stahl grün zu machen?
Doch aktuell scheinen von der Begrünung der Hochöfen nicht alle restlos überzeugt. Die Pläne von Thyssenkrupp zur Herstellung von sogenanntem grünen Stahl stehen sogar auf dem Prüfstand, berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf nicht genannte Quellen im Unternehmen. Dadurch müsste die Thyssenkrupp-Stahlsparte wahrscheinlich im Vorfeld geflossene staatliche Subventionen von rund einer halben Milliarde Euro zurückzahlen.
Aktuell geht das Unternehmen zwar angeblich davon aus, dass die geplante Direktreduktionsanlage unter den gegebenen Rahmenbedingungen realisiert werden könne. „An der Dekarbonisierung der CO2-intensiven Stahlproduktion führt langfristig kein Weg vorbei“, hieß es von Thyssenkrupp. Doch bestätigte das Unternehmen auch „unerwartete Kostensteigerungen“ mit Blick auf das Vorhaben.
„Auf Basis dieser Informationen wird die Situation derzeit bewertet. Dabei prüfen wir fortlaufend technologie- und ergebnisoffen, was die besten und wirtschaftlich tragfähigsten Lösungen unter den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen sind, um den Stahlbereich von Thyssenkrupp langfristig klimaneutral aufzustellen."
Grüner Stahl? Tausende Arbeitsplätze sind bedroht
Was genau "langfristig" heißt und was "wirtschaftlich tragfähig", bleibt abzuwarten. Direkt und indirekt hängen jedenfalls viele Arbeitsplätze davon ab, wie effizient diese Transformation stattfindet, und wie es mit dem deutschen Stahl weitergeht. Thyssenkrupp Steel ist Deutschlands größter Stahlerzeuger. 27.000 Menschen sind dort früheren Angaben nach beschäftigt, allein 13.000 davon arbeiten in Duisburg. Stahlhersteller, IG Metall und zahlreiche Bundesländer fordern vom Bund mehr Unterstützung bei der Sicherung der heimischen Unternehmen. In einem „Nationalen Aktionsplan Stahl“ bitten sie die Bundesregierung unter anderem um Maßnahmen für wettbewerbsfähige Energiepreise.
Die Stahlindustrie ist derzeit für rund sieben Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes in Deutschland verantwortlich. Abhilfe schaffen sollen etwa neue Stahlerzeugungsverfahren mit klimaneutral hergestelltem Wasserstoff. Der Bau der dafür nötigen Großanlagen wird vom Staat mit mehreren Milliarden Euro gefördert. Doch es bleiben Zweifel, ob die Stahlindustrie die geplante grüne Transformation aktuell stemmen kann.