Politik

Rumänien gleitet erneut in die politische Instabilität

Rumänien steht von einem Dilemma: Die EU-Fördergelder sind aufgebraucht. Wegen der Euro-Krise fehlen Investitionen. Nun taumelt das Land erneut im die Instabilität. Welche Rolle die USA spielen, ist unklar.
17.11.2014 23:53
Lesezeit: 3 min

Die Preise in Rumänien stiegen im letzten Jahr lediglich um 1,6 Prozent. Mit einer Arbeitslosenquote von 7,3 Prozent lag Rumänien im letzten Jahr gut unter dem EU-Durchschnitt und wies eine bessere Zahl als seine Nachbarländer Ungarn, Bulgarien und Polen. Die Schuldenquote liegt bei 39 Prozent des BIPs und ist damit nur halb so hoch wie in Deutschland.

Doch trotzdem schwächelt die Wirtschaft des Landes. Armut ist nämlich Rumäniens Haupt-Problem. Das BIP pro Kopf betrug 2013 in Rumänien nur 40 Prozent des deutschen BIPs. Damit war es kaum höher als das BIP pro Kopf in Bulgarien, was 38 Prozent des deutschen BIPs ausmacht, und deutlich niedriger als das BIP pro Kopf in Ungarn (53 Prozent des deutschen BIPs) oder Polen (54 Prozent des deutschen BIPs).

Nun ist Armut sicherlich kein neues Problem für Rumänien. Bis 2008 schien es allerdings so, als ob Rumänien wirtschaftlich rasant aufholen könnte. Die Wachstumsraten waren hoch, häufig über 7 Prozent. Dann kam die Finanzkrise und die Eurokrise. 2009 brach die Wirtschaft um 6,6 Prozent ein, 2010 noch einmal um 1,1 Prozent. Auch danach blieb das Wirtschaftswachstum niedrig.

Bis heute wurde die Wirtschaftsleistung von 2008 nicht wieder erreicht.

Die Hoffnungen der Rumänen, die sich vor allem an den EU-Beitritt des Landes 2007 knüpften, erfüllten sich nicht. Stattdessen macht sich nun Enttäuschung breit.

Zwei Gründe lassen sich für die schlechte wirtschaftliche Entwicklung nach 2008 ausmachen:

Obwohl Rumänien vorher nur relativ wenig Staatsschulden angehäuft hatte, verlor das Land mit einem Schlag das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte. Die Wirtschaftskrise brachte nämlich den Staatshaushalt völlig durcheinander und machte eine hohe Neuverschuldung nötig. Zudem schaute man nun auch auf das enorme Leistungsbilanzdefizit Rumäniens, das 2008 11,6 Prozent seines BIPs betrug. Das waren schon fast griechische Dimensionen.

Rumänien war daher gezwungen, Notkredite des IWFs und der EU aufzunehmen. 2009 wurden dem Land 18 Milliarden Euro bewilligt, allerdings nur unter strengen Sparauflagen. Renten wurden eingefroren, Beamtengehälter gekürzt, die Mehrwertsteuer von 19 auf 24 Prozent erhöht. Tatsächlich konnte Rumänien dadurch seine Haushaltsprobleme in den Griff bekommen. Die Sparpolitik führte jedoch nicht nur zu heftigen Protesten, die Anfang 2012 in gewaltsamen Demonstrationen kumulierten, sie strangulierte nicht zuletzt auch die Wirtschaft.

Nicht nur die Kreditgeber hielten sich nach 2008 zurück. Es flossen kaum noch ausländische Direktinvestitionen nach Rumänien. 2008 sorgte noch das neu gebaute Nokia-Werk in Klausenburg (Cluj-Napoca) in Deutschland für Aufregung, denn dorthin wurde die Handyproduktion aus dem Nokia-Werk Bochum verlegt. Symptomatisch, dass das Klausenburger Werk bereits 2011 wieder geschlossen wurde. Während 2008 9,5 Milliarden Euro an Direktinvestitionen nach Rumänien flossen, waren es 2013 nur noch 2,6 Milliarden.

Immerhin konnte sich Rumänien 2013 und 2014 positiv von seinen Nachbarländern absetzen. 2013 erreichte das Wirtschaftswachstum 3,5 Prozent und in den ersten drei Quartalen 2014 produzierten die Rumänen 3,1% mehr an Waren und Dienstleistungen als in den entsprechenden Quartalen des Vorjahres. Ein Teil dieser positiven Entwicklung ist jedoch lediglich auf gutes Wetter zurückzuführen. Die Ernten fielen sehr gut aus. Und in einem Land, in dem immer noch 31 Prozent aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt sind, ist das wichtig.

Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen gibt es auch eine politische Neuausrichtung: Der Vorsitzende der Nationalliberalen Partei (PNL) Rumäniens, Klaus Iohannis, ist nun neuer Präsident Rumäniens. Er konnte im Rahmen der Stichwahl 54,7 Prozent der Wählerstimmen für sich verbuchen und setzte sich gegen seinen Kontrahenten von der Sozialdemokratischen Partei (PSD), Victor Ponta, durch.

Doch im ersten Wahlgang konnten Tausende Auslandsrumänen wegen der schlechten Organisation nicht wählen. Für diese Misere wurde Premier Victor Ponta verantwortlich gemacht. Denn Auslandsrumänen sind im Regelfall Gegner der PSD. In ihren Augen ist die PSD eine post-kommunistische Partei der alten Kader.

So kam es auch nach Schließung der Wahllokale am Sonntag zu Demonstrationen gegen Ponta. Die Demonstranten fordern den Rücktritt Pontas von seinem Amt als Premierminister. In den vergangenen Wochen kam es immer wieder zu Protesten gegen die Regierung, nicht nur im In- sondern auch im Ausland. Auslandsrumänen in den wichtigsten westlichen Hauptstädten gingen gegen Ponta auf die Straße, berichtet Al Jazeera America.

Ponta begann sich in den vergangenen Monaten gen Osten zu orientieren. Als Vorbilder für Rumänien rückten immer mehr Russland und Ungarn in den Vordergrund. Für den rumänischen Premier ist Wladimir Putin offenbar auch ein persönliches Vorbild, berichtet die Deutsche Welle.

US-Diplomatin Viktoria Nuland zeigte sich schon seit längerem unzufrieden mit der Situation in Südost- und Osteuropa. Sie macht in Ländern wie Ungarn und Rumänien ein „Krebsgeschwür demokratischer Regression und Korruption aus“, zitiert sie die Deutsche Welle.

Die USA hatten Ende Oktober Einreiseverbote gegen sechs hochrangige Ungarn verhängt, die entweder in der Orbán-Regierung sitzen oder ihr nahe stehen, berichtet Bloomberg. Die ungarische Regierung wirft der EU und den USA vor, dass sie die linke Opposition mit Geldern finanziere. Das verstoße gegen die ungarische Verfassung. Deshalb hat sie alle Kapitalströme unter Beobachtung gestellt.

Der Direktor des Rumänischen Zentrums für Europäische Politik, Cristian Ghinea, sagt: „Wir sehen eine Minderung der Demokratie-Qualität in der gesamten Region (…) Und ich denke, dass Ungarn und Rumänien die Haupt-Herausforderungen für die Werte der Europäischen Union darstellen.“

Doch der neue Präsident Klaus Iohannis vertritt eine andere politische Linie als Ponta. „Ich bin westlich orientiert (…) Das, was gerade in Ungarn passiert, ist keine Demokratie, die in die richtige Richtung geht“, zitiert die New York Times Iohannis.

Ponta traue er nicht, weil dieser nicht im Stande sei, Rechtsstaatlichkeit walten zu lassen. Der Standard berichtet, dass Iohannis für einen „klar pro-europäischen Kurs“ einstehe. Mit ihm wird es keine rumänisch-ungarische oder rumänisch-russische Annäherung geben. Er setzt auf Brüssel.

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