Der russische Präsident Wladimir Putin hat in einem Interview mit dem amerikanischen Sender "NBC News" die Beziehungen zwischen den USA und Russland als sehr schlecht beschrieben. "Unsere bilaterale Beziehung ist in den letzten Jahren auf einen Tiefpunkt gesunken", so Putin in dem am gestrigen Freitag ausgestrahlten Interview. Putin lobte den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump als "außergewöhnliches und talentiertes Individuum". US-Präsident Joe Biden beschrieb er als Berufspolitiker, als Karrieremenschen, der "völlig anders" als Trump sei. Hinsichtlich des Umstands, dass Biden ihn in einem Interview im März einen Mörder genannt hatte, sagte Putin, er habe schon Dutzende solcher Anschuldigungen gehört. In Russland würde man so etwas nicht sagen - aber da solche Aussagen eben "Teil der politischen Kultur der USA" seien, Teil des in Hollywood üblichen "Machogehabes", sei eine solche Aussage "wirklich nichts, über das ich mir irgendwie Sorgen mache".
Biden und Putin werden sich am 16. Juni in Genf treffen. Der US-Präsident hatte am Mittwoch gesagt, die USA wollten eine „stabile, vorhersehbare Beziehung“. Den Konflikt mit Russland würden sie nicht suchen. Allerdings würde er, Biden, eine Reihe von kritischen Themen ansprechen, beispielsweise die Eingriffe Moskaus in zwei US-Präsidentschaftswahlen mittels Hacker-Angriffe (die von Seiten der Demokraten und US-Sicherheitsbehörden immer wieder heftig kritisiert, bis jetzt allerdings noch nicht abschließend bewiesen wurden). Putin hatte in der Vergangenheit immer wieder klar gemacht, bei den Präsidentschaftswahlen 2016 (Trump - Hillary Clinton) sowie 2020 (Trump - Biden) auf einen Wahlsieg Trumps gehofft zu haben.
Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten werden morgen einen ausführlichen Gastkommentar zu dem anstehenden Treffen zwischen Biden und Putin veröffentlichen. Darin argumentiert der außenpolitische Analyst Melvyn Krauss, Biden werde den Schulterschluss mit Putin suchen, um eine amerikanisch-russisch-europäische Allianz gegen China zu schmieden. Denn die USA bräuchten Russland - sowie Europa - als Verbündete, um das Reich der Mitte einzudämmen - alleine seien sie dafür nicht mehr stark genug. Aber Russland bräuchte eben auch die USA.
Genauso sehe ich das auch. Aus Sicht der Amerikaner ist Russland zwar ein Stachel im Fleische, der schmerzt, der aber nicht in der Lage ist, ihnen oder ihren Verbündeten ernsthaften Schaden zuzufügen. Russland ist in Bezug auf seine Wirtschaftsleistung ein Schwellenland (mit einem pro-Kopf-Einkommen von 11.600 Dollar steht das Riesenreich international auf Rang 65, was kaufkraftbereinigt 28.000 Dollar und Rang 58 entspricht - Zahlen von 2019). In abgeschwächter Weise gilt immer noch, was der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt vor über 40 Jahren sagte, nämlich, dass Russland ein Dritte-Welt-Land plus Atombombe ist. Ein nuklearer Schlagabtausch ist jedoch völlig unvorstellbar; und die Tatsache, dass Russland über große Öl- und Gasvorkommen verfügt, ist nur bedingt ein geopolitisches Asset, weil der Westen seinen Bedarf auch anderswo decken kann.
Putin weiß das und steht einem amerikanischen Angebot, eine gemeinsame Allianz gegen China zu schmieden, deshalb wohlwollend gegenüber. Die gestrige aggressive Rhetorik war lediglich Großspurigkeit, mit der er zum einen seine Position vor dem Gipfel stärken und zum anderen seinen Landsleuten demonstrieren wollte, dass er sich von Biden nicht unterbuttern lassen werde. Bezeichnend ist ja auch, dass Putin überhaupt bereit war, sich von einem US-Sender interviewen zu lassen. Fest steht, dass er sich der Gefahr, die von China ausgeht, bewusst ist: Der Süden Russlands befindet sich bereits jetzt unter starkem chinesischem Druck, was zur Folge hat, dass Russland immer größere Teile seiner Streitkräfte dorthin verlegt. Unter anderem sieht Putin ein, dass es ein Fehler war, vor ein paar Jahren riesige Landflächen an China zu verpachten, die von chinesischen Bauern bestellt werden. Wer glaubt, dass die Russland jemals wieder verlassen, macht sich etwas vor. Wenn Russland nicht ganz genau aufpasst, ist der Pachtvertrag der Beginn vom Ende seiner territorialen Souveränität.
Putin weiß genau, was er am Westen hat - gerade auch an Biden: Dieser wird Putin die Hand reichen, und das anschließende Gespräch wird auf Augenhöhe stattfinden - so, wie es sich für die Präsidenten zweier großer Mächte gehört. Der mächtigste Mann der Welt, Xi Jingping, würde Putin zwar zunächst mit einem Lächeln entgegentreten. Doch dieses Lächeln würde sich in ein Zähnefletschen verwandeln, und am Ende würde der stolze Russe seinem Gegenüber nicht mehr in die Augen sehen dürfen - nein, er müsste zu Boden blicken, Xis Befehle empfangen und sich schließlich mit einem tiefen Diener verabschieden.
Es gibt ein Prinzip, das auch und besonders in der internationalen Politik gilt: Der gemeinsame Feind schweißt zusammen!
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