Politik

Nato: Die Möglichkeit eines Zusammenbruchs ist real

US-Präsident Donald Trump hat das westliche Verteidigungsbündnis Nato in eine historische Krise gestürzt. Die Bedrohung kommt nicht von außen, sondern aus den eigenen Reihen – und das Schlimmste daran: Es ist mittlerweile allen klar geworden, wie gefährlich die Situation tatsächlich ist.
01.04.2025 05:57
Lesezeit: 3 min
Nato: Die Möglichkeit eines Zusammenbruchs ist real
Die Nato könnte zerbrechen - diesmal von innen heraus. (Foto: dpa) Foto: Antti Aimo-Koivisto

Die atlantische Verteidigungsallianz Nato befindet sich in einem desolaten Zustand, der durch die Politik von US-Präsident Donald Trump massiv verschärft wurde. Das unter seiner Führung abgewandte Amerika hat das transatlantische Verhältnis nachhaltig belastet. Trumps Faszination für autoritäre Führer und seine unorthodoxe Außenpolitik stehen im scharfen Gegensatz zu den liberalen Werten, auf denen die Nato seit Jahrzehnten basiert. Unter Trumps Einfluss wird diese Wertegemeinschaft zunehmend auf die Probe gestellt.

Trump will wie einst Nixon Russland aus den Fängen Chinas lösen

Ein historischer Vergleich drängt sich auf: 1971-1972 öffnete sich US-Präsident Nixon China, um das Land aus den Fängen der Sowjetunion zu befreien. Heute versucht Trump, Russland aus den Fängen Chinas zu lösen – ein gefährliches Spiel, das die Alliierten zunehmend besorgt. Auch damals wurde diese geopolitische Neuorientierung von den europäischen Partnern mit Misstrauen betrachtet. Doch während Nixon ein langfristiges, durchdachtes Konzept verfolgte, agiert Trump impulsiv und ohne erkennbare Strategie.

Trump handelt willkürlich und unvorbereitet. Anders als Nixon ist sein geopolitisches Vorgehen nicht auf einer fundierten Analyse von internationalen Konflikten aufgebaut. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Russland und China in der Lage oder bereit sind, sich zu entzweien. Diese Realitäten erkennen auch europäische Politiker und sind entsprechend besorgt, dass Trump auf seiner Linie beharrt.

Nato steht vor der ernsthaften Gefahr, zu zerbrechen

Die Nato hat bereits einmal eine existenzielle Krise überstanden – zu Beginn der 2000er-Jahre, als Präsident George W. Bush den Irakkrieg vorantrieb, gegen den viele europäische Verbündete vehement widersprachen. Damals konnte das Bündnis seine Einheit wahren, weil die gemeinsamen Werte einer liberalen Weltordnung die unterschiedlichen nationalen Interessen überbrückten. Heute jedoch sind diese Werte kaum noch zu finden. Die Nato steht vor der ernsthaften Gefahr, zu zerbrechen – und diesmal kommt die Bedrohung von innen.

Die Vereinigten Staaten unter Trump haben sich zunehmend aus den gemeinsamen Interessen des Westens zurückgezogen. Während Europa mit dem Wiederaufbau seiner Verteidigungsfähigkeiten und einer stabilen politischen Führung kämpft, hat der alte Kontinent in der Ukraine-Krise und in der Konfrontation mit Russland viel zu wenig getan, um Trump in seine Schranken zu weisen. Die europäische Reaktion auf die russische Annexion der Krim im Jahr 2014 war verhalten – ein Zeichen für das mangelnde strategische Geschick der EU und ihrer Mitglieder in der Zeit vor der Ukraine-Krise.

Westliche Ordnung hängt an Nato-Erhalt

Die Nato von heute ist nicht mehr die dynamische, vereinte Allianz, die sie einst war. Sie könnte zu einem Schatten ihrer selbst werden – ein minimalistisches Bündnis, das auf äußerst dünnen gemeinsamen Interessen basiert. Die Möglichkeit eines katastrophalen Scheiterns der Nato ist daher keineswegs ausgeschlossen.

Soll die Nato überleben, sind starke politische Entscheidungen und transatlantische Diplomatie erforderlich. Europäische Staats- und Regierungschefs müssen jetzt handlungsfähig werden, ihre Verteidigungsstrategien auf die neuen Bedrohungen ausrichten und gleichzeitig geduldig mit der Ukraine verhandeln. Ein Rückzug aus der bisherigen geopolitischen Ausrichtung wäre ein harter, moralischer Rückschritt. Doch es gibt kaum eine andere Möglichkeit, um die Nato und die westliche Ordnung zu retten.

Nato steht an historischem Wendepunkt

In dieser Situation bleibt den Alliierten nur ein Appell an das überlebende Interesse an einer gemeinsamen Sicherheitsstrategie. Doch auch diese ist derzeit in einer tiefen Krise. Noch nie zuvor hat die Nato eine so schwerwiegende Existenzkrise durchlebt. Zwar gab es schon früher Spannungen – etwa beim Streit um die Aufrüstung in Europa in den 1950er-Jahren oder bei der Suez-Krise, als die USA in einem dramatischen Moment Frankreich und Großbritannien in ihre Schranken wiesen. Doch die heutige Krise hat das Potenzial, das Bündnis endgültig zu zerbrechen, wenn keine grundlegenden Lösungen gefunden werden.

Insgesamt wird deutlich: Die Nato steht an einem historischen Wendepunkt. Der geopolitische Druck wächst, und die USA unter Trump verfolgen eine zunehmend unberechenbare Außenpolitik. Europa ist gezwungen, sich entweder gegen die inneren Spannungen zu wehren oder seine politischen und militärischen Strukturen grundlegend neu zu ordnen. Der Ausgang bleibt ungewiss – und das Risiko eines Desasters bleibt hoch.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Feuer und Tränengas: Tausende Bauern protestieren in Brüssel gegen Mercosur
18.12.2025

Feuer, Tränengas und Traktoren: Tausende Landwirte bringen Brüssels Europaviertel zum Chaos. Sie protestieren gegen das geplante...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlandfonds startet: Wie der Staat 130 Milliarden Euro private Investitionen lostreten will
18.12.2025

Deutschland braucht Wachstum, aber der Staat allein kann es nicht finanzieren. Die Bundesregierung setzt deshalb auf einen neuen Hebel: den...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Zinsentscheidung: Leitzinsen der Eurozone bleiben erneut unverändert
18.12.2025

Die EZB-Zinsentscheidung ist gefallen: Wie erwartet lassen die Währungshüter der Europäischen Zentralbank den Leitzins für die Eurozone...

DWN
Immobilien
Immobilien Unser neues Magazin ist da: Urbane Zukunft – von Smart-Cities bis hin zu futuristischen Utopien
18.12.2025

Städte entscheiden, wie Freiheit, Wohlstand und Klimaschutz in der nahen Zukunft zusammengehen. Zwischen Sensoren, Sanierungswellen und...

DWN
Technologie
Technologie SMR in Schweden: Blykalla sichert fast 48 Mio Euro für KI-Energie
18.12.2025

Blykalla sammelt fast 48 Millionen Euro für kleine modulare Reaktoren (SMR) ein. Investoren aus Schweden, den USA und Japan setzen auf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steuersenkung in Restaurants: Warum Gäste kaum profitieren
18.12.2025

Die Politik senkt die Mehrwertsteuer in der Gastronomie - wird der Restaurantbesuch damit endlich wieder erschwinglicher? Wohl kaum....

DWN
Politik
Politik Trumps Rede an die Nation: Eigenlob und Schweigen im Walde
18.12.2025

Zwischen Weihnachtsbäumen und Selbstlob inszeniert Donald Trump seine Rede an die Nation als Erfolgsgeschichte. Er verspricht...

DWN
Politik
Politik EU-Gipfel in Brüssel: Streit um russisches Vermögen und Mercosur-Freihandelsabkommen
18.12.2025

In Brüssel beginnt ein EU-Gipfel, der über Milliarden und Handel entscheidet. Es geht um festgesetztes russisches Vermögen, die...