Trotz der Wirtschaftskrise hat die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Im Jahresdurchschnitt waren rund 46,1 Millionen Menschen mit Arbeitsort hierzulande erwerbstätig, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. "Das waren so viele Erwerbstätige wie noch nie seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990." Allerdings wuchs die Beschäftigung ausschließlich im Dienstleistungssektor, während sie im Baugewerbe und im Produzierenden Gewerbe zurückging. Fachleute rechnen für 2025 mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit.
Zuwanderung und Erwerbsbeteiligung als Treiber
Nach einer ersten Schätzung der Wiesbadener Statistiker stieg die Zahl der Erwerbstätigen im Jahresdurchschnitt 2024 um 72.000 Menschen oder 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Zuwachs sei vor allem auf die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte und eine höhere Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung zurückzuführen. Diese Faktoren kompensierten die negativen Effekte des demografischen Wandels, so die Behörde.
Mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020 stieg die Erwerbstätigenzahl seit 2006 kontinuierlich an. Allerdings verlor das Wachstum ab Mitte 2022 deutlich an Schwung. Den größten Anteil am Anstieg 2024 hatten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Zahl um 146.000 auf 42,3 Millionen kletterte. Im Gegensatz dazu nahm die Zahl der Selbständigen weiter ab.
Dienstleistungssektor als Stütze der Beschäftigung
Die wirtschaftliche Krise zeigt jedoch bereits ihre Auswirkungen. So nahm die Beschäftigung 2024 nur in den Dienstleistungsbereichen zu, die mehr als drei Viertel aller Erwerbstätigen stellen. Dort stieg die Zahl der Beschäftigten um 153.000 auf 34,8 Millionen Menschen. Zuwächse gab es insbesondere in den Bereichen Öffentliche Dienstleister, Erziehung und Gesundheit sowie bei Banken und Versicherungen.
In der Industrie und im Baugewerbe ging die Beschäftigung hingegen zurück. Im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) sank die Zahl der Erwerbstätigen 2024 um 50.000 auf 8,1 Millionen Menschen. Die Krise im Neubausektor führte zu weiteren Jobverlusten: "Im Baugewerbe ging mit einem Rückgang um 28.000 Erwerbstätige (-1,1 %) auf 2,6 Millionen der seit dem Jahr 2009 andauernde und nur im Jahr 2015 unterbrochene Aufwärtstrend zu Ende", erklärten die Statistiker.
Trübe Konjunkturprognosen für 2025
Im kommenden Jahr dürfte der wirtschaftliche Gegenwind stärker werden. Die Bundesbank rechnet für 2025 mit einem Mini-Wachstum von lediglich 0,2 Prozent, nachdem die deutsche Wirtschaft 2024 voraussichtlich das zweite Jahr in Folge leicht geschrumpft ist.
Die Arbeitsagenturen erwarten eine steigende Arbeitslosigkeit. Das Arbeitsmarktbarometer des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fiel im Dezember 2024 zum vierten Mal in Folge und erreichte den niedrigsten Stand seit der Corona-Pandemie. "Die Arbeitsagenturen erwarten, dass die Arbeitslosigkeit auch zu Beginn des neuen Jahres weiter steigen wird", sagt IAB-Forscher Enzo Weber.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, rechnet ebenfalls mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit - sieht aber auch Chancen in der Verlagerung von Beschäftigung. "Es werden manche Unternehmen Beschäftigung abbauen. In der Industrie vor allem, auch in der Baubranche. Aber diese Menschen werden anderswo unterkommen und gut unterkommen können", sagte Fratzscher dem Deutschlandfunk. Für die Volkswirtschaft sei es wichtig, dass die Beschäftigung dahingeht, wo die Beschäftigten benötigt werden
Nur wenige Branchen mit Wachstumserwartungen
Eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter 49 Branchenverbänden zeigt wenig Zuversicht. Demnach rechnen 20 Verbände 2025 mit einem Produktionsrückgang, 13 erwarten stabile Werte, und nur 16 sehen ein Wachstum.
Auch beim Thema Beschäftigung überwiegt der Pessimismus: 25 Verbände gehen von einem Stellenabbau aus, während nur 7 Verbände einen Beschäftigungszuwachs erwarten. Positiv gestimmt sind beispielsweise die Pharmaindustrie, der Luft- und Raumfahrzeugbau sowie Speditionen. In Branchen wie der Eisen- und Stahlindustrie, dem Maschinenbau, der Autoindustrie und im Baugewerbe dürften hingegen weitere Jobs verloren gehen.
Einsparungen im Bundeshaushalt: Fragwürdige Annahmen
Das IW kritisiert zudem die Sparpläne der Bundesregierung im Bundeshaushalt 2025 als unrealistisch. Denn trotz steigender Arbeitslosigkeit und einer Nullrunde beim Regelsatz plant der Bund Einsparungen von mehr als zwei Milliarden Euro beim Bürgergeld. Insgesamt sollen die Ausgaben für den Regelbedarf (25 Milliarden Euro, -3,1 Prozent), die Bundesbeteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung (11 Milliarden Euro, -5Prozent) sowie für Eingliederungsleistungen (3,7 Milliarden Euro, -2,6 Prozent) gekürzt werden. Auch die Verwaltungskosten der Grundsicherung sollen um 15,9 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro sinken. Damit liegen die Gesamtkosten bei 45,3 Milliarden Euro, vier Prozent weniger als 2023.
Das IW zweifelt jedoch an der Umsetzbarkeit der Einsparungen. "Die Zahl der Bürgergeldempfänger wird 2025 voraussichtlich nicht sinken", sagt IW-Expertin Stefanie Seele. Grund sei die schwache Konjunktur, die die Chancen mindert, von Transferleistungen in Arbeit zu wechseln. Bereits seit Mitte 2022 steigt die Arbeitslosigkeit kontinuierlich. Im Juni 2024 gab es vier Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 3,8 Millionen im Juni 2022.
Fazit: Trübe Aussichten trotz Rekord
Trotz der Rekorderwerbstätigenzahl bleibt der Ausblick für 2025 düster. Die wirtschaftliche Schwäche und die Krise in Schlüsselbranchen belasten den Arbeitsmarkt. Zusätzlich erschweren Sparpläne der Bundesregierung die Lage für Arbeitsuchende. Die Zukunft des deutschen Arbeitsmarktes bleibt ungewiss.