Politik

Warum die Bundesbank das deutsche Gold aus New York holen wird

Zwar hat die Bundesbank bereits 300 Tonnen Gold aus den USA nach Frankfurt geholt, doch noch immer lagert in New York mehr als ein Drittel der deutschen Goldreserven. Vor dem Hintergrund der gewaltigen Umbrüche im internationalen Finanzsystem ist dies nicht nur unnötig, sondern geradewegs gefährlich.
14.11.2020 11:21
Lesezeit: 5 min
Warum die Bundesbank das deutsche Gold aus New York holen wird
Im Geldmuseum der Bundesbank können Besucher einen 12,5 Kilogramm schweren Goldbarren in die Hand nehmen. (Foto: dpa) Foto: Boris Roessler

Nicht erst in den letzten vier Jahren unter Donald Trump, sondern bereits im Jahr 2013 entschied die Deutsche Bundesbank Gold, 300 Tonnen Gold aus New York und 374 Tonnen Gold aus Paris in mehreren Schritten nach Frankfurt am Main zu holen. Im Jahr 2017 wurde die Rückholung drei Jahre früher als ursprünglich geplant abgeschlossen.

Heute lagert laut Daten der Bundesbank etwas mehr als die Hälfte der deutschen Goldreserven (1.710 Tonnen) im eigenen Land. Die andere Hälfte wird bei der Federal Reserve in New York (1.236 Tonnen) und bei der Bank of England in London (42o Tonnen) verwahrt. Die Banque de France lagert nun kein deutsches Gold mehr.

Dass die Bundesbank anders (als die US-Notenbank Federal Reserve) überhaupt Gold im Ausland lagert, erklärt sie vor allem damit, dass sie ihr Gold bei Bedarf innerhalb kürzester Zeit in Fremdwährungen umtauschen können will. Dies sei jedoch auf absehbare Zeit nur an den großen Goldhandelsplätzen im Ausland möglich.

Die Gefahren der Goldverwahrung im Ausland

Die Lagerung der Mehrheit ihres Goldes im Inland erklärt die Bundesbank mit "Vertrauensbildung". Mit anderen Worten: Je mehr seiner Goldreserven Deutschland in New York lagert, desto mehr Einfluss haben die USA auf Deutschland. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass die USA Goldvermögen in New York einfrieren, um ausländische Nationen unter Druck zu setzen.

Als zum Beispiel der Iran sich im Jahr 1981 weigerte, US-Dollar als Lösegeld für die von dem Land festgehaltenen amerikanischen Geiseln zu akzeptieren, transferierten die USA stattdessen 50 Tonnen Gold. Allerdings beschlagnahmte die US-Regierung gleichzeitig eine entsprechende Menge iranischen Goldes, das die New Yorker Fed eingefroren hatte.

Deutschland verfügt über Goldreserven im Umfang von 3.362,4 Tonnen (Stand Oktober 2020). Mehr Gold haben nur die USA mit 1.133,5 Tonnen. Die deutschen Goldreserven stammen sämtlich aus der Zeit des Bretton-Woods-Systems (1944–1973) und der Europäischen Zahlungsunion (1950–1958), als Länder mit Leistungsbilanzdefiziten Staaten mit Überschüssen Gold überschreiben mussten.

Deutschland erhielt allein im Rahmen der Europäischen Zahlungsunion von 1951 bis zu deren Auflösung im Jahr 1958 insgesamt 48,7 Millionen Unzen (1.515 Tonnen) Feingold. Zudem bezog die Bundesbank bis Ende der 50er Jahre größere Goldmengen von der Federal Reserve, der Bank of England und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die innerhalb der Europäischen Zahlungsunion als Abrechnungsstelle diente.

Der "Blessing-Brief" von 1967

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Bundesbank damals infolge der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse nicht nur Gold, sondern auch massiv Dollar anhäufte, diese Dollar aber bei den USA nur in geringem Umfang in Gold konvertierte. Die Konvertierung in Gold war im Rahmen des Pseudo-Goldstandards von Bretton Woods von den USA zugesichert worden.

Doch seit Ende der 1950er Jahre fürchteten die Amerikaner einen umfangreichen internationalen Gebrauch dieses Umtauschrechts, "insbesondere durch die Europäer, wo sich aufgrund der hohen militärischen Präsenz und der expandierenden Investitionen der amerikanischen Industrie Dollarüberschüsse angesammelt hatten", wie die Bundesbank ausführt.

Ein massenhafter Umtausch hätte die amerikanischen Goldreserven aufbrauchen und den Glauben an eine tatsächliche Golddeckung des Dollars zerstören können. Mitte der 60er Jahre wurde diese Gefahr infolge des teuren Vietnamkriegs besonders akut. Aus dieser Zeit stammt der sogenannte „Blessing-Brief“, datiert auf den 30. März 1967.

Der Brief ist Teil des Schriftwechsels zwischen dem damaligen Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Karl Blessing, und William Martin, dem damaligen Vorsitzenden der Federal Reserve. In dem Brief geht Blessing auf die Sorgen der Amerikaner ein, die Deutsche Bundesbank könne massenhaft Dollar in Gold eintauschen.

Blessing verspricht dem Vorsitzenden der Fed, dass die Bundesbank von einem massenhaften Umtausch von Dollar in Gold Abstand nehmen wird. Blessing betont, dass diese Zurückhaltung der deutsche Beitrag zur internationalen monetären Kooperation sei und der Prävention jeglicher störender Effekte auf den internationalen Währungsreserven- und Goldmärkten diene.

Blessings Spiegel-Interview kurz vor seinem Tod

Kurz vor seinem Tod äußerte sich Karl Blessing erneut zu der Entscheidung von Bundesbank und Bundesregierung, auf eine Konvertierung von Dollarreserven in Gold zu verzichten. In einem 1971 veröffentlichten Interview mit der Zeitschrift "Der Spiegel" stellte Blessing seine Zugeständnisse als Bundesbankpräsident gegenüber den USA rückblickend selbst in Frage.

Auf die Frage, ob die Bundesbank durch das Halten großer Dollarbestände und das Nichteinwechseln der Dollar in Gold den USA nicht erhebliche Schützenhilfe geleistet hat, sagte Blessing: "Ich erkläre Ihnen heute, daß ich mich selber persönlich schuldig fühle auf dem Gebiet. Ich hätte damals rigoroser sein müssen gegenüber Amerika. Die Dollar, die bei uns anfielen, die hätte man einfach rigoros in Gold umtauschen müssen."

Weiter sagte Blessing: "Sie haben uns immer versprochen: Na, im nächsten Jahr wird das anders, im übernächsten Jahr kriegen wir den Etat und alles in Ordnung [...] Aber sie haben es nie gebracht, es kam immer was anderes. Da kam der Vietnam-Krieg, dann kam der Präsident [Lyndon B.] Johnson mit seiner Finanzpolitik, mit einem 25-Milliarden-Dollar-Budget-Defizit damals in einem Jahr. All das waren die Gründe für die Inflation. Ich habe zu meinen amerikanischen Kollegen oft gesagt: Es geht ja immer weiter bei euch."

Schließlich hätten die Amerikaner Deutschland damit gedroht, ihre Truppen aus der Bundesrepublik abzuziehen, wenn Deutschland den Dollar nicht durch den Verzicht auf eine Konvertierung der deutschen Dollarreserven in Gold verzichtet, so Blessing. "Es war nie eine ausgesprochene Drohung, aber die Drohung war immer im Hintergrund da."

Als Hochkommissar (und früherer CEO der Chase Manhattan Bank) John Jay McCloy ihm mit einer anstehenden Entscheidung im US-Senat zu einem Truppenabzug drohte, sah sich Blessing gezwungen, das deutsche Stillhalten "für eine gewisse Zeit" auch schriftlich zuzusichern. So sei es zum "Blessing-Brief" gekommen, über den sein Urheber dann 1971 im Spiegel-Interview sagte: "Der Brief gilt leider heute noch."

Die schleichende Entkopplung von Deutschland und den USA

Unter US-Präsident Donald Trump haben sich die politischen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland deutlich verschlechtert. Dies zeigt sich etwa daran, dass die USA kürzlich Sanktionen gegen Unternehmen verhängt haben, die an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 arbeiten. Denn Trump will die russischen Gaslieferungen nach Europa verhindern, vielmehr soll die EU amerikanisches Flüssiggas kaufen.

Zudem hat Trump angekündigt, dass die USA 12.000 Soldaten aus Deutschland abziehen werden. Mit anderen Worten er setzt nun eine Maßnahme um, mit der schon seine Vorgänger in den 60er Jahren gedroht haben. Zudem hat Trump Deutschland und andere Nato-Mitglieder wiederholt dafür kritisiert, dass sie nicht genug Geld für ihre eigene Verteidigung ausgeben.

Sicherlich haben die wachsenden Spannungen zwischen den USA und Deutschland nicht unerheblich auch mit der Person Donald Trump zu tun, der mit seiner America-First-Politik mehr Eigenständigkeit von Deutschland gefordert hat und der bei fast allen deutschen Politikern, in den Medien und bei der Bevölkerung äußerst unbeliebt ist.

So stuften in einer Umfrage von YouGov Ende des letzten Jahres 41 Prozent der Befragten den US-Präsidenten als größte Gefahr für den Weltfrieden ein, vor Nordkoreas Kim Jong Un (17 Prozent), Russlands Präsident Wladimir Putin (8 Prozent), Irans Ajatollah Ali Chamenei (8 Prozent) und Chinas Präsident Xi Jinping (7 Prozent).

Doch unabhängig davon, wie die US-Präsidentschaftswahlen irgendwann ausgehen werden, so wird sich die Entkopplung von Deutschland und den USA doch in jedem Fall wohl fortsetzen. Denn auch ohne Trump würde sich etwa der Widerstand der USA gegen Nord Stream 2 fortsetzen, der von weiten Teilen des US-Kongresses mitgetragen wird.

Eine weitere Heimholung von Bundesbank-Gold nach Frankfurt hätte erhebliche Folgen. Denn die Heimholung könnte auch andere Länder dazu veranlassen, ebenfalls ihr Gold aus New York abzuziehen, was eine Art Bank-Rund auf die Federal Reserve darstellen würde. Es würde dann für alle offensichtlich, welche enorme Bedeutung das Gold im zu Ende gehenden Dollar-Finanzsystem hat.

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