Deutschland

Robert-Koch-Institut wertet für Corona-Forschung Handy-Daten der Bürger aus

Die Forscher am Robert-Koch-Institut nutzen die Handy-Bewegungsdaten von Millionen Deutschen, um die Wirksamkeit von Maßnahmen gegen den Coronavirus zu prüfen.
18.03.2020 16:01
Aktualisiert: 18.03.2020 16:01
Lesezeit: 2 min
Robert-Koch-Institut wertet für Corona-Forschung Handy-Daten der Bürger aus
Handydaten sollen gesammelt werden, um das Corona-Virus besser bekämpfen zu können. (Foto: dpa) Foto: Hauke-Christian Dittrich

Angesichts sich rasant beschleunigender Infektionszahlen greift das Robert-Koch-Institut (RKI) zur Beurteilung der Lage nun auf millionenfache Handydaten zurück. Der Marktführer Deutsche Telekom stellt den Wissenschaftlern erstmals anonymisierte Kundeninformationen zur Verfügung. Es gehe darum, zu ermitteln, ob die von der Bundesregierung beschlossenen Instrumente wirksam seien, sagte RKI-Chef Lothar Wieler am Mittwoch in Berlin. "Denn wenn die Menschen sich weiterhin so mobil verhalten, wie sie es bis vor einer Woche gemacht haben, dann wird es schwer, das Virus einzudämmen."

In Deutschland sind inzwischen 8198 Infektionen bestätigt. Das öffentliche Leben wurde wie in den meisten europäischen Ländern weitreichend eingeschränkt. Auch in Italien sowie Österreich haben Mobilfunkanbieter ihre Daten mit staatlichen Behörden geteilt, um Einblick in die Effizienz von Ausgangssperren, verstärktem Home-Office und geschlossenen Schulen zu geben.

RKI-Wissenschaftler könnten mit den Informationen der 46 Millionen Mobilfunkkunden Bewegungsströme abbilden, um Prognosen über die Ausbreitung von Covid-19 in Deutschland zu treffen, sagte eine Telekom-Sprecherin. Die Daten ließen sich auf Bundesländer- wie auch Kreisebene herunterbrechen. Wieler gab sich zuversichtlich, damit Prognosen für die Entwicklung der Infektionszahlen erstellen zu können. Laut der Telekom-Sprecherin wurden am Dienstagabend einmalig Daten im Umfang von fünf Gigabyte an das RKI übermittelt. "Das ist eine Sondersituation. Wir helfen gern und unentgeltlich", sagte die Sprecherin. Ob es weitere Datenlieferungen geben werde, müsse sich noch zeigen.

Ob Vodafone und Telefonica Deutschland künftig auch Daten zur Verfügung stellen, war zunächst unklar. "Wo immer es technisch möglich und rechtlich zulässig ist, wird Vodafone Länder auf Anfrage von deren Regierungen bei der Entwicklung von Erkenntnissen auf der Grundlage großer anonymisierter Datensätze unterstützen", teilte das Unternehmen mit. In Österreich gibt Branchenprimus A1, der zur Telekom Austria gehört, Daten bereits weiter. A1 biete gemeinsam mit Invenium, einem Ableger der TU Graz, Bewegungsanalysen an, die aus vollständig anonymisierten Daten mittels Algorithmen errechnet würden, hieß es. Bisher wurden solche Informationen eher genutzt, um Verkehrsströme oder Staus abzubilden.

EXPERTE: DATENWEITERGABE IST RECHTENS

Das Verfahren zur Datenübergabe an das RKI wurde der Telekom zufolge zusammen mit den Datenschutzbehörden entwickelt und 2015 von der Bundesdatenschutzbeauftragten abgenommen. Es handelt sich demnach nicht um individuelle Informationen, sondern um Massendaten, die keine Rückschlüsse auf den einzelnen Nutzer oder auch Infizierten ermöglichen. Dies verbietet in Europa die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Bitkom-Präsident Achim Berg hält das Vorgehen von RKI und Telekom für "datenschutzrechtlich unbedenklich": "Mit Hilfe anonymisierter Massendaten von Mobilfunknetzbetreibern können grundsätzliche Bewegungsmuster in der Bevölkerung modelliert werden. Diese sogenannten Signalisierungsdaten liefern Informationen darüber, wann und wo Sprach- oder Datenverbindungen aufgebaut werden. Man sieht also zum Beispiel, wo sich Menschen versammeln, nicht aber, wer sich dort versammelt."

In Asien oder auch Israel haben die Regierungen hingegen deutlich weitreichendere Befugnisse. So werden in Südkorea GPS-Daten von Smartphones und Autos, Kreditkarteninformationen, Einreiseinformationen sowie Bilder von Überwachungskameras genutzt, um zu schauen, ob sich Infizierte an die strikten Kontaktregeln halten. Die Informationen werden teils auch öffentlich gemacht, damit sich andere Menschen mit Ansteckungsverdacht testen lassen können.

Israel setzt inzwischen Überwachungsmethoden ein, die sonst nur im Anti-Terrorkampf zur Anwendung kommen. Die Handys von Infizierten werden dort ständig darauf überprüft, ob Quarantäne-Vorgaben eingehalten werden. Der österreichische Datenschutzaktivist Max Schrems warnt vor solchem Vorgehen: "Allein die GPS-Überwachung geht weit darüber hinaus, was in einer demokratischen Gesellschaft angemessen ist."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VW-Aktie im Fokus: Was die Werksschließung bei Volkswagen für die Autoindustrie bedeutet
16.12.2025

Ein symbolträchtiger Standort der deutschen Autoindustrie schließt seine Tore und rückt die VW-Aktie erneut in den Fokus von Anlegern...

DWN
Politik
Politik Teure Mieten, hohe Steuern, weniger Kinder: Auswanderungen aus Deutschland weiterhin auf hohem Niveau
16.12.2025

Nach wie vor wandern sehr viele Menschen aus Deutschland aus, gleichzeitig bekommen Deutsche immer weniger Kinder: Eine fatale Entwicklung...

DWN
Politik
Politik Umfrage: Spätere Rente für Akademiker spaltet die Deutschen
16.12.2025

Sollte das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre gekoppelt sein? Die Bürger sind sich darin nicht einig. Deutsche mit Abitur...

DWN
Politik
Politik CDU-Vorsitz: Einstimmiges Votum aus NRW - Merz soll CDU-Chef bleiben
16.12.2025

Friedrich Merz erhält einstimmige Unterstützung aus NRW für eine weitere Amtszeit als CDU-Bundesvorsitzender. Der Vorschlag kommt von...

DWN
Politik
Politik Anschlag geplant? Terrorverdächtiger in Magdeburg reiste legal ein
16.12.2025

Mit Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem 21-jährigen Mann in...

DWN
Politik
Politik Sudan führt auch 2026 Krisenliste von Hilfsorganisation an
16.12.2025

Die Hilfsorganisation IRC erstellt jeden Dezember eine Liste von Krisenstaaten, die im Folgejahr zu beachten sind. Der Sudan steht im...

DWN
Finanzen
Finanzen Bargeld: Barzahlen wird bei Behörden zur Ausnahme - Bundesbank sieht Akzeptanzlücken
16.12.2025

Bargeld ist in Deutschland nach wie vor beliebt, doch in Ämtern und Behörden stößt man damit nicht immer auf offene Türen. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Finanzielle Unabhängigkeit für Führungskräfte: So sichern Sie echte Entscheidungsfreiheit
16.12.2025

Die meisten Führungskräfte träumen davon, unabhängig Entscheidungen treffen und nach eigenen Überzeugungen handeln zu können. In der...