Finanzen

Die Bitcoin-Illusion und wer die Gewinner des Hypes sind

Lesezeit: 7 min
02.01.2018 01:10
Bitcoin – und die meisten anderen Kryptowährungen – sind Illusionen: Sie können nicht halten, was sie versprechen.

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Die Anhänger von Bitcoin pflegen immer noch die Hoffnung, dass Bitcoin eines Tages zum gängigen Zahlungsmittel aufrückt. Angesichts der spektakulären Kurssprünge ist diese Aussicht völlig unrealistisch: Keine Firma kann Bitcoin akzeptieren, wenn der Gegenwert in Euro oder Dollar innerhalb weniger Stunden um 20 oder 30 Prozent sinkt oder steigt. Tatsächlich wird Bitcoin auch nicht als Zahlungsmittel eingesetzt. Die Transaktionen bestehen im Kauf und Verkauf von Bitcoin in der Hoffnung auf attraktive Kurssteigerungen. Auch die Bezeichnung als Währung ist fehl am Platz, da entscheidende Merkmale fehlen, die eine Währung ausmachen. Bitcoin ist ein leeres Spekulationsobjekt, das seit kurzem auch zum Gegenstand von Terminspekulationen an der Börse in Chicago gemacht werden kann. Allerdings sollte Bitcoin eine Vielzahl von Vorteilen aufweisen, die sich alle als Illusion erweisen.

Illusion Nummer 1: Die Befreiung vom Diktat der Banken

Bitcoin sieht die direkte Zahlung von einem Nutzer zum anderen vor. Somit muss keine Bank zwischengeschaltet werden. Der betonte Vorteil: Banken können pleitegehen, das Geld ist also gefährdet. Mit der elektronischen Bitcoin-Börse sei man sicher, weil man selbst das Geld besitzt – gleichsam wie Bargeld zu Hause im Safe. In der Praxis werden Bitcoin-Wallets gehackt, wodurch Millionen verloren gehen. Außerdem richten die Eigentümer selbst Schaden an: Ohne Code hat man keinen Zugang, der Verlust des Codes erweist sich als Katastrophe. Die Wallets sind krypto, also geheim und es gibt keine Zentralstelle, bei der man den Zugang abrufen könnte. In diesem System gibt es naturgemäß auch keine Einlagensicherung.

Illusion Nummer 2: Die schnelle und billige Überweisung

Bitcoin sollte durch die direkte Verbindung von Nutzer zu Nutzer dafür sorgen, dass Überweisungen schnell und kostenlos erfolgen, also die Verzögerungen und Gebühren der Banken ausschalten. Die Realität sieht anders aus: Die Gutschriften brauchen oft Stunden, manchmal sogar Tage. Dies ist durch die Kursschwankungen besonders dramatisch: Man mag einen Bitcoin zum Wert von beispielweise 17.000 Dollar entgegen genommen haben, bei der Buchung kann der Kurs aber nur mehr 13.000 Dollar betragen.

Von keinen oder niedrigen Gebühren ist nicht mehr die Rede. Eine Transaktion kostet bereits etwa 17 Dollar und mehr. Um zu erreichen, dass eine Buchung schnell erfolgt, werden auch Aufschläge bezahlt. Mit diesen Konditionen kann Bitcoin den traditionellen Banken nicht ernsthaft Paroli bieten.

Illusion Nummer 3: Das komfortable Zahlen

Die direkte Zahlung von einem Nutzer zum anderen wird als vorteilhaft angesehen, weil man den Banken misstraut. Somit beruht Bitcoin theoretisch auf dem Vertrauen der Nutzer untereinander. Davon ist aber nicht die Rede. Bitcoin enthält ein kompliziertes Verfahren, um abzusichern, dass der Zahler tatsächlich der Eigentümer der Bitcoins ist und dass der Empfänger auch der richtige Empfänger ist. Jeder Teilnehmer hat eine komplizierte Adresse. Zur Erkennung werden QR-Codes verwendet. Sonst müssten die Adressen umständlich eingegeben werden.

Zudem können nur die Einzahlungen verwendet werden, wie man sie bekommen hat: Will man beispielsweise online ein Essen bestellen, das 15 Euro kostet, und verfügt in seinem wallet aus einer Einzahlung von einem anderen Nutzer über 1 BTC, das laut aktuellem Kurs 15.000 Euro wert ist, so entsteht folgender Vorgang: Der Zahler muss 1 BTC an den Empfänger senden, dem aber nur 0,001 BTC zustehen. Gleichzeitig muss der Zahler auch eine neue Adresse kreieren, auf die der Empfänger das Retourgeld 0,999 BTC überweist. Dieser Vorgang findet zwar statt, erfolgt aber im Hintergrund und muss nicht vom Zahler durchgeführt werden.

Die Kontrolle der Identitäten und die Anpassung der Beträge sollte rasch erfolgen, finden gerade viele Transaktionen statt, kommt es zu Verzögerungen.

Illusion Nummer 4: Bitcoin – eine neue Währung

Bitcoin wird als Währung bezeichnet. Dafür fehlen aber die Voraussetzungen.

Eine Währung wird von den Zahlungen in einer Volkswirtschaft bestimmt: Jeder Verkauf-Kauf einer Ware oder eine Dienstleistung wird von einer Zahlung begleitet. Für diese Transaktionen ist Geld zur Verfügung zu stellen. Wieviel Geld erforderlich ist, hängt von drei Faktoren ab:

  • Wie hoch ist die Umlaufgeschwindigkeit, also wie lange braucht es, bis der Verkäufer und Empfänger von Geld dieses wieder ausgibt, sodass für die nächste Transaktion kein frisches Geld benötigt wird
  • Wie hoch sind die Beträge, die bewegt werden
  • Wie viele Zahlungen erfolgen in einer bestimmten Periode

Aus diesen Daten ergibt sich der Mittelbedarf, der über Bargeld, Buchgeld, Schecks und Wechsel gedeckt wird. Ist zu viel Geld verfügbar, kommt es zur Entwertung und somit zur Inflation. Ist die Mittelversorgung unzureichend, gerät die Wirtschaft ins Stocken.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Kredite alimentiert werden müssen: Dies erfolgt aus den jeweils nicht im Zahlungsverkehr benötigten Geldern, also im Wesentlichen aus den Einlagen bei Banken, aber auch über zusätzliche Geldschöpfung.

Bitcoin versteht sich als Währung der Transaktionen im Internet. Nachdem kaum Waren und Dienstleistungen im Internet oder in Geschäften mit Bitcoin gekauft werden, dürften nur wenige Bitcoin ausgegeben werden. Tatsächlich sind aber bereits 16,8 Millionen „geprägt“ worden.

Illusion Nummer 5: Bitcoin – eine reale Welt

Bitcoin sollte ursprünglich den Gesetzen einer Währung tatsächlich entsprechen. Eine bestimmte Anzahl von Transaktionen würde die Ausgabe von Bitcoin auslösen. Man konnte sogar betonen, dass das System von Bitcoin genauer sei als das der traditionellen Notenbanken: Nachdem jede Transaktion in einem Block registriert wird und alle Blocks eine Kette bilden – daher der Name block-chain-technology ¬ ist der Mittelbedarf präzise zu berechnen. Vom Start weg 2009 bis in das Jahr 2012 gab es täglich nur einige tausend Bewegungen weltweit und so konnte von der Realisierung des Konzepts ausgegangen werden. Die Initiatoren erklärten stolz, Bitcoin bedeute das Ende der Kontrolle des Finanzsystems durch Staaten und Währungsbehörden.

Problematisch war allerdings von Anfang an die willkürliche Festlegung einer Obergrenze: Das System sieht nur die Ausgabe von 21 Millionen Bitcoins vor, auch wenn eines Tages tatsächlich das neue Instrument breitflächig zum Einsatz kommen sollte. Bei einer auf den Bedarf abgestimmten Geldschöpfung kann es keine vorgegebene Zahl geben, 21 Millionen können viel zu wenig oder viel zu viel sein, das Volumen müsste auf die stattfindenden Transaktionen abgestellt werden.

Schon nach kurzer Zeit begannen der Drogen- und Waffenhandel sowie andere illegale Bereiche Bitcoin zu nutzen: Nachdem allen Teilnehmern Anonymität zugesichert wurde, erschien die neue Währung als ideales Instrument der Geldwäsche. Bis 2015 stiegen daher die täglichen Transaktionen auf 100.000 Einheiten an. Die größere Nachfrage ließ den Preis von anfangs 140 Dollar bis Mitte 2016 auf über 400 Dollar ansteigen. Da wurde das breite Publikum aufmerksam: Diese Zunahme wollten sich viele nicht entgehen lassen und so setzte die Spekulation ein. In den ersten Wochen des Jahre 2017 wurde die 1.000-Dollar-Marke überschritten. Bis Mitte Dezember 2017, also innerhalb von knapp einem Jahr kletterte der Kurs auf fast 20.000 Dollar – um in den folgenden Tagen wieder unter 14.000 abzustürzen.

Ab Mitte 2016 stieg die Zahl der Transaktionen sprunghaft an und liegt nun bei 300.000 täglich. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Bewegungen in Bitcoin. Das breite Publikum kauft kaum je einen ganzen Bitcoin, die meisten Transaktionen bewegen sich hinter der zweiten oder gar der dritten Kommastelle. Große Geldbeträge sind selten und werden von Experten dem Bereich der Geldwäscherei zugewiesen.

Die Realität Nummer 1: Die Spekulationsmaschine

Diese Transaktionen sind nun die Basis für den Anspruch auf die Schaffung neuer Bitcoins. Für einen Block erhält man derzeit 12,5 BTC. Ein Block umfasst eine unterschiedliche Zahl von Transaktionen, deren Umfang insgesamt nicht 1 MB überschreiten darf. Täglich entstehen etwa 140 Blocks. Alle 210.000 Blocks halbiert sich die Zahl der Bitcoins, die pro Block ausgegeben werden.

Die Transaktionen finden im Internet zwischen registrierten Usern statt. Sogenannte „Miner“ bilden Blocks, indem sie Transaktionen sammeln. Dieser Vorgang konnte ursprünglich auf jedem Heimcomputer erfolgen. Mittlerweile ist dies nur mehr mit gigantischen Computer-Anlagen möglich, die ganze Fabrikhallen füllen, enorm teuer in der Anschaffung sind und im Betrieb einen horrenden Stromverbrauch auslösen. Diese Entwicklung wurde nicht nur durch die hohe Zahl der Transaktionen, sondern auch durch die vom System vorgegebenen immer größer werdenden Hürden ausgelöst.

Insgesamt ist, wie erwähnt, nur die Ausgabe von 21 Millionen Bitcoins vorgesehen. Da bereits 16,8 Millionen in Umlauf sind, derzeit nur 12,5 pro Block dazu kommen und in absehbarer Zeit eine Halbierung auf 6,25 BTC pro Block erfolgen wird, entsteht der Eindruck einer zunehmenden Verknappung. Dadurch wird die Spekulation noch mehr angeheizt.

Die Realität Nummer 2: Gewinner sind vor allem die „Miner“

Wie bei jeder Spekulation gibt es viele Gewinner und Verlierer, vor allem, wenn innerhalb eines Jahres der Kurs auf das 15 bis 20fache steigt.

Zu beachten ist aber die Rolle der „Miner“. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die die geschilderten Computer-Anlagen betreiben und mit deren Hilfe Blocks aus im Internet eroberten Transaktionen gebildet werden, die den Anspruch auf Bitcoins im System begründen. Durch die hohen Kosten und die immer größeren Schwierigkeiten bei der „Schürfung“ von Bitcoins ist die Ertragslage dieser Firmen unter Druck.

Allerdings sind es auch die Miner, die die Transaktionen abwickeln und dabei die geschilderten, hohen Gebühren kassieren. Zur Orientierung: Bitcoin sollte den direkten Zahlungsverkehr der Nutzer ermöglichen, die Banken ausschalten und Kosten vermeiden. Das Ergebnis: Man muss den Minern hohe Gebühren für die Abwicklung der Transaktionen zahlen.

Die Realität Nummer 3: Die Grenzen von Krypto

Der Begriff „Krypto-Währung“ vermittelt den Eindruck, dass die Nutzer sich in einem Bereich bewegen, der dem Zugriff der Behörden entzogen ist. Das böse Erwachen erfolgt in vielen Varianten.

  • Das System der Blockchain bedingt, dass alle Transaktionen aufgezeichnet werden und somit jederzeit nachvollziehbar sind. Die Zahler und die Empfänger der Zahlungen sind registriert. Krypto, also geheim, bedeutet nur, dass die Teilnehmer-Adressen verschlüsselt sind. Die Entschlüsselung ist aber jederzeit möglich und tatsächlich wurden bereits Bitcoin-Firmen von den Behörden zur Offenlegung gezwungen.
  • Entscheidend ist der Wechsel von Bitcoin in gängige Währungen. Schließlich wollen die erfolgreichen Spekulanten die Gewinne verwenden. Landet allerdings ein größerer Betrag auf einem Konto, so ist die betreffende Bank verpflichtet, die Mittel vorerst zu blockieren. Hier wirken die Steuer- und Geldwäsche-Gesetze.
  • Auch die Verkäufer von Luxus-Autos oder anderen besonders teuren Gegenständen sind im Visier der Behörden.
  • In den USA wurde anlässlich der ab 1. Januar 2018 geltenden Steuerreform ein für Bitcoin entscheidendes Steuer-Schlupfloch geschlossen.

Des Kaisers neue Kleider

Es sollte allen Marktteilnehmern klar sein, dass hier ein Phantom gehandelt wird, das nichts mit der Realwirtschaft zu tun hat. Somit besteht jederzeit die Gefahr, dass, wie im Märchen von „des Kaisers neue Kleider“ ein Kind schreit „Der ist ja nackt“ und der Spuk vorbei ist.

Allerdings ist zu beobachten, dass viele Bankdirektoren, die sich seit Jahren an das Spekulieren gewöhnt haben, auch mit Bitcoin ihr Glück versuchen wollen.

Regierungen – von Venezuela bis Russland – experimentieren mit der Schaffung einer eigenen Krypto-Währung. Allerdings ist hier von krypto keine Rede, sondern von staatlich kontrollierter Geldbeschaffung.

Japan ist einen originellen Weg gegangen. Seit April ist Bitcoin als Zahlungsmittel zugelassen. Nur müssen alle Regeln eingehalten werden, die für Finanzinstitutionen gelten. Im Besonderen die Vorschrift „know your customer“, also die Pflicht zur Identifikation der Teilnehmer am System, womit von krypto keine Rede mehr sein kann. Auch die Geldwäsche-Bestimmungen sind zu beachten, also muss stets der Ursprung größerer Geldbeträge bekannt sein.

Langfristig interessant dürfte vor allem die Blockchain-Technologie sein: Das transparente, dauerhafte Erfassen von Geldbewegungen dürfte in der Wirtschaft beträchtliche Effizienzsteigerungen ermöglichen. Und: Die Finanzbehörden zeigen sich außerordentlich interessiert, da in der Blockchain die Bewegung jedes Cents nachvollziehbar ist.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.



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