Europa muss nach den Worten von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen größere Entschlossenheit zum Einsatz seines Militärs zeigen. "Der Aufbau von Fähigkeiten und Strukturen ist das eine", sagte die Ministerin am Freitag in ihrer Rede zur Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz. "Das andere ist der gemeinsame Wille, das militärische Gewicht auch tatsächlich einzusetzen, wenn es die Umstände erfordern." Auch Deutschland als gefestigte Demokratie dürfe sich nicht mehr hinter seiner Geschichte verstecken, sondern müsse akzeptieren, dass Soldaten für Sicherheit und Freiheit kämpfen müssten. Von der Leyens französische Kollegin Florence Parly plädierte ebenfalls für eine engere europäische Militärkooperation. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dagegen warnte vor Risiken: "Die Wahrheit ist: Die Europäische Union kann Europa allein nicht beschützen."
Im vergangenen Jahr hatte eine Gruppe EU-Staaten beschlossen, in verschiedenen Projekten militärisch deutlich enger als bisher zusammenzuarbeiten und so eine gemeinsame Verteidigungspolitik voranzutreiben. Durch diese sogenannte Pesco soll verhindert werden, dass einzelne langsamere oder ablehnende Nationen die gesamte Gemeinschaft ausbremsen. Die EU betont, dass sie mit ihren Fähigkeiten die Nato ergänzen und nicht schwächen will.
"Diejenigen, die wollen, müssen voranschreiten können – ohne, dass sie von Einzelnen blockiert werden", sagte von der Leyen und plädierte für ein ähnliches Vorgehen in der Außenpolitik. "In der europäischen Außenpolitik sind wir noch nicht soweit. Bei kontroversen Fragen blockieren wir uns immer wieder durch das Gebot der Einstimmigkeit – eigentlich bräuchten wir auch eine Pesco in der Außenpolitik."
Von der Leyen zeigte sich zugleich besorgt über sinkende Investitionen der USA in Diplomatie, Entwicklungshilfe und die UN. "Ja, die Vereinten Nationen brauchen Reformen. Aber sie brauchen keine Schwächung", erklärte sie. "Die Diskussionen der vergangenen Monate haben gezeigt, dass es keine transatlantische Arbeitsteilung geben darf, die da lautet: Die Einen sind zuständig für das scharfe Ende – die Anderen kümmern sich um die humanitären Folgefragen und den Wiederaufbau." Alle müssten für beide Seiten der Medaille verantwortlich sein. "Wir Europäer müssen uns gewaltig anstrengen, um diesem eigenen Anspruch an uns selbst gerecht zu werden", sagte die Ministerin. "Aber auch unsere amerikanischen Freunde haben eine kostbare Verpflichtung jenseits des Militärischen."
Parly forderte, Europa müsse sich militärisch stärker unabhängig von den USA machen. "Wenn wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft bedroht werden, besonders im Süden, dann müssen wir in der Lage sein, uns dem entgegenstellen", sagte sie. Es könne nicht sein, dass die USA in solchen Fällen Militärmaterial aus anderen Einsätzen abziehen und beisteuern müssten. Europa habe sich zu lange in einer "süßen Lethargie" der Sicherheit gewiegt und nach dem Ende des Kalten Krieges die Friedensdividende beschworen. Doch die Bedrohungslage habe sich geändert. "In dieser neuen Welt, die gerade entsteht, ist Europa kein Luxus. Europa ist eine Notwendigkeit", betonte Parly.
Stoltenberg begrüßte die Anstrengungen der Europäer grundsätzlich, da sie die Nato entlasten könnten. Es gebe aber auch Gefahren. "Es besteht das Risiko, dass es zu einer Entfremdung auf beiden Seiten des Atlantiks kommt, dass Doppelstrukturen aufgebaut und nicht-europäische Nato-Staaten diskriminiert werden." Dies müsse vermieden werden. Nato-Staaten außerhalb der EU spielten eine maßgebliche Rolle bei der Verteidigung Europas, spielte Stoltenberg auf die USA an, das militärische Rückgrat der Allianz. Es gehe aber nicht nur um Geld, sondern auch um die Geografie. Der Schutz Europas ohne die Mithilfe Norwegens, der Türkei, Großbritanniens, der USA und Kanadas sei schwer vorstellbar.