Politik

Corona-Lüge? Abstandsregeln spielen bei Anti-Rassismus-Demos plötzlich keine Rolle mehr

Diejenigen, die zuvor die deutschen Proteste gegen die Corona-Regeln mit Verweis auf die Abstands- und Kontaktregeln kritisiert hatten, unterstützen nun die Anti-Rassismus-Proteste in den USA und Europa. Was ist denn nun mit den Corona-Regeln?
04.06.2020 13:50
Aktualisiert: 04.06.2020 13:50
Lesezeit: 2 min
Corona-Lüge? Abstandsregeln spielen bei Anti-Rassismus-Demos plötzlich keine Rolle mehr
03.06.2020, USA, San Diego: Demonstranten liegen bei einem Protest mit hinter dem Rücken verschränkten Armen auf dem Boden. (Foto: dpa)

In Europa und Deutschland haben sich eine Reihe von Politikern und Parteien mit den Demonstranten in den USA solidarisiert. Menschen stehen nah beieinander, US-Polizeibeamte umarmen Demonstranten als Zeichen ihrer Solidarität und US-Politiker, die der US-Regierung nicht wohlgesonnen sind, befeuern die Demonstrationen.

Von der Durchsetzung der Schutzmaskenpflicht und der Abstandsregeln angesichts der Corona-Krise ist weitgehend nichts zu beobachten. Wie schnell doch die Beschwörer der Corona-Pandemie in den USA und Europa all diese Corona-Regeln vergessen haben.

Vor einer Woche hielt Eric Garcetti, Bürgermeister von Los Angeles, noch eine Rede im leeren Stadium der „Dodgers“ (26.Mai 2020). Dabei beachtete er nicht nur die Abstandsregeln, sondern auch die Schutzmaskenpflicht. Nur wenige Tage später nahm er an einer Demonstration zum Gedenken an George Floyd teil (2. Juni 2020). Er schloss sich den Massen an – stellenweise mit und ohne Maske – und missachtete die Abstandsregeln.

Die Los Angeles Times berichtet: „Nach wochenlangen Forderungen nach strikter sozialer Distanzierung inmitten der anhaltenden Coronavirus-Pandemie, schloss sich Bürgermeister Eric Garcetti der Menge an, kniete nieder und zog seine blaue Gesichtsmaske der Los Angeles ,Dodgers‘ herunter, um zu sprechen.“

Aus Fotos des US-Senders CNN geht hervor, dass in mehreren Städten Polizeibeamte Demonstranten umarmt und ihnen die Hände geschüttelt haben. Das waren Gesten, die den Beamten hoch anzurechnen sind. Diese Gesten berührten uns menschlich, aber sie sorgten auch für Verwirrung. Denn auch bei diesen Ereignissen erfolgte eine Missachtung der Abstandsregeln.

Nun berichten europäische Medien, dass auch in Europa Anti-Rassismus-Proteste stattfinden. Doch die Corona-Regeln werden nur am Rande erwähnt. Dieselben Stimmen hatten sich zuvor mit Verweis auf die Abstandsregeln sehr verächtlich über die deutschen Proteste gegen die Corona-Regeln geäußert, obwohl das Bundesamt für Verfassungsschutz deutlich gemacht hatte, dass die Teilnehmer mehrheitlich verfassungstreue Bürger waren und sind. Ich hoffe, dass die Adressaten dieser Kritik sich einige Gedanken über diesen Widerspruch machen, anstatt dies als böswilligen Angriff aufzufassen.

Es ist festzustellen, dass diejenigen, die die Proteste in den USA – und vielleicht auch in Europa – befeuern, Menschen massenweise einer gesundheitlichen Gefahr aussetzen, um offenbar politischen Profit zu erzielen. Liegt das daran, weil sich die Proteste gegen den umstrittenen US-Präsidenten richten?

Wird der Mord am arglosen und wehrlosen George Floyd missbraucht? Ist die Corona-Pandemie nun gefährlich oder nicht?

Die Menschen in unserem Land sind verunsichert. Niemand weiß mehr, was wahr und unwahr ist. Diese Atmosphäre ist deshalb so gefährlich, weil sie von extremistischen Gruppen ausgebeutet werden kann, um die Bürger gegen Polizeibeamte und den Staat aufzuhetzen.

Im Titel dieses Kommentars wurde vorsätzlich das Wort „Corona-Lüge“ mit einem Fragezeichen versehen. Denn genau diese Frage geht den Bürgern dieses Landes durch den Kopf. Man muss den Menschen nur zuhören und mit ihnen reden, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie verunsichert und traumatisiert sie sind. Und damit sind nicht die Provokateure und Agitatoren gemeint, die die Ängste der Menschen in diesem Land missbrauchen.

Die Tatsache, dass ich mich in diesem Kommentar für meine kritischen Hinweise rechtfertigen muss, zeigt auch, wo unsere Gesellschaft eigentlich steht. Es ist ein „Hexenjagd-Klima“ entstanden und die Konfliktparteien kämpfen alle mit denselben unredlichen Waffen. Es mangelt am guten Willen und an der Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Sie hören hin, aber sie hören nicht zu. Wir leben buchstäblich in einer „Zeit der Wirren“.

Doch die wichtigste Frage, die wir uns als Menschen und Bürger stellen sollten, ist: Möchten wir wirklich in einer Gesellschaft leben, in der wir uns alle gegenseitig anschreien und diffamieren?

Ich möchte es nicht!

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
avtor1
Cüneyt Yilmaz

                                                                                ***

Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Prognose: Startet die deutsche Wirtschaft 2026 endlich durch?
25.12.2025

Drei Jahre Flaute, kaum Wachstum – doch 2026 könnte die deutsche Wirtschaft endlich drehen. Prognosen deuten auf leichte Erholung,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Zahlungen per Smartphone steigen sprunghaft an
25.12.2025

Immer mehr Menschen zücken zum Bezahlen das Smartphone. Hinter den allermeisten Transaktionen stecken heute noch Debitkarten. Das könnte...

DWN
Finanzen
Finanzen Bankenpleite: Was passiert mit meinem Geld?
25.12.2025

Es ist eine tiefe Angst vieler Menschen – die eigene Bank, der man sein Erspartes anvertraut hat, geht bankrott. Erfahren Sie hier, wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Stablecoins vs. Digitaler Euro: Wie digitales Geld den globalen Zahlungsverkehr verändert
25.12.2025

Digitale Zahlungsmittel gewinnen zunehmend an Bedeutung und verändern, wie Geld transferiert und gespeichert wird. Stablecoins dringen in...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Debt im Fokus: Steigt das Risiko einer Finanzkrise an den US-Börsen?
25.12.2025

Die jüngsten Insolvenzen in der Autoindustrie haben an den internationalen Finanzmärkten eine neue Debatte über versteckte Risiken im...

DWN
Panorama
Panorama Initiative Jobsuche: Weshalb die Weihnachtszeit perfekt ist
25.12.2025

Während viele glauben, der Arbeitsmarkt schlummere zum Jahresende, öffnen sich gerade jetzt heimlich Türen. Eine erfahrene Coachin...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Tech-Aktien: Tech-Konzerne überflügeln Börsen und gewinnen neue Dominanz
25.12.2025

Die rasant steigenden Bewertungen der US-Techkonzerne verschieben die Kräfteverhältnisse an den globalen Finanzmärkten. Doch wie...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzmärkte zum Jahresende: Wie sich Anleger zwischen Rallye und Korrekturgefahr absichern
24.12.2025

Zum Jahresende verdichten sich an den globalen Finanzmärkten die Signale für Chancen, Risiken und mögliche Wendepunkte. Stehen Anleger...