Wirtschaft

Corona-Krise und Heuschreckenplagen: UN warnen vor globaler „Hunger-Pandemie“

Die Vereinten Nationen erwarten im laufenden Jahr eine weltweite Hungerkrise. Verschärft wird die durch die Corona-Pandemie entstandene Nahrungsmittelkrise durch gewaltige Heuschreckenschwärme, welche derzeit in Ostafrika wüten.
02.05.2020 09:33
Lesezeit: 2 min

Die Vereinten Nationen warnen davor, dass sich die Zahl der unterernährten Menschen wegen der Corona-Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen weltweit fast verdoppeln könnte. Das geht aus einem Bericht hervor, den das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) vergangene Woche in Rom vorstellte. Die Zahl der Menschen, die sich nicht ausreichend ernähren können, um gesund zu leben, oder die sogar Hunger leiden, könnte 2020 sprunghaft auf 265 Millionen Menschen anwachsen, heißt es darin.

Die Welt stehe kurz vor einer „Hunger-Pandemie“, warnte WFP-Chef David Beasley auch vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. „821 Millionen Menschen gehen jede Nacht überall auf der Welt hungrig zu Bett“, sagte er. Weitere 135 Millionen seien existenzieller Sorge wegen der Knappheit von Nahrung ausgesetzt, noch einmal 130 Millionen könnten am Ende des Jahres vor dem Hungertod stehen. „Wenn wir uns jetzt nicht vorbereiten und handeln - um den Zugang (zu Hungerleidenden) zu sichern, Finanzierungs- und Handelsengpässe zu vermeiden - könnten wir innerhalb weniger Monate mehreren Hungersnöten von biblischem Ausmaß ausgesetzt sein“.

Unter der drastischen Verschlechterung ihrer Ernährungslage durch die Folgen der Corona-Krise dürften besonders Menschen in ärmeren Staaten leiden. „Wir müssen jetzt gemeinsam handeln, um die Auswirkungen dieser globalen Katastrophe zu mildern“, forderte der WFP-Experte Arif Husain anlässlich der Vorstellung des Berichts in Rom.

Die Prognosen für die Entwicklung durch die Covid-19-Krankheit stehen in einem Sonderbericht zum Gesamtüberblick der weltweiten Ernährungskrisen 2019, die das WFP zusammen mit anderen Organisationen präsentierte. Danach wussten im Vorjahr besonders viele Menschen im Jemen, in der Demokratischen Republik Kongo und in Afghanistan nicht, wo sie die nächste Mahlzeit herbekommen sollten. Die weltweite Gesamtzahl von 135 Millionen Menschen, die von Ernährungskrisen betroffen sind, sei schon 2019 die höchste in vier Jahren gewesen, hieß es.

Hilfsorganisationen warnten besonders vor einer Verschärfung der Lage in Westafrika, wo etliche Konflikte herrschen. Die Corona-Krise „trifft mit voller Wucht auf eine bereits sehr fragile Ernährungssituation“, teilten Oxfam, Care und weitere Organisationen mit. Die Vorräte der vergangenen Ernte gehen demnach zu Ende und wegen der Covid-Restriktionen in vielen Ländern steigen Preise und etliche Grundnahrungsmittel seien nicht verfügbar. Die Organisationen forderten Maßnahmen, „um besonders gefährdete Personen zu schützen und die Nahrungsmittelproduktion in der Region sicherzustellen“.

Weil bedeutende Exporteure von Grundnahrungsmitteln wie Reis oder Weizen ihre Exporte in den vergangenen Wochen eingeschränkt hatten, kommt es derzeit zum Bruch zahlreicher Lieferketten auf dem internationalen Markt für Nahrungsmittel und die Preise für Reis oder Getreide steigen in der Folge stark an.

Verschärft wird die angespannte Situation noch durch eine seit Wochen in Ostafrika wütende Heuschreckenplage. Angesichts der sich ausbreitenden Plage hatte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen zu mehr Engagement aufgefordert. „Die FAO muss den Kampf gegen die Heuschreckenplage verstärken“, sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Sie muss jetzt entschlossen handeln, um eine Ausbreitung der Schwärme zu verhindern.“ „Die Heuschreckenplage darf nicht zu einer neuen Hungersnot und Vertreibung führen“, sagte der Entwicklungsminister. „Die Menschen brauchen Lebensmittel, Saatgut und Viehfutter, um ihr Überleben sichern zu können.“

Die FAO bezeichnet die Situation in Afrika als „extrem alarmierend“. In Staaten wie Kenia und Somalia formierten sich neue Schwärme. Betroffen sind den Angaben zufolge in Afrika auch Äthiopien, Uganda, der Kongo, der Sudan, der Südsudan und Eritrea. Doch auch nach Pakistan, Indien und die arabische Halbinsel sind die Tiere inzwischen vorgedrungen. „Die Heuschreckenplage wird total unterschätzt. Das ist die größte Plage seit Jahrzehnten, manche sagen sogar seit Menschengedenken“, betonte der Entwicklungsminister. Es gebe Schätzungen der FAO, dass bereits 500 000 Hektar Land betroffen seien, die kahl gefressen würden und nicht mehr bewirtschaftbar seien. „Das Dramatische ist die Voraussage, dass die Schwärme noch zwanzig Mal größer werden können. Die Folge ist: Es fehlt an Lebensmitteln, an Viehfutter und es gibt Hunger, Not und Elend.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Digitale Souveränität in Deutschland bleibt weiter außer Reichweite
13.08.2025

Deutschland steht weiterhin vor großen Herausforderungen, seine digitale Unabhängigkeit zu erreichen. Das Bundesamt für Sicherheit in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Luxus für die Chefetage: DAX-Vorstände kassieren das 41-Fache ihrer Mitarbeiter
12.08.2025

Während die Wirtschaft stagniert, steigen die Managergehälter: DAX-Vorstände verdienen im Schnitt das 41-Fache ihrer Mitarbeiter – und...

DWN
Politik
Politik Rente und Lebensarbeitszeit: Beamte sollen länger arbeiten, weil sie im Schnitt länger leben
12.08.2025

Die Deutschen sollen länger arbeiten, fordert die Wirtschaftsministerin, auch um die Sozialsysteme abzusichern. Für das Rentensystem hat...

DWN
Politik
Politik Umfrage: Nur jeder Dritte zufrieden mit Kanzler Merz – Unzufriedenheit steigt weiter
12.08.2025

Rund 100 Tage nach Amtsantritt der neuen Koalition fällt die Bilanz für Bundeskanzler Friedrich Merz eher ernüchternd aus. Einer...

DWN
Finanzen
Finanzen SAP-Aktie: DAX-Schwergewicht rutscht weiter ab – jetzt SAP-Aktie kaufen?
12.08.2025

Die SAP-Aktie steht unter Druck – trotz starker Cloud-Zahlen und stabiler Marktstellung. Anleger fragen sich: Jetzt die SAP-Aktie kaufen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaming-Boom in Deutschland: Verbraucher geben 4,6 Milliarden Euro aus
12.08.2025

Die Gaming-Branche in Deutschland erlebt einen spürbaren Aufschwung: Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Ausgaben der Verbraucherinnen und...

DWN
Panorama
Panorama Heiße Tage, kühle Skepsis: Warum wir uns mit Klimaanlagen so schwertun
12.08.2025

Während Klimaanlagen in vielen Ländern weltweit zur normalen Ausstattung gehören, sind sie in Deutschland noch immer umstritten....

DWN
Politik
Politik Sonntagsfrage: AfD mit Rekordwert in aktueller Forsa-Umfrage – Tiefpunkt für Schwarz-Rot und Kanzler Merz
12.08.2025

Die aktuelle Sonntagsfrage bringt die schwarz-rote Koalition unter Druck: Die AfD erreicht ihren Rekordwert, die Union verliert. Die...