Die Europäische Zentralbank (EZB) muss aus Sicht von Notenbank-Direktor Fabio Panetta womöglich die Wirtschaft im Euro-Raum regelrecht heiß laufen lassen, um "Preisstabilität" zu garantieren. Es sei eventuell erforderlich, die Wirtschaft ein wenig auf Touren zu bringen, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der Euro-Notenbank in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der italienischen Zeitung Corriere della Sera. "In der Vergangenheit hat Ungeduld die EZB dazu gebracht, die Zinsen verfrüht anzuheben, was übermäßigen Abwärtsdruck auf die Inflation aufrecht erhielt und das Wachstum bremste."
Für riskant hält Panetta eine solche Vorgehensweise nicht. "Im Gegenteil. Das ist ein Weg, um unsere Anstrengungen glaubwürdig zu machen, die Inflation hoch zu bringen auf zwei Prozent," sagte er. Es gelte das verfügbare Reservoir an Arbeitskräften voll auszuschöpfen und Lohndruck zu erzeugen, damit die Inflation auf das Zielniveau gehoben werde. Im Juni lag die offizielle Teuerung im Euro-Raum bei 1,9 Prozent. Die EZB rechnet zwar für die nächsten Monate mit weiter anziehenden Raten, sie hält diese Entwicklung aber nicht für dauerhaft.
Die EZB hatte unlängst ihr Inflationsziel überarbeitet und strebt nun "mittelfristig" zwei Prozent an. Bislang hatte das Ziel auf "knapp unter zwei Prozent" Inflation gelautet. Ihre rekordtiefen Leitzinsen schrieben die Währungshüter für lange Zeit fest. Diese sollen nun so lange auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau gehalten werden, bis zu sehen ist, dass die Inflation zwei Prozent erreicht und dann erst einmal auf diesem Niveau bleibt.
Es geht ums Ganze - Inflation wird dauerhaft hoch bleiben
Panettas Äußerungen verweisen auf die wahren Ziele der EZB. Diese bestehen zum einen darin, das hochverschuldete Finanzsystem mit Nullzinsen vor dem Kollaps zu bewahren und andererseits darin, die immensen Schulden der Euro-Staaten mithilfe einer hohen Inflation im Zeitablauf zu "entwerten" und infolge massiver Interventionen am Anleihemarkt die Renditen der Staatsanleihen zu drücken.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch der Umstand, warum eine Zentralbank wie die EZB überhaupt eine jährliche Inflation von 2 Prozent - also faktisch die jährliche Minderung der Kaufkraft des Euro in selbiger Höhe - fordert und dieses Inflationsziel zuletzt noch erhöht hat.
Nebenbei sei bemerkt, dass die Inflation in der Eurozone wahrscheinlich schon seit Jahren deutlich über 2 Prozent liegt, aber mit den herrschenden Berechnungsmethoden "kleingerechnet" wird, wie DWN-Kolumnist Michael Bernegger mehrfach nachgewiesen hatte. Verlierer der Entwicklung sind insbesondere die Sparer, die weiterhin schleichend enteignet werden, weil sie keine Zinsen mehr auf ihre Guthaben erhalten und sogar inzwischen von den Minuszinsen der EZB betroffen sind.
Der Schuldenstand in der Eurozone ist zu Jahresbeginn erstmals über 100 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen. Im ersten Quartal sei der öffentliche Schuldenstand auf 100,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gewachsen, teile das Statistikamt Eurostat Mitte Juli in Luxemburg mit. Eurostat verweist auf die Corona-Krise, die auch zu Jahresbeginn zu einem erhöhten Finanzierungsbedarf geführt habe. Im vierten Quartal 2020 hatte der Schuldenstand noch 97,8 Prozent gelegen und im ersten Quartal 2020 bei 86,1 Prozent.