Politik

Nach dem Terror: Rückkehr zu offenen Grenzen wird schwierig

In einer interessanten Analyse beschäftigt sich Stratfor mit den Folgen des Terrors von Brüssel: Stratfor glaubt nicht, dass die offenen Grenzen innerhalb des Schengenraums in absehbarer Zeit wieder möglich sein werden. Es werde zu einem Anstieg des antimuslimischen Ressentiments kommen. Dies könnte den Deal mit der Türkei gefährden. Die Entwicklung werde nationalistische Parteien stärken und somit die europäische Politik nachhaltig verändern.
23.03.2016 01:21
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Kurz nach den Anschlägen von Brüssel analysiert der private US-Informationsdienst Stratfor die weitreichenden Konsequenzen für Europa:

„Das erste Ergebnis der Brüsseler Angriffe wird eine neue Runde der Debatte über EU-Grenzkontrollen, insbesondere in der Schengen-Zone sein. Das Schengener Abkommen geriet zu Beginn der Migrationskrise im Frühjahr 2015 unter Beschuss. Die Paris-Attacken ließen die Kontroverse eskalieren, vor allem weil sich die Täter zwischen Frankreich und Belgien bewegt hatten, ohne entdeckt zu werden. Folglich verbesserte Frankreich und anderen Ländern ihre Grenzkontrollen. Die Europäische Kommission hatte die Aufhebung aller offenen Grenzen im Schengen-Raum bis Ende 2016 angekündigt. Doch die neuesten Angriffe - und die Möglichkeit, dass mehr folgen werden – macht dieses Vorhaben schwierig.

Mehrere Regierungen in Westeuropa werden wahrscheinlich bald neue nationale Sicherheitsgesetze verabschieden, verbesserte Kontrollen bezüglich der Rückkehrer aus Konfliktzonen durchführen und den Austausch von nachrichtendienstlichen Informationen mit den Nachbarn stärken.

Die Europäer werden nun eher bereit sein, einen Beitrag für die Anti-IS-Koalition zu leisten, was möglicherweise mehr Waffenlieferungen und Training für die irakische Arme und die kurdischen Kämpfer nach sich ziehen wird.

Zudem werden es wahrscheinlich zu einem verstärkten Einsatz von Kampfflugzeugen und die Teilnahme an NATO-Überwachungsmissionen in der Türkei geben.

Ein weiteres Opfer könnte das jüngste, dürftige Abkommen zwischen der Türkei und der EU sein, das den Zustrom der Flüchtlinge begrenzen soll. Das erneute Bewusstsein für die terroristische Bedrohung unter den EU-Staaten wird den Fokus der EU auf die Sicherung der Außengrenzen richten lassen, was das Argument über eine tiefere Kooperation mit der Türkei rechtfertigen könnte. Aber die Angriffe könnten auch anti-muslimische Gefühle in Europa neu entfachen und den öffentlichen Druck auf die EU-Regierungen derart erhöhen, dass ein visumfreies Reisen für türkische Bürger nicht gewährt wird, was wiederum eine wichtige Vorgabe von Ankara für die Zusammenarbeit in Migrationsfragen ist.

Die anti-muslimische Stimmung könnte auch zu einer größeren Unterstützung für nationalistische Parteien auf dem europäischen Kontinent führen. Der Front National erhält ohnehin bei allen Umfragen eine große Zustimmung. In Deutschland ist die AfD mittlerweile die drittstärkste Partei des Landes. Sowohl Frankreich als auch Deutschland werden im kommenden Jahr vor dem Hintergrund der Einwanderungskrise und der Terroranschläge Wahlen durchführen. In beiden Fällen werden die Mainstream-Parteien von ihren nationalistischen Rivalen unter Druck gesetzt werden. Als Ergebnis werden sie einige Elemente der nationalistischen Partei-Plattformen übernehmen. Das gleiche ist in anderen nordeuropäischen Ländern wie den Niederlanden oder Schweden zu erwarten, die auch relativ starke nationalistische Bewegungen haben. Die politischen Parteien und Gruppen, die das Vereinigte Königreich aus der EU lösen wollen, könnten die jüngsten Terroranschläge nutzen, um eine größere Isolation von Kontinentaleuropa zu rechtfertigen.

Schließlich werden die Brüsseler Angriffe den europäischen Volkswirtschaften schaden, wenn auch wahrscheinlich nur für eine kurze Zeit. In den kommenden Tagen werden einige Menschen in Belgien und anderen westeuropäischen Ländern entscheiden, ihre geplanten Reisen nicht anzutreten, oder dicht gedrängte Bereiche wie Cafés und Einkaufszentren aus Angst vor einem neuen Anschlag zu meiden. Es wird vorübergehend zum Konsumrückgang kommen, was wieder den Tourismussektor einstweilig dämpfen wird.

Für die meisten Europäer ist die Bedrohung durch den Terrorismus mittlerweile ein Teil ihres täglichen Lebens. Jenseits der nationalen Politik und Wirtschaft, werden sich die Anschläge langfristig auf das das Gefüge der Europäischen Union auswirken.“

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trotz US-Verboten finden chinesische Tech-Giganten Wege, um im KI-Rennen zu bleiben
14.06.2025

Die USA wollen Chinas Aufstieg im KI-Sektor durch Exportverbote für High-End-Chips stoppen. Doch Konzerne wie Tencent und Baidu zeigen,...

DWN
Technologie
Technologie Einsatz von Tasern: Diskussion um „Aufrüstung“ der Polizei
14.06.2025

Taser gelten als umstritten, nun will Innenminister Alexander Dobrindt damit die Bundespolizei ausrüsten. Kritik kommt von Niedersachsens...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividendenstrategie: Für wen sie sich im Aktiendepot lohnen kann
14.06.2025

Mit einer Dividendenstrategie setzen Anleger auf regelmäßige Erträge durch Aktien. Doch Ist eine Dividendenstrategie sinnvoll, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krisenmodus in der Industrie: Autohersteller weichen Chinas Regeln aus
14.06.2025

Weil China den Export kritischer Magnetstoffe drastisch beschränkt, geraten weltweite Lieferketten ins Wanken. Autohersteller suchen eilig...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft H&M baut Milliardenhandel mit Secondhand-Mode aus
14.06.2025

H&M will das Image der Wegwerfmode abschütteln – mit gebrauchten Designerstücken mitten im Flagshipstore. Wird ausgerechnet Fast...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Atomkraftgegner fordern Ende der Uran-Geschäfte mit Kreml
14.06.2025

Atomkraftgegner wenden sich an die Bundesregierung: Sie fordern einen Stopp russischer Uranlieferungen nach Lingen. Auch die hybride Gefahr...

DWN
Finanzen
Finanzen Teuer Wohnen in Deutschland: Rund jeder Siebte zahlt mehr als halben Monatslohn für Miete
14.06.2025

Nach der Mietzahlung ist bei manchen nicht mehr viel übrig für den Rest des Monats, zeigt eine Studie. Jedoch haben viele Menschen auch...

DWN
Technologie
Technologie Autoren fragen, ob ihre Werke für künstliche Intelligenz genutzt werden können – eine unmögliche Mission?
14.06.2025

Ein Ex-Spitzenmanager von Meta warnt: Wenn KI-Unternehmen vor jedem Training urheberrechtlich geschützte Werke lizenzieren müssten,...