Green Deal: Die EU als Regulierungsweltmeister und Moralpostel
Neben höheren Abgabenlasten durch den Anstieg der Grundsteuer, den höheren Spitzensteuersatz, die Anpassung der Mehrwertsteuer im Gastgewerbe, der Sondersteuer auf CO₂, griff auch die EU dem deutschen Bürger und der Wirtschaft ordentlich in die Taschen - vieles im Namen des Klimaschutzes, so wie die Anhebung des EU-Anteils am CO2-Verbrauch - und das mit jeder Menge Vorschriften, wie zusätzlichen Regulierungspflichten in den Bereichen der Chemikalien- und Nachhaltigkeitsdokumentation.
Die heimische Wirtschaft lechzt unter der überbordenden Bürokratie, die Deutschland jährlich bis zu 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung kostet. Und es wird noch teurer, denn ab kommenden Jahr soll die EUDR-Verordnung wirksam werden. Ab dann müssen Importeure, Produzenten und Händler sorgfältig dokumentieren, dass ihre Waren nicht im Zusammenhang mit gerodeten Wäldern stehen.
EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) für Unternehmen kommt
Auf dem Weg zu mehr Klima- und Umweltschutz bringt die EU ab kommendem Jahr eine weitere neue Regel ins Spiel: die Entwaldungsverordnung. Für Unternehmen bringt sie neue Pflichten und Bürokratie. Die Verantwortung für Kontrolle, Nachweis und Dokumentation dieses äußerst kostspieligen Prüfverfahrens wird dann natürlich die heimische Wirtschaft übernehmen, und zwar auf allen Ebenen des Handels. In den Schlagzeilen wird bereits vor steigenden Lebensmittelpreisen im Supermarkt gewarnt. Die Verordnung ist ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Nachhaltigkeitsstrategie und des Green Deals. Doch was bedeutet die neue Entwaldungsverordnung für die EU-Staaten?
Was ist die EU-Entwaldungsverordnung?
Wörtlich heißt sie „Verordnung über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, auf dem Unionsmarkt und ihre Ausfuhr aus der Union“. Sie schreibt vor, dass Unternehmen eine Reihe von Produkten nur noch in die EU importieren oder hier auf dem Markt anbieten dürfen, wenn sie garantieren können, dass dafür nirgendwo auf der Welt Wälder abgeholzt wurden. Zu den Produkten, die unter die neue Verordnung fallen, gehören alle, die ganz oder teilweise aus den Rohstoffen Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Kautschuk, Soja, Holz und Rindfleisch hergestellt werden. Das klingt nach einem Randaspekt, umfasst aber bei näherem Hinsehen eine sehr breite Palette an Produkten: von Rindfleisch und Kaffeepulver bis zu Nutella, Gummi-Handschuhen, Sojamilch und Lederschuhen.
Die Verordnung kommt nicht überraschend. Sie wurde bereits am 31. Mai 2023 vom Europäischen Parlament und allen EU-Mitgliedsstaaten, also auch von Deutschland, beschlossen. Sie trat am 29. Juni 2023 in Kraft und sollte eigentlich schon ab dem 30. Dezember 2024 umgesetzt werden. Weil viele Unternehmen aber klagten, dass sie mehr Zeit zur Umsetzung bräuchten, wurde sie auf den 30. Dezember 2025 verschoben. Kleine und mittlere Unternehmen müssen sie erst ab dem 30. Juni 2026 umsetzen. Die EU plant aber aus technischen Gründen die Inkrafttretung nochmal zu verschieben.
EU-Entwaldungsverordnung: Welche Auflagen drohen
Auf den ersten Blick betrifft die Verordnung nur Unternehmen, die oben genannte Produkte in die EU einführen oder hier verkaufen. Sie müssen ihre Lieferketten überprüfen und sicherstellen, dass an keiner Stelle für ihre Produkte, Zwischenprodukte oder Rohstoffe Wälder abgeholzt werden.
Dazu muss ein Unternehmen mit genauen GPS-Koordinaten angeben, wo die Rohstoffe für seine Produkte gewonnen werden, wann und in welcher Menge dies geschieht. Wurden Produktionsflächen nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet, dürfen sie nicht mehr genutzt werden. Außerdem müssen die Unternehmen eine Risikoanalyse durchführen, bei der etwa die Einhaltung von Menschenrechten, Korruption und ähnliches in den Produktionsstandorten geprüft wird. Ist das Risiko für Verstöße hoch, dürfen Zollbehörden einzelne Produktionsstandorte im Zweifelsfall sperren.
Die betroffene Unternehmen müssen dazu eine Sorgfaltserklärung abgeben, bevor sie ein Produkt in der EU anbieten. Dort erklären sie, die Produktionsbedingungen bestmöglich geprüft zu haben. Alle Nachweise dazu müssen fünf Jahre aufbewahrt werden. Wer keine Erklärung abgibt oder bei dieser schummelt, wird mit empfindlichen Bußgeldern von bis zu vier Prozent des in der EU erzielten Umsatzes, Beschlagnahmung und Vernichtung der entsprechenden Ware bis hin zu einem Vermarktungsverbot in der EU bestraft.
EU-Bürokratiemonster: Preissteigerungen unvermeidbar
Für die Unternehmen erhöhen sich somit die bürokratischen Auflagen und Pflichten durch Zertifikate und Nachweise zu den Produktionsflächen. Die Zusatzkosten könnten auf die Preise umgelegt werden, die dann wiederum auch den Verbraucher treffen. Außerdem könnten Lieferungen von Bio- oder Fairtrade-Produkten kurzfristig ausfallen, weil die Lieferanten in den Produktionsländern erst die Nachweise liefern müssten.
Der Handel zeigt sich wenig begeistert von der Verordnung. Wie der Tagesspiegel berichtet, äußerten sich Vertreter der Supermarktketten Edeka und Rewe besorgt zu den Kosten der Dokumentationspflichten. Unternehmen, wie die beiden Ketten, müssten ab Stichtag für alle Produkte, welche die Rohstoffe Kaffee, Kakao, Palmöl, Soja, Rindfleisch, Holz oder Kautschuk enthalten, die konkreten Anbauflächen nachweisen.
Schaut man sich die Inhaltsstoffe von Alltagsprodukten genauer an, sind Millionen von Produktsparten betroffen. All diese Nachweise müssen erfasst und verwaltet werden. Ein massiver Aufwand, dessen Kostenpunkt sich noch gar nicht abschätzen lässt. Kosten, die ein Unternehmen letzten Endes auch einholen muss.
Kritik der Unternehmen an der EU-Entwaldungsverordnung
Der Tenor der betroffenen Unternehmen zu der neuen Verordnung lässt sich wie folgt beschreiben: Klar, so eine Entwaldungsverordnung ist gut und wichtig – aber bitte nicht so, dass wir damit mehr Arbeit haben. Spitzenverbände der Wirtschaft kritisieren auch, dass jeder Anbieter von Waren aus den genannten Kategorien eine Sorgfaltserklärung abgeben muss – und nicht nur der erste Importeur solcher Waren in die EU. So würden Produktionsflächen im Ausland teils doppelt und dreifach überprüft. Hier ließe sich bürokratischer Aufwand einsparen. Und Papierhersteller sowie Druckereien gefällt nicht, dass sie teilweise Sorgfaltserklärungen für die Herkunft von Holz abgeben müssen, für die es bereits eigene Verordnungen und Sorgfaltserklärungen gibt.
Bisher nimmt die EU-Kommission keine Rücksicht auf die Bedenken der Unternehmen. Im Gegenteil: „Dass die Verordnung um ein Jahr verschoben wurde, war schon eine Belohnung für all die Unternehmen, die sich nicht angestrengt haben, sie zu erfüllen“, rügt etwa Virginijus Sinkevičius, EU-Parlamentarier aus Litauen und von 2019 bis 2024 EU-Umweltkommissar, gegenüber dem britischen Guardian.
Politik fordert für Deutschland: „Null-Risiko-Kategorie“
Wenn man auf Deutschland blickt, wird das Ausmaß der Absurdität dieser Verordnung besonders deutlich: Deutschland weist seit Jahren einen stabilen Waldzuwachs auf und dennoch soll das Land zukünftig in die Dokumentationspflicht als Ursprungsland der Rohstoffe aufgenommen werden. Deshalb hat selbst Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in die Debatte eingeschaltet. Er schrieb vor einigen Wochen einen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU). Darin fordert er die Einführung einer „Null-Risiko-Kategorie“. In diese sollen Produktionsflächen in bestimmten Ländern wie etwa Deutschland fallen. Die Argumentation dahinter ist, dass hierzulande eine Entwaldung kein Problem sei. Müssten also für Produkte aus Deutschland keine Erklärungen abgegeben werden, würde das heimische Bauern, die Rinder halten oder deutsche Rindfleischprodukte anbieten, stark entlasten.
Wird sich die EU-Entwaldungsverordnung noch mal ändern?
Die EU-Kommission hat das Recht, eigenmächtig technische Details an der Verordnung zu ändern. Sie könnte also etwa Deutschland als „Null-Risiko-Land“ deklarieren. Größere Änderungen müssten jedoch das normale Gesetzgebungsverfahren der EU durchlaufen und am Ende wieder vom Parlament und dem EU-Rat mit den Umweltministern aller 27 Mitgliedsländer beschlossen werden. Das dürfte Jahre dauern und wird auf keinen Fall vor der Anwendung der Verordnung am 30. Dezember 2025 passieren.
Bekanntes Prinzip: Lieferkettengesetz
Das Verfahren ähnelt dem umstrittenen Lieferkettengesetz: Brüssel oder Berlin, möglicherweise auch beide unabhängig voneinander, definieren einen Katalog sozialer Wunschvorstellungen, grundsätzlicher Arbeitsbedingungen oder Umweltstandards und verpflichten im Anschluss die private Wirtschaft dazu, diesen Katalog entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu exekutieren.
So verpflichtet das Lieferkettengesetz Unternehmen negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt auch in Drittländern zu ermitteln. Doch die EU-Staaten drängen auf eine Lockerung der Vorgaben. Zuletzt hatte Katar gedroht der EU das LNG-Gas zu kappen, wenn sich EU-Lieferkettengesetz in Bezug auf die Klimaschutzvorgaben nicht ändert.
Während das Lieferkettengesetz derzeit nur für Großunternehmen mit einer Belegschaft von wenigstens 3.000 Mitarbeitern Geltung besitzt (in Kürze dann ab 1.000), wird die EUDR nach ihrem Start im Januar ab Jahresmitte für alle Betriebe und Händler gelten, die ihren Sitz in der EU haben oder am EU-Binnenmarkt mit einem Angebot der genannten Produktgruppen partizipieren wollen.
Dann müssen sämtliche Betriebe umfangreiche Nachweise über die Nachhaltigkeit und Legalität ihrer Lieferketten vorlegen. Damit entstehen erhebliche zusätzliche Anforderungen an Transparenz, Rückverfolgbarkeit und das betriebsinterne Reporting.
Green Deal: Geht es hier wirklich um Umweltschutz?
Eine neue Art von Nachhaltigkeits-Ökonomie ist der EU entstanden, mit neuen Profiteuren, sei es im Bereich der europäischen Landwirtschaft oder der zunehmend staatlich dirigierten Energiewirtschaft, die auf dem Regulierungskatalog Brüssels aufsetzt. Diese "nachhaltigen" Unternehmen nutzen die massive Regulierungstätigkeit und Subventionen, um sowohl die Konkurrenz am Heimatmarkt als auch außereuropäische Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Leidtragende sind dabei nicht nur die verdrängten Betriebe und deren Belegschaften, sondern immer auch die Verbraucher, die letzten Endes die Zeche für fehlenden Wettbewerb in Form höherer Preise zahlen. Ginge es der EU tatsächlich ausschließlich um Umweltschutz, müsste sie ihre Bemühungen auf diejenigen Regionen beschränken, die tatsächlich von Entwaldung betroffen sind. Das sind im Wesentlichen Krisenregionen wie der Kongo oder von der Regierung in Brasilien nicht ernsthaft bekämpfte Brandrodungen des Amazonas-Regenwaldes.
Fazit: Es wird teuer, das ist sicher!
Mit der EUDR beweist die EU-Kommission vor allen Dingen eines: Sie versucht, das umfangreiche Regelwerk des Green Deal in den nationalen Gesetzgebungen ihrer Mitgliedstaaten zu verankern - als nächsten gigantischen Brüssler Baustein, der dem eigenen Machterhalt dank Bürokratie dient. Oder ist es noch möglich, die beschlossene Verordnung anzupassen? Für alle Zeiten in Stein gemeißelt ist die EUDR noch nicht – aber jede Änderung erfordert politischen Willen und einen formellen Prozess. Dieser kann sich im Zweifelsfall über Jahre ziehen. Änderungen sind also grundsätzlich möglich, jedoch nicht von heute auf morgen. Fakt ist: Es wird teuer, das ist sicher!

