Politik

EU will Technokraten-Kabinett: Kommt Papademos nach Griechen-Wahl wieder?

Lesezeit: 2 min
16.06.2012 01:01
Die EU bereitet sich auf den Ausgang der Griechenland-Wahl vor. Weil zu erwarten ist, dass es nach der Wahl wieder keine klaren Mehrheiten geben wird, haben hinter den Kulissen in Brüssel erste Planspiele begonnen, wie Griechenland denn am besten zu regieren wäre: In diesem Zusammenhang wird auch die Rückkehr von Premierminister Lucas Papademos diskutiert.
EU will Technokraten-Kabinett: Kommt Papademos nach Griechen-Wahl wieder?

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Im Mutterland der Demokratie dürfte es bei der Wahl am Sonntag keine klaren Mehrheiten geben. Zwar sagen die letzten, inoffiziellen Umfragen einen Sieg der Nea Demokrtia voraus. Aber der Vorsprung dürfte nicht reichen, um eine solide Mehrheit im Parlament zustandezubringen. Auch ein Syriza-Sieg würde nicht dazu führen, dass das Land regierbar ist.

In Brüssel haben daher die ersten Planspiele begonnen, welche Regierungsform denn am besten geeigent wäre, die Troika-Sparvorgaben umzusetzen. Eine Militärregierung scheidet aus, weil die Miliärs nicht wollen (hier). Antonis Samaras hat in Brüssel keine Freunde. Die EU wirft ihm heute noch vor, dass er mit seinem Bestehen auf Neuwahlen das ganze Desaster erst herbeigeführt habe. Außerdem hält man ihn für nicht fähig, das Land mit harter Hand im Sinne Brüssels zu führen.

Daher wird im regen Austausch von EU- und Finanzkreisen nun wieder die Möglichkeit einer Technokraten-Regierung in Erwägung gezogen. Die FT bestätigt, dass es solche Überlegungen auch in Athen geben soll. Die Technokraten hätten den Vorteil, dass sie den Parteien nicht verpflichtet wären, und daher die Vereinbarungen mit der Troika (Memorandum) am effizientesten umsetzen könnten. Bei allen Beteiligten besteht Übereinstimmung, dass die EU ein entscheidendes Wort mitzureden haben wird, wer künftig in Griechenland regiert. Sie ist der größte Gläubiger des Landes und pocht darauf, dass die Griechen ihrem Schuldendienst nachkommen.

Immer häufiger wird in diesem Zusammenhang der Name von Lucas Papademos genannt. Der ehemalige Zentralbanker hat mit der EU gut zusammengearbeitet. Er kennt den Troika-Plan im Detail und kann im Grunde dort anknüpfen, wo er aufgehört hat. Papademos wäre ja schon vor der Neuwahl bereit gewesen, weiterzumachen, wenn alle Parteien zugestimmt hätten. Samaras sagte damals Nein, und ist daher heute persona non grata in Brüssel.

Papademos plant gerade eine akademische Karriere an einer amerikanischen Elite-Uni. Er könnte diese aber auch noch später antreten. Noch einige Monate in Griechenland würden ihm entsprechend zusätzliches Anschauungsmaterial liefern. Papademos ist mit der Niederländerin Shanna Ingram verheiratet - hat also auch familiär gute Kontakte nach Europa.

Für die griechischen Demokratie wäre eine neuerliche, nicht legitimierte Führung eine Bankrott-Erklärung. Eine solche Entwicklung macht augenfällig, dass überschuldete Staaten in Wahrheit gar nicht mehr zu ihrer Selbstbestimmung zurückkehren können. Die politische Veränderung in Europa, die daraus folgt, hat ebenfalls eine neue Qualität: Eine von der EU eingesetzte Technokraten-Regierung in Athen bedeutet die strukturelle Abkehr vom Prinzip der Selbstbestimmung der Völker. Dieses Prinzip war von im Hinblick auf internationale Krisenherde von niemandem so laut als unverletztlich angepriesen worden als von der EU.

Mit Blick auf die nächsten Schuldenkandidaten würde eine solche Entwicklung bedeuten, dass die Demokratie zum Auslaufmodell für das Projekt des Himmlischen Friedens Friedensprojekt Euro erklärt werden muss.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Yulin Delegation - Erfolgreich veranstaltetes Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen in Berlin

Am 25. April 2024 organisierte eine Delegation aus der chinesischen Stadt Yulin ein erfolgreiches Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg
01.05.2024

Die Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt, dass der Großteil der mittelständischen Unternehmen bereits Maßnahmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Pflegezusatzversicherungen: Wichtige Absicherung mit vielen Varianten
01.05.2024

Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht oft nicht aus, um die Kosten im Pflegefall zu decken. Welche privaten Zusatzversicherungen bieten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 22-Prozent unbezahlte Überstunden: Wenn Spitzenkräfte gratis arbeiten
01.05.2024

Arbeitszeit am Limit: Wer leistet in Deutschland die meisten Überstunden – oft ohne finanziellen Ausgleich? Eine Analyse zeigt,...