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Volkswagen in der Krise – Wie der Autoriese eine ganze Stadt ins Wanken bringt

Von Dieselskandal bis E-Auto-Desaster: Der Niedergang eines deutschen Industriegiganten gefährdet eine ganze Stadt. Eine Einordnung unseres schwedischen Partners Dagens Industri.
10.03.2025 14:35
Aktualisiert: 10.03.2025 14:35
Lesezeit: 2 min
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Die Stadt Wolfsburg wurde einst als Musterbeispiel deutschen Wirtschaftswunders rund um den Volkswagen-Konzern aufgebaut. Doch was passiert, wenn der Motor der Stadt ins Stottern gerät? Die aktuellen Entwicklungen bei VW lassen kaum Raum für Optimismus: Hohe Produktionskosten, sinkende Absätze und eine verfehlte Strategie in der Elektromobilität setzen den Konzern massiv unter Druck.

„Ich habe in meinen 30 Jahren bei Volkswagen schon viele Krisen erlebt, aber diese ist die schlimmste. Jetzt müssen wir den Blick nach innen richten“, sagt Bernd Ihnken, langjähriger Mitarbeiter des Unternehmens.

Volkswagens Schicksal ist Wolfsburgs Schicksal

Die enge Verflechtung zwischen VW und Wolfsburg zeigt sich bereits beim Betreten der Stadt. Vom Bahnhof aus fällt der Blick direkt auf die ikonischen vier Schornsteine des VW-Werks. Tagsüber ein Symbol des Fortschritts, doch in Krisenzeiten ein Mahnmal wirtschaftlicher Unsicherheit.

Das Unternehmen beschäftigt fast 65.000 Menschen in einer Stadt mit nur 125.000 Einwohnern. Jeder hier hat eine Verbindung zum Konzern – sei es als Mitarbeiter, Zulieferer oder Familienangehöriger eines VW-Angestellten. Doch während in den vergangenen Jahrzehnten die Dividenden für Volkswagen sprudelten, stehen nun drastische Einschnitte bevor.

„Wenn Volkswagen hustet, bekommt Wolfsburg eine Lungenentzündung“, heißt es in der Stadt. Und derzeit scheint der Konzern mehr als nur eine Erkältung zu haben. Fehlentscheidungen und verschlafene Trends Volkswagen leidet unter den Folgen strategischer Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre.

Während Konkurrenten aus China und den USA frühzeitig auf Elektromobilität setzten, hielt VW zu lange an bewährten Verbrennungsmotoren fest. Nun werden hohe Investitionen in E-Autos nicht von den Kunden honoriert – die Nachfrage bleibt hinter den Erwartungen zurück, während Tesla und chinesische Hersteller wie BYD mit günstigeren Modellen den Markt erobern.

Zusätzlich belasten hohe Energie- und Produktionskosten in Deutschland sowie ein rückläufiger Absatz in China die Bilanz. Nach den zuletzt starken Jahren erlebt VW einen herben Rückschlag: Umsatzrückgänge, sinkende Gewinne und ein massives Sparprogramm sind die Folge.

Massive Stellenstreichungen – Doch reicht das?

Um den Konzern zu retten, einigten sich VW und die Gewerkschaften kurz vor Weihnachten auf ein drastisches Sanierungspaket. Mehr als 35.000 Stellen in Deutschland sollen bis 2030 abgebaut werden, darunter auch Tausende in

Wolfsburg. Die Produktion des Golf soll nach Mexiko verlagert werden.

„Es ist die größte Krise, die wir je hatten, weil sie struktureller, marktbezogener und technischer Natur ist“, erklärt Flavio Benites, Erster Ombudsmann der IG Metall in Wolfsburg. Gleichzeitig gibt er zu, dass der Arbeitsplatzabbau unvermeidbar sei – allerdings soll er über freiwillige Abfindungen erfolgen.

Doch Experten wie Stefan Bratzel vom Forschungsinstitut Center of Automotive Management bezweifeln, dass diese Maßnahmen ausreichen: „In drei oder vier Jahren wird mehr nötig sein. VW hat in Deutschland zu große Fabrikkapazitäten. Ohne eine drastische Marktanteilssteigerung droht weiterer Abbau.“

Wolfsburg in Sorge: „Jeder bangt um seinen Arbeitsplatz“

Während sich die Konzernführung auf Sanierungsmaßnahmen konzentriert, wächst unter den Mitarbeitern die Unsicherheit. Die Angst vor Entlassungen und weiteren Einsparungen ist allgegenwärtig.

„Im Moment bangt hier praktisch jeder um seinen Arbeitsplatz“, sagt Dominik Weitz, der seit 23 Jahren für VW arbeitet.

Doch nicht nur in Wolfsburg, sondern in ganz Deutschland stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die Krise von Volkswagen könnte sich zu einem Dominoeffekt für die gesamte deutsche Automobilindustrie entwickeln.

Die Zukunft von Volkswagen – Hoffnung oder Niedergang?

VW-Vorstandschef Oliver Blume zeigt sich optimistisch: „Wir sind jetzt wieder in einer Position, in der wir unser Schicksal Sparprogramm ausreicht, um den Konzern langfristig wettbewerbsfähig zu halten, bleibt fraglich.

Der deutsche Automobilsektor steht an einem Scheideweg. Entweder gelingt Volkswagen die Wende – oder der einstige Vorzeigekonzern könnte in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung verlieren. Und mit ihm eine ganze Stadt,

die seit Jahrzehnten mit dem VW-Logo lebt und atmet.

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