Politik

Deutschlands Eliten erhalten Ausbildung beim WEF: Die Kaderschmiede des Klaus Schwab

Lesezeit: 5 min
08.08.2021 11:35  Aktualisiert: 08.08.2021 11:35
DWN-Kolumnist Ernst Wolff deckt auf, wie die Kaderschmiede des World Economic Forums funktioniert. Und welche Politiker, Top-Manager, Milliardäre und Meinungsmacher dort ausgebildet wurden und werden.
Deutschlands Eliten erhalten Ausbildung beim WEF: Die Kaderschmiede des Klaus Schwab
Klaus Schwab und Angela Merkel auf einer Plenarsitzung des WEF. (Foto: dpa)
Foto: Markus Schreiber

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Es ist mit etwa 1.300 Mitgliedern das vermutlich wichtigste Netzwerk der Welt. Ihm gehören Staats- und Regierungs-Chefs, CEOs der weltgrößten Konzerne, Mitglieder von Königshäusern sowie Multimilliardäre an – Menschen, die auf Grund ihrer Stellung, ihres Besitzes oder ihrer Funktion extrem viel Macht ausüben: Das Forum der „Young Global Leaders“, die Kaderschmiede des World Economic Forum (WEF). Wer wissen will, wer in unserer Welt die Fäden zieht, der sollte einen Blick hinter seine Kulissen werfen.

Die Erfolgsgeschichte des Klaus Schwab

1971 gründete Klaus Schwab in der Schweiz das „European Management Forum“ (EMF). Ursprüngliches Ziel der Organisation war es, europäische Wirtschaftsführer mit amerikanischen Management-Methoden, die Schwab 1966/67 an der Harvard Business School erlernt hatte, vertraut zu machen.

Der Auftakt war vielversprechend. Zur ersten Veranstaltung kamen 444 Manager aus 31 Ländern. Auch in den kommenden Jahren hielt der Zuspruch an. Es kamen Gäste aus Asien, Afrika und Südamerika hinzu, so dass Schwab das EMF in „World Economic Forum“ (WEF) umbenannte und die nunmehr globale Management-Elite über Jahre hinweg jeden Januar zu einer einwöchigen Zusammenkunft in den Schweizer Skiort Davos einlud.

Die Teilnehmer kamen in Scharen, viele von ihnen regelmäßig. In der Abgeschiedenheit der Schweizer Alpen war man unter seinesgleichen, konnte sich ungestört austauschen, vernetzen, Krisen-Strategien entwerfen und dem Lauf der Weltwirtschaft entscheidende Impulse geben.

Zum internationalen Management gesellt sich die politische Elite

Schon bald wurde der rein ökonomische Rahmen der Veranstaltung erweitert. Es wurden Politiker aus aller Welt eingeladen, und das WEF begann mit der Zeit, sich im Bereich politischer und sozialer Veränderungen zu einer Schaltzentrale für globale Weichenstellungen zu entwickeln.

Einer der Meilensteine war das im Januar 1990 unter der Schirmherrschaft von Klaus Schwab abgehaltene Treffen zwischen dem letzten Vorsitzenden des Ministerrats der DDR, Hans Modrow, und dem deutschen Kanzler Helmut Kohl, bei dem die wichtigsten Schritte zur Vorbereitung der deutschen Wiedervereinigung besprochen wurden.

Das nächste bedeutende Treffen fand 1992 statt, als sich Nelson Mandela und der südafrikanische Präsident Frederic Willem de Klerk zwei Jahre nach Mandelas Haftentlassung in Davos zusammensetzten, um über das Ende der Apartheid und die Zukunft ihres Landes zu sprechen.

Diese neue politische Dimension des WEF brachte Klaus Schwab ganz offensichtlich auf die Idee, den Lauf der Welt zukünftig nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch im Interesse der sich in Davos treffenden Elite zu beeinflussen. Jedenfalls rief er im Jahr 1992 mit den „Global Leaders of Tomorrow“ eine Organisation ins Leben, die nach der Jahrtausendwende zu einem der wichtigsten Netzwerke überhaupt werden sollte.

Der Einstieg wird für Klaus Schwab zum Triumph

Schwabs Vision bestand darin, vielversprechende Talente aus Politik und Wirtschaft zusammenzubringen, die noch keine vierzig Jahre alt, bereits in hohen Positionen beschäftigt und darüber hinaus bereit waren, ein Jahr lang an diversen Kursen und Treffen ihres Jahrgangs teilzunehmen. Wobei sich die Kandidaten selbst um die Mitgliedschaft in dem exklusiven Club bewerben und einem harten Ausleseverfahren unterwerfen mussten, um ausgesucht zu werden. Dafür lockte die Möglichkeit, wichtige Kontakte mit hochrangigen Persönlichkeiten aus aller Welt zu knüpfen und sich mit der zukünftigen Elite zu vernetzen.

Der erste Jahrgang, die Klasse von 1993, wurde für Schwab zu einem durchschlagenden Erfolg. Zu den heute bekanntesten Mitgliedern dieses Jahrgangs zählen Microsoft-Gründer Bill Gates, Weltbank-Chef und US-Präsidenten-Berater Larry Summer sowie die späteren Regierungs-Chefs Angela Merkel, Nikolas Sarkozy, Tony Blair, Gordon Brown, Viktor Orbán und José Maria Aznar. Unter den deutschen Teilnehmern finden sich die FDP-Politiker Sabine Leutheusser und Wolfgang Kubicki sowie die spätere CDU-Familienministerin Claudia Nolte.

Auch in den Abschlusslisten der folgenden Klassen tauchen zahlreiche schillernde Namen aus Wirtschaft und Politik auf. Zur Klasse von 1994 gehörte Benazir Bhutto (von 1988 bis 1990 und von 1993 bis 1996 Pakistans Premierministerin). Zur Klasse von 1995 gehörten Steve Ballmer (CEO von Microsoft) und der spätere EU-Kommissions-Chef Jean-Claude Juncker. In den Klassen von 1997 und 1998 finden sich neben zahlreichen anderen prominenten Namen der verstorbene FDP-Parteivorsitzende und Ex-Minister Guido Westerwelle sowie Amazon-Chef Jeff Bezos.

Die Zielgruppe wird systematisch erweitert

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre nahm Klaus Schwab einige Veränderungen vor. Die Kaderschmiede akzeptierte fortan nicht nur Kandidaten aus Wirtschaft und Politik, sondern auch aus weiteren Bereichen wie Wissenschaft, Medien, Hochadel, Unterhaltung, Sport und aus international aktiven NGO’s. Einige bekannte Namen darunter waren Hollywood-Star Jodie Foster, der Ökonom Richard Werner sowie die deutsche TV-Moderatorin Sandra Maischberger.

2005 erhielt das Forum einen neuen Namen. Ab sofort hieß es „Young Global Leaders“ und rekrutierte nur noch in der Altersgruppe unter achtunddreißig, dafür aber mit doppelter Intensität. Die Formel-1-Größen Nico Rosberg und Michael Schumacher, der siebenfache Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong und Pop-Star Bono wurden ebenso ins Boot geholt wie der gegenwärtige Bundesbankpräsident Jens Weidmann, Deutschlands aktueller Gesundheitsminister Jens Spahn und Frankreichs amtierender Präsident Emmanuel Macron.

2014 wurde der ehemalige deutsche Gesundheits- und Außenminister, FDP-Vorsitzende und Vizekanzler Philip Rösler als Geschäftsführer in die Zentrale nach Genf berufen, wo er bis 2017 als Klaus Schwabs rechte Hand die Fäden zog, bevor er sich in den Dienst des chinesischen Großkonzerns HNA stellte.

Dass Annalena Baerbock, die der Klasse von 2020 angehört, in unseren Tagen systematisch als Kanzlerkandidatin aufgebaut wird, zeigt zum einen, wie groß der Einfluss der „Young Global Leaders“ ist, zum anderen aber auch, wie schnell die Organisation heute auf politische Veränderungen reagiert. Das Programm dauert mittlerweile nämlich fünf Jahre. Sollte Baerbock also tatsächlich den Sprung ins Kanzleramt schaffen, würde sie immerhin noch drei Jahre in der WEF-Ausbildung stecken.

Die Jugend wird immer wichtiger

Wie gut Klaus Schwab in der Lage ist, auf globale Trends einzugehen und sie für sich und seine Klientel zu nutzen, zeigte sich 2012, als er zusätzlich zu den Global Young Leaders die „Global Shapers“ ins Leben rief. Dabei handelt es sich um einen etwas lockereren Verband von voraussichtlichen zukünftigen Führungspersönlichkeiten, die unter dreißig Jahre alt sein müssen und ebenfalls durch regelmäßige Ausbildungsveranstaltungen vom WEF auf ihre zukünftige Rolle an der Spitze der Welt vorbereitet werden.

Angestoßen wurde die Gründung dieser Organisation durch die Ereignisse im Arabischen Frühling im Jahr 2011, dessen Proteste weitgehend von sehr jungen Menschen getragen wurden, und die die Welt deutlich darauf aufmerksam machten, dass die Hälfte der Weltbevölkerung mittlerweile unter 25 Jahre alt ist und die afrikanische Bevölkerung sogar zu 70 Prozent aus unter Dreißigjährigen besteht.

Für die Davoser Elite war damals klar: Dieser demografische Wandel und seine Folgen stellen eine Herausforderung dar, auf die man reagieren und der man taktisch und strategisch begegnen muss. Genau das hat Klaus Schwab mit den „Global Shapers“ getan. Die Organisation enthält mittlerweile rund um den Globus ein riesiges Netzwerk von etwa zehntausend jungen Menschen und ist in 428 Städten in 148 Ländern verankert..

Der „Great Reset“ wurde akribisch vorbereitet

Viele politische Beobachter haben sich darüber gewundert, dass Klaus Schwab, der der Mehrheit der Menschen bis dahin unbekannt war, 2020 auf provokante Weise ins Rampenlicht der Öffentlichkeit getreten ist.

Mit seinem Bekenntnis zum „Great Reset“ und dem gleichnamigen Buch, das es inzwischen zum internationalen Bestseller gebracht hat, eröffnete er der Welt, dass die Corona-Krise in seinen Augen ein „Zeitfenster der Gelegenheit“ („window of opportunity“) bietet, um die Welt von Grund auf neu zu gestalten.

Dass Schwabs Vorgehen keineswegs unüberlegt war, wird deutlich, wenn man sich ansieht, wer genau diesen Reset vornehmen soll. Allein in Deutschland stammen mit Angela Merkel, Annalena Baerbock, Cem Özdemir, Jens Spahn, Philipp Rösler (der heute im Aufsichtsrat der Siemens Healthineers sitzt), Wolfgang Kubicki (dessen Einfluss in der FDP stark gewachsen ist) und Bundesbank-Chef Jens Weidmann zahlreiche an entscheidenden Stellen in Wirtschaft und Politik sitzende Personen aus der Kaderschmiede des WEF.

Bedenkt man dann noch, dass sich im Aufsichtsrat des WEF Leute wie Larry Fink, dessen Firma BlackRock neun Billionen Dollar an Vermögen verwaltet, oder Kristalina Georgiewa, die Chefin des IWF und damit der mächtigsten globalen Finanzorganisation, sitzen, dann weiß man: Der Great Reset wird auch weiterhin mit aller Macht vorangetrieben werden, und Klaus Schwab wird auch in Zukunft seine Rolle spielen – als im Hintergrund agierender Strippenzieher und graue Eminenz der globalen Elite.

                                                                            ***

Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.


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