Finanzen

Demografische Lücke zwingt China zur Öffnung seiner Finanzmärkte

Die Alterung der chinesischen Gesellschaft wird dem Schweizer Vermögensverwalter Pictet zufolge dazu führen, dass das Land seine Finanzmärkte in Zukunft weiter für ausländische Investoren öffnen muss.
09.09.2019 14:58
Aktualisiert: 09.09.2019 15:03
Lesezeit: 3 min
Demografische Lücke zwingt China zur Öffnung seiner Finanzmärkte
Wird China in Zukunft seine Finanzmärkte für ausländische Investoren öffnen? (Foto: dpa) Foto: David Chang

Einem Kommentar der Schweizer Fondsgesellschaft Pictet zufolge könnte Chinas alternde Bevölkerung zu einem Problem für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt werden, aber sie könnte auch dazu beitragen, den 13 Billionen Dollar großen Anleihenmarkt für ausländische Investoren zu öffnen.

Um zu verstehen, warum, ist es wichtig, sich den Zusammenhang zwischen Demographie, Sparen und der Zahlungsbilanz eines Landes anzusehen. Laut Cary Yeung, Head of Greater China Debt bei Pictet, erreichte in China der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter - zwischen 15 und 64 Jahren vor etwa einem Jahrzehnt mit 64 Prozent seinen Höhepunkt und wird nach UN-Prognosen bis 2030 auf 52 Prozent sinken. Mit zunehmendem Alter der Bevölkerung steigen die Gesamtausgaben - vor allem für Gesundheitskosten. Tatsächlich sind die Rentenausgaben seit 2012 mit einer höheren jährlichen Rate als die Renteneinnahmen gestiegen.

Das durchschnittliche jährliche Defizit in Chinas Rentenlücke wird voraussichtlich 1,41 Billionen RMB im Jahr 2050 verglichen mit den derzeitigen 50 Milliarden RMB erreichen. Um diese Lücke zu schließen, muss das Land Einsparungen nutzen. Dies, kombiniert mit einer Erhöhung der Ausgaben für Gesundheitskosten, bedeutet, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis China ein Leistungsbilanzdefizit aufweist - also mehr verbraucht, als es produziert. Das wird eine wichtige Entwicklung für den chinesischen Schuldenmarkt sein.

Cary Yeung folgert: „Denn wenn das passiert, muss das Land dieses Defizit durch mehr Kredite aus dem Ausland finanzieren. Mit anderen Worten, es wird sich von einem Kapitalexporteur zu einem Importeur entwickeln. In Anbetracht dieses sich abzeichnenden Wandels hat Peking eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Kapitalmärkte zu liberalisieren und ausländische Investitionen anzuziehen. Und entscheidend für diese Reformen ist die Öffnung des chinesischen Onshore-Bond-Marktes.“ Der Experte weiter: „Die Schritte globaler Indexanbieter, chinesische Anleihen in ihre Mainstream-Benchmarks aufzunehmen, schaffen ein verbindliches Bedürfnis für Investoren, die Anlageklasse einzubeziehen.“

Seit dem Start des Programms "Bond Connect" im Jahr 2017, das es ausländischen Investoren ermöglicht, in Hongkong ohne Onshore-Konten zu handeln, haben die chinesischen Behörden auch die Abwicklungsfunktion „Delivery versus Payment“ eingeführt, die das Abwicklungsrisiko deutlich reduziert hat. Peking hat auch ausländischen institutionellen Investoren eine dreijährige Steuerbefreiung für Anleihezinsen bis November 2021 gewährt. Darüber hinaus plant die People's Bank of China, die Regeln für den Handel mit Repos und anderen Derivaten für ausländische Investoren zu lockern. Diese Schritte werden zusammen mit weiteren vorgeschlagenen Maßnahmen zur Marktöffnung sicherstellen, dass RMB-Anleihen zu einem größeren Bestandteil internationaler Portfolios werden.

Der Auslandsbesitz an solchen Anleihen stieg im ersten Quartal auf ein Rekordniveau von 271 Mrd. US-Dollar gegenüber 160 Mrd. US-Dollar Ende 2018. Dies war zum Teil in Erwartung der Bemühungen globaler Indexanbieter, chinesische Anleihen in ihre üblichen internationalen Benchmarks aufzunehmen. Auch Wilfred Wee, Portfoliomanager für asiatische und chinesische Anleihen bei Investec Asset Management ist der Meinung, jetzt eine gute Gelegenheit ist, in den Markt für Renminbi-Anleihen einzusteigen.

Wie Pictet weiter ausführt, begann der Global Aggregate Bond Index von Bloomberg-Barclays im April mit der Aufnahme chinesischer RMB-Anleihen, was andere Anbieter ermutigen sollte, diesem Beispiel zu folgen. Insgesamt dürfte die Indexaufnahme Chinas in den kommenden Jahren Zuflüsse von fast 300 Mrd. US-Dollar generieren.

Internationale Investoren halten derzeit knapp 3 Prozent der Anlageklasse, aber die Peoples Bank Of China (PBOC) erwartet, dass sich diese Zahl in den nächsten zehn Jahren auf mehr als das Dreifache bis 10 bis 15 Prozent erhöhen wird. RMB-Anleihen weisen besondere Merkmale auf, weshalb ihre Aufnahme in ein internationales Rentenportfolio die Risiko- und Ertragsdynamik verändern kann. Die Renditen von RMB-Anleihen korrelieren nicht besonders stark mit allen wichtigen globalen Anlageklassen - seien es Anleihen oder Aktien.

Auch die Renditen von RMB-Anleihen sind höher als die von staatlich entwickelten Anleihen. Die Rendite fünfjähriger chinesischer Staatsanleihen liegt bei rund 3 Prozent, verglichen mit runf 1,5 Prozent bei US-Treasuries, - 0,24 Prozent bei japanischen Staatsanleihen und -0,67 Prozent bei Bundesanleihen mit gleicher Laufzeit. Investoren in Onshore-RMB-Anleihen sollten auch vom Potenzial der chinesischen Währung profitieren, sich zu einer internationalen Währung zu entwickeln. Dieser strukturelle Trend sollte den RMB langfristig aufwerten lassen und Onshorebond-Anlegern eine zusätzliche Renditequelle bieten. Tatsächlich nimmt die Internationalisierung des RMB in Asien bereits Gestalt an.

Der "Redback" ist heute ein wichtiger Anker für die asiatischen Währungen. Die Ökonomen von Pictet schätzen, dass die Schwankungen des RMB bis zu 15 Prozent der Veränderungen der asiatischen Wechselkurse erklären, verglichen mit null Prozent im Jahr 2006. Der RMB-Block macht rund 23 Prozent des Welt-BIP aus, verglichen mit nur 5 Prozent im Jahr 2006. Dies deutet darauf hin, dass der RMB über 13 Prozent der globalen Zentralbankreserven verfügen sollte, siebenmal mehr als die aktuelle Zahl.

Chinas One Belt One Road Infrastrukturprogramm, mit dem das Land RMB-basierte Kredite und Geschäfte fördert, sollte auch dazu beitragen, die Internationalisierung des RMB zu beschleunigen, ebenso wie die Kapitalzuflüsse in den Finanzmarkt des Landes und die Öffnung seines Versicherungs- und Bankensektors. Es ist klar, dass der chinesische Onshore-Bond-Markt zu einem unverzichtbaren Vermögenswert für internationale Investoren in ihren diversifizierten Portfolios wird. Aber die Anleger müssen anspruchsvoll sein.

Ein kürzlich erfolgter Ausfall des chinesischen Einzelhändlers Neoglory bei seiner Exchange Traded Bond erinnert rechtzeitig an die Risiken für Unternehmen in hochverschuldeten Branchen. Allerdings sehen die Experten der Schweizer Fondsgesellschaft in der Assetklasse keine systemischen Refinanzierungsrisiken. Die chinesischen Behörden setzen Richtlinien um, die darauf abzielen, das Wachstum der Unternehmensverschuldung zu verlangsamen

Der auf RMB lautende Onshore-Finanzmarkt dürfte in den kommenden Jahren stark expandieren, um den sich ändernden Bedürfnissen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt gerecht zu werden. Aus diesen Gründen ist sie für internationale Investoren zu groß geworden, um sie zu ignorieren.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Infineon-Aktie: Warum der KI-Hype die Probleme nicht verdeckt
12.11.2025

Infineon-Aktie: Der Halbleiterkonzern Infineon enttäuscht mit seinem Ausblick – trotz florierender KI-Sparte. Während die Nachfrage aus...

DWN
Politik
Politik Neuer Wehrdienst: Drei Punkte beim geplanten Militärdienst noch ungelöst
12.11.2025

Die Debatte um den neuen Wehrdienst spitzt sich zu: Ungeklärte Fragen, politische Differenzen und ein wachsender Druck auf die...

DWN
Technologie
Technologie Krieg im All: Deutschland und Großbritannien warnen vor russischen Satelliten
12.11.2025

Deutschland und Großbritannien schlagen Alarm: Russische und chinesische Satelliten bedrohen zunehmend die westliche...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft COP30: Klimarisiko für Unternehmen und Entwicklungsstaaten steigt
12.11.2025

Entwicklungsstaaten erleiden die schwersten Schäden durch Hitzewellen, Stürme und Überschwemmungen. Doch auch Unternehmen spüren die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflationsrate: Verbraucherpreise sinken leicht auf 2,3 Prozent
12.11.2025

Die Inflationsrate in Deutschland sinkt leicht – doch Entwarnung gibt es nicht. Trotz rückläufiger Verbraucherpreise bleibt die...

DWN
Politik
Politik Reiche drängt China zu Lockerung der Exportregeln für seltene Erden
12.11.2025

Seltene Erden sind für Hightech, Auto- und Energiewende unverzichtbar. Doch Chinas Exportpolitik bedroht Europas Versorgungssicherheit....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen uneinheitlich: Die Angst vor dem Absturz wächst – und Trump schaut zu
11.11.2025

Die Rally an den US-Börsen wankt: Während der Leitindex Dow Jones am Dienstag stabil bleibt, dominieren beim Nasdaq Composite Index die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs: Erholungsversuch geht beim DAX aktuell weiter – Ende des US-Shutdowns in Sicht
11.11.2025

Der DAX-Kurs zeigt im Börsenhandel am Dienstag wieder seine aktuelle Stärke – doch wie nachhaltig ist der Aufwärtstrend beim DAX...