Finanzen

Notenbanken reagieren: Corona-Virus größte Gefahr für Weltwirtschaft seit der Finanzkrise 2008

Die internationalen Notenbanken wollen mehr billiges Geld zur Verfügung stellen, um eine neue Krise - wie die Finanzkrise 2008/09 - zu verhindern. Denn das Corona-Virus droht, der Weltwirtschaft einen zusätzlichen Schlag zu versetzen.
02.03.2020 14:15
Lesezeit: 3 min
Notenbanken reagieren: Corona-Virus größte Gefahr für Weltwirtschaft seit der Finanzkrise 2008
Verunsicherung an den internationalen Märkten. (Foto: dpa) Foto: Frank Rumpenhorst

Industriekrise in China, Flaute in der Weltwirtschaft, Sorge um die deutsche Konjunktur: Die Coronavirus-Epidemie ist der Industriestaaten-Organisation OECD zufolge die größte Gefahr für die globale Wirtschaft seit der Finanzkrise 2008/09. "Das Virus droht der Weltwirtschaft, die bereits durch Handelsstreitigkeiten und politische Spannungen geschwächt ist, einen zusätzlichen Schlag zu versetzen", warnte OECD- Chefvolkswirtin Laurence Boone am Montag. Um die Folgen abzufedern, signalisieren viele Regierungen ihre Bereitschaft zu Konjunkturprogrammen, während Zentralbanken mehr billiges Geld bereitstellen könnten, meldet Reuters.

Besonders deutlich werden die Folgen des Ausbruchs an ihrem Ursprungsort China: Produktion, Aufträge und Beschäftigtenzahl fielen im Februar so stark wie noch nie seit Beginn der monatlichen Umfrage vor rund 16 Jahren, wie die Mediengruppe Caixin und das Institut IHS Markit zu ihrer monatlichen Unternehmensumfrage mitteilten. Der Einkaufsmanagerindex brach dadurch um 10,8 auf 40,3 Punkte ein. Erst ab 50 signalisiert das Barometer ein Wachstum. "Der starke Rückgang ist auf die stagnierende Wirtschaftstätigkeit im ganzen Land zurückzuführen, die durch die Coronavirus-Epidemie verursacht wurde", sagte Chefökonom Zhengsheng Zhong von Caixin.

Die Krise beim Exportweltmeister droht die gesamte Weltwirtschaft aus der Spur zu bringen - zumal sich das Virus auch auf andere Industriestaaten wie Japan, Südkorea und Italien stark ausbreitet. Sollte sich die Lage nicht bessern und immer weitere Länder betroffen sein, könnte das weltweite Wachstum dieses Jahr auf etwa 1,5 Prozent halbiert werden, erklärte die OECD. "Es ist wichtig, dass die Regierungen jetzt unverzüglich handeln, um die Epidemie einzuschränken, die Gesundheitssysteme zu stützen, Bürgerinnen und Bürger zu schützen, die Nachfrage zu stärken und das finanzielle Überleben der am stärksten betroffenen Unternehmen und Haushalte zu garantieren", forderte Chefvolkswirtin Boone.

In China haben sich bislang mehr als 80.000 Menschen mit dem Virus infiziert, die meisten in der Provinz Hubei. Knapp 3000 Personen sind daran gestorben. Das Wirtschaftswachstum in China dürfte sich laut OECD wegen des Virus deutlich verlangsamen. Die Ökonomen rechnen hier 2020 nur noch mit 4,9 Prozent, nachdem es 2019 noch 6,1 Prozent waren.

Die Industriestaaten-Gruppe empfiehlt höhere staatliche Ausgaben, um dem Konjunkturrückgang entgegenzuwirken. Sie stößt damit auf offene Ohren. Die Finanzminister der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) wollen in dieser Woche über die Folgen des Coronavirus-Ausbruchs für das Wirtschaftswachstum sprechen. "Es wird eine konzertierte Aktion geben", kündigte der französische Finanzminister Bruno Le Maire an. Er habe bereits am Sonntag mit US-Finanzminister Steven Mnuchin gesprochen, der den G7-Vorsitz innehat. Es werde eine Telefonschalte geben, "um unsere Reaktionen zu koordinieren", sagte Le Maire dem Fernsehsender France 2. Auch die Finanzminister der Euro-Zone stehen seinen Worten zufolge in Kontakt. Er wolle auch mit der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, reden. "Wir müssen so handeln, dass diese Auswirkungen, von denen wir wissen, dass sie wichtig für das Wachstum sind, so gering wie möglich sind", betonte Le Maire, der am Montag in Berlin mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz zusammenkam.

Die Europäische Union wird laut Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni alle ihre politischen Möglichkeiten nutzen, um das Wachstum gegen Risiken durch das neue Coronavirus abzusichern. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier deutete an, dass Berlin nicht untätig bleiben will. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Corona unseren Wirtschaftsaufschwung kaputt macht", sagte der CDU-Politiker in der ARD. Die OECD halbierte ihre Prognose für das deutsche Wachstum 2020 auf 0,3 Prozent. Auch unter Beibehaltung der Schuldenbremse sieht das Bundesfinanzministerium genügend Spielraum, um im Falle einer schweren wirtschaftlichen Krise finanziell gegenzusteuern. Die Schuldenbremse gebe den nötigen Verschuldungsspielraum, um im Krisenfall handlungsfähig zu sein, erklärte das Ministerium. Die Schuldenbremse begrenzt die Nettoneuverschuldung des Bundes auf 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das wären 2020 rechnerisch etwa 12,5 Milliarden Euro. Durch Verrechnung mit Sondervermögen wären tatsächlich aber nur rund 5,9 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden erlaubt.

Die Zentralbanken signalisierten ebenfalls ihre Bereitschaft, aktiv zu werden. Die internationalen Partner würden dabei zusammenarbeiten, sagte etwa ein Sprecher der Bank of England in London. Dadurch solle sichergestellt werden, "dass alle notwendigen Schritte zum Schutz der Finanz- und Währungsstabilität unternommen werden". Ähnlich hatte sich zuvor die japanische Zentralbank geäußert. Investoren am europäischen Geldmarkt rechnen wegen des sich ausbreitenden Coronavirus inzwischen fest mit einer Zinssenkung der EZB im April. Die EZB will mit negativen Sätzen erreichen, dass Banken die Gelder nicht bei ihr parken, sondern in Form von Krediten an die Wirtschaft weiterreichen und so die Konjunktur ankurbeln.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Politik
Politik USA greifen Hafen in Venezuela an: CIA soll angeblichen Drogenumschlagplatz attackiert haben
30.12.2025

Eine Explosion im Hafen, ein Präsident, der offen von einem Schlag spricht, und viele offene Fragen. Donald Trump bestätigt einen...

DWN
Panorama
Panorama Tresor-Coup in Gelsenkirchen: 3.200 Schließfächer aufgebrochen, Beute von 30 Millionen Euro
30.12.2025

"Wir wollen rein", skandiert eine aufgebrachte Menge vor der Sparkassenfiliale in Gelsenkirchen. Doch die Polizei riegelt ab. Was zum...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neun von zehn Haushaltshilfen werden schwarz beschäftigt
30.12.2025

Fast vier Millionen Haushalte setzen auf Schwarzarbeit – warum viele die Anmeldung umgehen und wie viel Geld dabei wirklich fließt.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Generation Z: Warum Sinnhaftigkeit zur neuen Währung im Job wird
30.12.2025

Führungskraft? Nein danke. Für die Generation Z zählt im Beruf längst nicht mehr die steile Karriere, sondern Sinn, Freiheit und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lebensmittelpreise 2025: Butter billiger, Schokolade teurer
30.12.2025

2025 wurden Verbraucher bei Lebensmitteln kräftig durchgeschüttelt. Butter fiel im Preis deutlich, während Schokolade, Rinderhack und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Alarm: Deutschland hat die höchsten Unternehmenssteuern der G7
30.12.2025

Deutschland gilt als Hochsteuerland – nun belegen es die Zahlen. Eine große Mehrheit der Unternehmen empfindet Steuern und Abgaben als...

DWN
Politik
Politik Angriff auf Putin? USA kritisieren Ukraine, versenken zugleich weiter Schiffe vor Venezuela
30.12.2025

Ein angeblicher Drohnenangriff auf eine Residenz von Wladimir Putin bringt neue Unruhe in die festgefahrenen Gespräche über den...

DWN
Panorama
Panorama Rätsel um Verschwinden des Fluges MH370: Eine neue Suche nach Antworten beginnt
30.12.2025

Was passierte mit Flug MH370? Das Verschwinden der Boeing 777 zählt zu den Mysterien der Luftfahrtgeschichte. Ab dieser Woche soll noch...