Wirtschaft

EU-Halbleitermarkt im Blick: Chinesische Investoren nach Nexperia-Fall im Fokus

Die Kontrolle über strategisch wichtige Unternehmen in Europa gewinnt angesichts der Spannungen zwischen China und den USA an Bedeutung. Der Halbleitersektor, zentral für Automobil- und Elektronikindustrien, steht besonders im Fokus nationaler Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Europäische Regierungen prüfen ausländische Investoren zunehmend genau und greifen bei Bedarf regulierend ein, um Versorgungssicherheit und technologische Souveränität zu sichern.
19.10.2025 08:44
Lesezeit: 3 min
EU-Halbleitermarkt im Blick: Chinesische Investoren nach Nexperia-Fall im Fokus
Chinesische Investitionen in Europas Halbleitermarkt stehen nach Nexperia unter genauer Beobachtung (Foto: dpa) Foto: Arne Immanuel Bänsch

EU im Spannungsfeld des Halbleitermarkts zwischen China und den USA

Die Übernahme der Kontrolle über den Halbleiterhersteller Nexperia durch die niederländische Regierung zeigt, wie stark die EU mittlerweile in den globalen Wettbewerb um Halbleiter zwischen China und den USA eingebunden ist. Experten bewerten dies zugleich als möglichen Auftakt für eine härtere Linie gegenüber chinesischen Eigentümern in Europa. In den letzten Jahren wurde die Kontrolle über ausländische Direktinvestitionen in Europa verschärft, um zu verhindern, dass kritisches Wissen in die falschen Hände gerät. Die Entscheidung der Niederlande, dabei auf Gesetze aus der Zeit des Kalten Krieges zurückzugreifen, um das chinesisch kontrollierte Unternehmen zu enteignen, sorgt international für Aufmerksamkeit. Analysten gehen davon aus, dass ähnliche Maßnahmen auch in anderen europäischen Ländern umgesetzt werden könnten, um strategische Unternehmen in kritischen Sektoren zu sichern.

Strategische Bedeutung chinesischer Investitionen

Viele Unternehmen, die in den letzten Jahren von chinesischen Investoren übernommen wurden, galten ursprünglich nicht als strategisch relevant, haben aber durch die Übernahmen an Bedeutung gewonnen. „Wir haben gesehen, dass die USA versuchen, solche Unternehmen auf kraftvolle Weise zurückzugewinnen, während die EU bislang nicht so entschlossen vorgeht“, erklärt Antonia Hmaidi, Senior Analystin am Mercator Institute for China Studies in Berlin. Tobias Junerfält, Forscher am schwedischen Forschungsinstitut FOI, hebt in einer Studie hervor, dass chinesische Übernahmen europäischer Halbleiterunternehmen ein erhebliches Risiko darstellen.

In seiner Untersuchung werden 15 Unternehmen in Finnland, Frankreich, den Niederlanden, Italien und Schweden aufgeführt, die in den letzten zehn Jahren von chinesischen Investoren übernommen wurden. Die aktuellen Maßnahmen gegen Nexperia werfen Fragen auf, wie andere europäische Halbleiterfirmen künftig behandelt werden. Junerfält warnt, dass Regierungen in anderen Ländern ähnliche Schritte unter Berufung auf nationale Sicherheitsgesetze ergreifen könnten, wie bereits 2022 in Großbritannien geschehen, als Nexperia gezwungen wurde, die Fabrik Newport Wafer Fab zu verkaufen.

Besondere Aspekte im Fall Nexperia

Der Fall Nexperia ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Die niederländische Regierung begründet ihr Vorgehen damit, die Versorgungssicherheit mit Halbleitern für Europas Automobil- und Elektronikindustrie zu gewährleisten. Nexperia ist das einzige Unternehmen in Europa, das noch einfache Halbleitermodelle produziert, während andere europäische Hersteller ausschließlich auf fortgeschrittene Chips setzen. Diese einfachen Halbleiter sind jedoch nach wie vor unverzichtbar, und China dominiert bei der Produktion der meisten dieser Produkte. Zusätzlich gilt Nexperias chinesischer Eigentümer Wingtech in den USA als Sicherheitsrisiko und ist vom Erwerb amerikanischer Waren ausgeschlossen. Die US-Regierung verschärfte kurz vor der niederländischen Entscheidung ihre Vorschriften, sodass auch Tochtergesellschaften betroffen sind, die mindestens zu 50 Prozent im Besitz eines gelisteten Unternehmens stehen. Dies führte dazu, dass Nexperia den neuen Restriktionen unterliegt und die Sorge bestand, das Unternehmen könnte seine Produktion nach China verlagern.

Chronologie der Ereignisse bei Nexperia

Die Vorgänge bei Nexperia begannen am 30. September, als die niederländische Regierung auf das Gesetz zur Verfügbarkeit von Waren verwies und eine Anordnung erließ, dass Nexperia ein Jahr lang keine Anpassungen an Vermögenswerten, geistigem Eigentum, Geschäftstätigkeiten oder Mitarbeitern vornehmen darf. Am 1. Oktober reichten drei niederländische und deutsche Führungskräfte einen Antrag bei einem Gericht in Amsterdam ein, um gegen das Unternehmen vorzugehen, woraufhin die Befugnisse des CEO Zhang Xuezheng sofort aufgehoben wurden. Am 7. Oktober ordnete das Gericht die Ernennung eines unabhängigen, nicht chinesischen Geschäftsführers an, der entscheidende Stimmrechte erhalten soll. Am 13. Oktober teilte Wingtech den Aktionären mit, dass die Tochtergesellschaft Yucheng Holdings vorübergehend die Kontrolle und Stimmrechte über ihre 99 Nexperia-Aktien verloren habe, während die wirtschaftlichen Rechte bestehen blieben. Das Unternehmen prüft nun rechtliche Möglichkeiten, um die Entscheidung anzufechten.

Der Fall Nexperia verdeutlicht, wie sehr strategische Industrien in Europa mittlerweile von geopolitischen Spannungen betroffen sind und dass nationale Regierungen zunehmend bereit sind, einschneidende Maßnahmen zu ergreifen, um Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Für Deutschland, als führenden Standort der Automobil- und Elektronikindustrie, zeigt dies deutlich, wie wichtig es ist, die eigene Halbleiterproduktion zu stärken und die Abhängigkeit von ausländischen Investoren, insbesondere aus China, kritisch zu prüfen. Nur durch eine strategische Sicherung der Produktion kann langfristig die Versorgungssicherheit gewährleistet und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland erhalten werden.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jobabbau bei BASF und Co.: Deutsche Chemie-Industrie historisch schlecht ausgelastet
10.12.2025

Teure Energie, Wirtschaftskrise und Preisdruck: Die deutsche Chemiebranche steckt in der schwierigsten Krise seit 25 Jahren. Auch 2026...

DWN
Politik
Politik Schutz vor Einschüchterung: Bundesregierung beschließt besseren Schutz vor Schikane-Klagen
10.12.2025

Die Bundesregierung schützt Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten künftig besser vor sogenannten Schikane-Klagen. Mit dem Vorhaben...

DWN
Finanzen
Finanzen Kapitalmarkt 2026: Mehr Börsengänge in Deutschland und Europa erwartet
10.12.2025

Mit Ottobock, TKMS und Aumovio zählen drei deutsche Börsendebüts zu den gewichtigsten in Europa im laufenden Jahr. Doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Weihnachtsfeier steuerlich absetzen: So gelingt es – Tipps vom Steuerberater
10.12.2025

Viele Unternehmen möchten ihre Weihnachtsfeier steuerlich absetzen und gleichzeitig die Kosten im Blick behalten. Eine gut geplante Feier...

DWN
Politik
Politik „Reichsbürger“-Verfahren: Prinz Reuß wird zu Vorwürfen sprechen
10.12.2025

Der mutmaßliche „Reichsbürger“ Heinrich XIII. Prinz Reuß wird zu den Vorwürfen eines geplanten „Staatsstreichs“ Stellung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Warum die Rekordausgaben der Tech-Giganten zum Risiko werden
10.12.2025

Die Tech-Konzerne pumpen Milliarden in künstliche Intelligenz und treiben ihre Investitionslast auf historische Höhen. Doch aus dem...

DWN
Politik
Politik Kampf gegen den Klimawandel: EU-Einigung auf Klimaschutzziel für 2040
10.12.2025

Die neuen Klimaziele der EU stehen fest: Der Treibhausgasausstoß soll bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Bei der...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsmarkt: Angebot an Mietwohnungen steigt in Ostdeutschland
10.12.2025

Angebot runter, Preise rauf. Doch jetzt dreht sich der Trend – zumindest in Ostdeutschland. Allerdings nicht im Berliner Umland, dafür...