Wirtschaft

Dow schließt Chemieanlagen: Was das für Deutschland bedeutet

Der US-Konzern Dow zieht sich teilweise aus Mitteldeutschland zurück – und das hat Folgen. Standorte in Sachsen und Sachsen-Anhalt stehen vor dem Aus. Energiepreise, Strukturprobleme und mangelnde Nachfrage belasten die Chemiebranche. Die Krise reicht tief.
07.07.2025 16:57
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Dow schließt Chemieanlagen: Was das für Deutschland bedeutet
Standortschließung bei Dow: Wie tief ist die Krise in der Chemiebranche wirklich? (Foto: dpa) Foto: Hendrik Schmidt

Dow streicht Chemieproduktion in Sachsen und Sachsen-Anhalt

Der US-amerikanische Chemiekonzern Dow plant, bis Ende 2027 einen Teil seiner Produktionsanlagen in Böhlen (Sachsen) sowie im sachsen-anhaltischen Schkopau stillzulegen. Als Gründe nannte Dow strukturelle Schwierigkeiten auf dem europäischen Markt – darunter hohe Energie- und Betriebsausgaben, steigende CO2-Abgaben sowie eine schwache Nachfrage in Kernbranchen. Wie das Unternehmen mitteilte, seien die betroffenen Mitarbeiter bereits informiert worden.

"Unsere Branche sieht sich in Europa nach wie vor mit schwierigen Marktdynamiken und einem anhaltend herausfordernden Kosten- und Nachfrageumfeld konfrontiert", erklärte Unternehmenschef Jim Fitterling.

Laut Angaben des Unternehmens sind rund 550 regulär Beschäftigte in Böhlen und Schkopau betroffen – sowohl direkt in der Produktion als auch in unterstützenden Funktionen. Der Chemiekonzern betreibt deutschlandweit 13 Standorte mit insgesamt rund 3.400 Beschäftigten.

Einzelne Werke bleiben bestehen

Im Detail sind die Chloralkali- und Vinylanlagen im schkopauer Saalekreis sowie der sogenannte Steamcracker im Werk Böhlen betroffen. Letzterer stellt aus Rohbenzin chemische Grundstoffe her und zählt zu den energie- sowie kostenintensivsten Anlagen der gesamten Produktionskette. Nach Angaben von Dow Chemical dienen die Maßnahmen der Kapazitätsanpassung, Risikoreduzierung im Handel und einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.

Bereits im April hatte Dow angekündigt, diverse Anlagen in Europa zu überprüfen. Neben Deutschland steht auch eine Produktionsstätte im britischen Barry auf dem Prüfstand. Insgesamt will der Konzern rund 800 Stellen in Europa streichen. Die Maßnahmen sollen ab 2026 das operative Ergebnis verbessern. Bis Ende 2027 will Dow rund 50 Prozent des Einsparziels von 200 Millionen US-Dollar realisieren.

Branchenvertreter schlagen Alarm

Die Nordostchemie-Verbände (VCI) zeigten sich angesichts der Pläne besorgt. "Die Schließungen der Dow-Anlagen haben katastrophale Auswirkungen. Stoppt das Cracker-Herz, geraten alle anderen angeschlossenen Unternehmen in Gefahr", sagte Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin des VCI Nordost. Zahlreiche Firmen seien auf die Werke in Böhlen und Schkopau angewiesen. Die ostdeutsche Chemieindustrie arbeite eng vernetzt.

"Das Wegbrechen von Anlagen hat massive Auswirkungen auf nachgelagerte Prozesse und angeschlossene Unternehmen." Die geplante Stilllegung gefährde komplette Produktionsketten, so Schmidt-Kesseler. Sie betonte, dass an jedem Arbeitsplatz in der Chemiebranche drei weitere Stellen in anderen Bereichen hängen.

Politik warnt vor Arbeitsplatzverlusten

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) äußerte sich zur Situation: "Die Entwicklung bei Dow hat sich bereits seit längerer Zeit angedeutet." Rund ein Drittel der insgesamt 550 betroffenen Dow-Mitarbeiter sei in Schkopau beschäftigt. Bereits frühzeitig habe das Land mit dem Unternehmen eine Arbeitsgruppe gegründet, um "größere Teile der Chemiestandorte zu sichern und damit Arbeitsplätze in der Region zu erhalten".

Die Industrie insgesamt sei erheblich belastet. "Hohe Energiepreise und der zunehmende internationale Wettbewerbsdruck setzen die Branche massiv unter Druck", so Schulze. Er betonte, dass man an gezielten Unterstützungsmaßnahmen arbeite. Unter anderem habe Sachsen-Anhalt eine Initiative im Bundesrat angestoßen, um energieintensive Branchen zu entlasten. Diese wurde im März verabschiedet. "Uns ist klar: Viele Arbeitsplätze hängen an der Chemie. Wir arbeiten mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten daran, dass diese erhalten bleiben."

Dow startet Gespräche mit Betriebsräten

Die betroffenen Produktionsanlagen sollen zunächst bis Ende 2027 weiterlaufen. Rückbau und Stilllegung könnten sich bis ins Jahr 2029 erstrecken. "Wir werden umgehend einen formalen Konsultationsprozess mit den Betriebsräten einleiten, um die damit verbundenen organisatorischen Änderungen und den Zeitplan zu besprechen", teilte Dow mit. Man strebe sozialverträgliche Lösungen an.

Weitere Produktionsstätten von Dow Chemical in Deutschland – unter anderem in Schkopau, Leuna und Böhlen – bleiben erhalten. Diese produzieren Materialien für den Bausektor und Kunststoffe. Sie sind nach Angaben des Unternehmens nicht von der aktuellen Entscheidung betroffen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Bahn-Sanierung: Bahn wird Versprechen bei großen Baustellen nicht einhalten
11.09.2025

Monatelange Sperrungen, versprochene Baufreiheit – und nun neue Baustellenpläne: Die Deutsche Bahn gerät mit ihrem Sanierungskonzept...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft IAA in München: Politiker feiern, Autobauer bluten – und Brüssel bremst
11.09.2025

Die größte Automobilausstellung beziehungsweise Mobilitätsmesse der Welt, die IAA Mobility, findet diese Woche erneut in München statt....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mehr Unternehmen gehen pleite
11.09.2025

Die Zahl der Firmenpleiten steigt zweistellig, doch große Insolvenzen bleiben bisher die Ausnahme. Experten sehen eine Atempause, warnen...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Zinsentscheid heute: Europäische Zentralbank lässt Leitzins unverändert – was bedeutet das für Sparer, Kreditnehmer und Anleger?
11.09.2025

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins für die Eurozone festgelegt – und ihn wie erwartet auf dem aktuellen Niveau von 2,0...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datenschutz im Job: Wo endet die Kontrolle des Chefs, wo beginnt die Privatsphäre?
11.09.2025

Arbeitnehmer verbringen ein Drittel ihres Lebens im Job – und dennoch ist die Privatsphäre am Arbeitsplatz oft bedroht. Dürfen Chefs...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Oracle-Aktie explodiert: Ellison wird reichster Mensch der Welt
11.09.2025

Die Oracle-Aktie schießt durch die Decke – und Larry Ellison stößt Elon Musk vom Thron. Milliarden-Deals mit OpenAI und eine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VW-Aktie: Volkswagen-Chef lehnt Lyten-Batterien ab – "Nicht interessiert"
11.09.2025

Die VW-Aktie steht unter Druck – und Konzernchef Thomas Schäfer zieht einen klaren Schlussstrich: Batterien vom US-Unternehmen Lyten...

DWN
Politik
Politik Charlie Kirk: Einflussreicher Trump-Verbündeter erschossen
11.09.2025

Der Mord an Charlie Kirk erschüttert die USA. Trump spricht von einem „Märtyrer“, Gegner warnen vor Eskalation. Die politischen...