Das Perser-Reich der Antike reichte zeitweise vom Nordosten des heutigen Griechenlands bis tief nach Indien. Das Kernland aber war das Gebiet des heutigen Irans, das aufgrund seiner Gebirge damals wie heute eine fast uneinnehmbare Festung bildet(e). Nicht zuletzt aufgrund seiner Geografie dürfte das Land auf absehbare Zeit ein bestimmender Machtfaktor in der Region bleiben. Eine Analyse.
Das Zagros-Gebirge im Westen stellte in der Antike die Grenze zu Mesopotamien dar; später zerschellten hier die Angriffe der irakischen Armee im iranisch-irakischen Krieg, der zwischen 1980 und 1988 tobte. Der Kaukasus im Nordwesten des Iran stellte im 19. Jahrhundert einen Sperrriegel gegen die Expansionsgelüste der russischen Zaren gen Süden dar. Unweit der Küste des Kaspischen Meeres befindet sich das Elburs- Gebirge mit dem höchsten Gipfel des Landes, dem Vulkankegel Damavand, der sich bis zu einer Höhe von 5.604 Metern in den Himmel schraubt. Gegen Angriffe aus Zentralasien ist der Iran durch die Kopet-Dag-Kette geschützt, und auch das Grenzland zu Afghanistan ist unwirtlich und schroff. Selbst die Südküste des Landes, wo es an den Persischen Golf stößt, ist gebirgig. Hier befindet sich der wichtigste Hafen des Irans und eines der Hauptquartiere seiner Marine in Bandar Abbas.
Die Stadt liegt unweit der Straße von Hormus. Diese Meerenge, die von großen Schiffen nur in zwei jeweils drei Kilometer breiten Rinnen befahren werden kann, ist eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt. Beispielsweise müssen Öltanker sie auf ihrem Weg nach Fernost passieren. Wer die Straße von Hormus kontrolliert – oder sie zumindest sperren kann – hält damit einen wichtigen geopolitischen Schlüssel in Händen.
Uneinnehmbar
Sollte der Iran vom Süden her tatsächlich mit konventionellen Mitteln militärisch attackiert werden, müssten die Angreifer auf ihrem Weg ins Zentrum des Landes nicht nur Gebirgsketten, sondern auch Wüsten überwinden. Die Wüste Dascht-e Lut im Südosten des Iran gilt als heißeste Region des Planeten – hier wurden bereits Temperaturen von über 70 Grad Celsius gemessen. Nördlich davon befindet sich eine weitere Einöde, die Dascht-e Kawir, was auf Persisch „Große Salzwüste“ bedeutet. Seine Geografie macht den Iran also zu einer kaum einzunehmenden Festung. Die bergige Natur würde es selbst für die militärische Supermacht USA sehr schwer machen, das Land mit konventionellen Mitteln einzunehmen, während amerikanische oder israelische Luftschläge weiterhin möglich sind. Allerdings haben die Iraner in den letzten Jahren ihre Flugabwehrsysteme deutlich verbessern können, wie der nächtliche Abschuss einer unbemannten US-Drohne über der Straße von Hormus am 20. Juni 2019 belegt.
Zudem ist das Land deutlich über 1,6 Millionen Quadratkilometer groß und von immerhin rund 83 Millionen Menschen bevölkert. Beachtliche Erdöl- und Erdgas-Lagerstätten befinden sich auf seinem Territorium. All dies verleiht dem Iran großes geopolitisches Gewicht. Sieht man sich den Nahen und Mittleren Osten aus der Vogelperspektive an, erkennt man, dass dieser, was seine Fläche und seine Bevölkerung anbelangt, von drei Kulturräumen dominiert wird: dem türkischen, dem arabischen und dem iranischen.
Ein neuer Verbündeter
Doch während etwa die Türkei aufgrund ihrer geographischen Lage eine Drehscheiben-Funktion zwischen Ost und West sowie zwischen der EU und dem Nahen Osten innehat und demgemäß eine proaktive, expansionistische Geopolitik betreibt, ist der Iran, vor allem gegenüber den USA, in der Defensive. Auf der anderen Seite gewinnt das Land für China an Bedeutung, sowohl als wichtiger Pfeiler der Neuen Seidenstraße als auch in seiner Eigenschaft als Energie-Lieferant. Erst kürzlich haben die beiden Länder ein Kooperationsabkommen geschlossen, das chinesische Investitionen im Wert von 400 Milliarden Dollar vorsieht – gegen Erdöl-Lieferungen zu Vorzugspreisen. Für den Iran, der von den USA kontinuierlich unter Druck gesetzt wird, erscheint es nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geostrategisch sinnvoll, sich stärker ans Reich der Mitte zu binden.
Die aktuelle Situation in Syrien dürfte auch das iranische Verhältnis zu Russland prägen. Beiden Ländern ist gemein, dass sie einen Zerfall des syrischen Staates verhindern wollen. Denn Moskau fürchtet unter anderem ein Erstarken fundamentalistisch islamistischer Kräfte, das sich mittel- und langfristig auch auf die Kaukasusregion auswirken könnte. Der Iran hingegen, der zusammen mit Katar das größte bisher entdeckte Gasfeld der Welt – das im Persischen Golf gelegene „South Pars“ – ausbeutet, braucht ein stabiles und ihm freundschaftlich gesonnenes Syrien, um das „blaue Gold“ über eine geplante Pipeline über syrisches Gebiet bis ans Mittelmeer zu transportieren. Auch China möchte einer Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens entgegenwirken, da dies sein Projekt der Neuen Seidenstraße gefährden würde. Eine Verschärfung der Spannungen zwischen den USA und dem Iran, wie auch weitere Sanktionen, dürften weiteren Annäherung Teherans an Peking also Vorschub leisten.
In unserer großen geopolitischen Serie sind bisher erschienen:
Russland:
China:
Deutschland:
USA:
Großbritannien:
deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/506643/Großbritannien-Wiedergeburt-eines-Empires
Türkei:
Japan:
Saudi-Arabien:
Frankreich:
Zentralasien:
deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/509203/Zentralasien-Das-Zentrum-des-Schachbretts
Italien:
Österreich:
deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/511103/OEsterreich-Im-Westen-verankert-den-Blick-nach-Osten