Politik

Russland: Wohin führt der Weg?

Unser DWN-Magazin feiert Jubiläum: In Kürze erscheint die einhundertste Ausgabe. Wir als Redaktion haben lange diskutiert, welcher Schwerpunkt diesem Anlass angemessen sei. Entschieden haben wir uns schließlich für das Thema: "Russland - Großmacht am Scheideweg".
22.11.2021 14:00
Lesezeit: 3 min
 Russland: Wohin führt der Weg?
Welche Richtung wird die Großmacht Russland einschlagen? (Foto: Pixabay)

Die Gründe für unseren Entschluss? Zum einen ist das Thema aus generellen Erwägungen heraus wichtig: Schließlich ist das Riesenreich immer noch eine Großmacht (oder vielleicht sogar eine Weltmacht? Sie sehen schon: Über Russland lässt sich trefflich debattieren). Zum anderen, weil im September die Parlamentswahlen stattfanden. Ihr bemerkenswerter Ausgang – die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Wladimir Putin "Einiges Russland" holte erneut die absolute Mehrheit, musste allerdings Stimmverluste hinnehmen, während vor allem die Kommunisten starke Gewinne verzeichneten – könnte die Geschicke des Landes in den nächsten vier Jahren erheblich beeinflussen. Warum könnte und nicht wird? Weil niemand weiß, wie sich die Opposition verhalten wird: Weiter regierungstreu oder auch mal kritisch?

Wie die Bevölkerung die neue alte Regierung sehen wird – passiv-zustimmend oder doch zunehmend kritisch – wird vor allem davon abhängen, wie sich die russische Wirtschaft entwickeln wird. Wer durch die Innenstadt von Moskau streift, kann sich nur wundern über den gewaltigen Reichtum: die großen Limousinen, die mit Luxusartikeln aller Art überquellenden Kaufhäuser und die mit edlem Schmuck behängten jungen Damen. Wohl niemand hätte sich Ende der 80er Jahre vorstellen können, dass das damals schmuddelige und heruntergekommene Zentrum des Weltkommunismus 30 Jahre später auf einer ähnlichen Stufe wie Manhattan und Monaco stehen würde. Aber: Weite Teile der Bevölkerung haben von diesem Reichtum überhaupt nichts, im Gegenteil: Der Lebensstandard der durchschnittlichen Russen ist seit einigen Jahren stetig im Sinken begriffen; besonders auf dem Lande erwecken viele Dörfer und Kleinstädte den Anschein, als würde die Sowjetunion heute noch existieren. Die Aufgabe der Putin-Regierung ist es, die Abhängigkeit Russlands von Öl und Gas zu verringern, den Mittelstand zu fördern, die Korruption einzudämmen. Kann – und will – sie sich dieser Herausforderung stellen?

Mit Herausforderungen sieht sich Moskau aber auch in der außenpolitischen Arena konfrontiert. Die derzeit wohl größte: die Ukraine-Krise, der wir einen eigenen Artikel gewidmet haben. Langfristig gesehen wird die Zukunft Russland aber weniger von den Ereignissen an seiner südwestlichen Flanke entschieden als von seinem Verhältnis zu China, das eine globale Führungsrolle anstrebt. Sollte der Kreml eine Partnerschaft mit Peking eingehen – in der ihm dann allerdings aller Voraussicht nach nur die Rolle des Juniors zufallen würde? Oder sollte er lieber Anschluss an den Westen suchen, nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass eben dieser Westen heute viel weniger von den sich im Abschwung befindlichen USA dominiert wird, als dies früher der Fall war?

Die Russen sind ein Volk, das in seiner Geschichte unendlich viel Schreckliches erlitten hat. Das aber dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – eine wundervolle Kultur erschuf, das Dichter wie Tolstoi und Dostojewski, Komponisten wie Tschaikowski und Stravinsky sowie Maler wie Kandinsky und Jawlensky hervorbrachte. DWN-Autor Ronald Barazon war vor dem Zusammenbruch der Sowjet-Union und in den 90er Jahren Auslandskorrespondent in Russland, und bis heute zieht es ihn immer wieder an seine alte Wirkungsstätte zurück. Mit welchem Wort er seine Gefühle beschreibt, wenn er an Moskau, Leningrad, die Wolga und Sibirien denkt? Mit „Heimweh“ – obwohl er doch Österreicher ist und schon viele Jahre in Wien lebt. Warum das so ist, beschreibt er in einem einfühlsamen und sehr persönlich gehaltenen Artikel.

Russland verdient es, den Schwerpunkt der Jubiläumsausgabe des DWN-Magazins zu bilden. Folgen Sie uns – auf eine informative und faszinierende Reise gen Osten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Föderale Modernisierungsagenda: 200-Punkte-Programm für Bürokratieabbau – ist das der große Wurf?
28.12.2025

Bund und Länder haben ein Paket beschlossen, das den Staat schlanker und schneller machen soll. Über 200 Maßnahmen zielen auf Bürger,...

DWN
Politik
Politik Steuern, Deutschlandticket, Musterung – die Änderungen 2026 im Überblick
27.12.2025

2026 bringt spürbare Änderungen bei Lohn, Rente, Steuern und Alltag. Manche Neuerungen entlasten, andere verteuern Mobilität oder...

DWN
Panorama
Panorama Keine Monster, keine Aliens: Prophezeiungen für 2025 erneut widerlegt
27.12.2025

Düstere Visionen und spektakuläre Vorhersagen sorgen jedes Jahr für Schlagzeilen – doch mit der Realität haben sie meist wenig zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Mail-Betrug im Mittelstand: Die unterschätzte Gefahr im Posteingang – und welche Maßnahmen schützen
27.12.2025

E-Mail-Betrug verursacht im Mittelstand mehr Schäden als Ransomware. Stoïk, ein auf Cybersecurity spezialisiertes Unternehmen, zeigt,...

DWN
Technologie
Technologie China überholt Europa: Wie europäische Energieprojekte den Aufstieg befeuerten
27.12.2025

Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zum Aufbau der chinesischen Industrie beigetragen, ohne die langfristigen Folgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hoffnung auf den Aufschwung: Kann 2026 die Wirtschaftswende bringen?
27.12.2025

Nach mehreren Jahren der Stagnation und anhaltend schlechter Stimmung in vielen Branchen richtet sich der Blick der deutschen Wirtschaft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelspolitik ist von Unsicherheit geprägt: Experten erwarten weniger Investitionen
27.12.2025

Die Unsicherheiten in der Handelspolitik lassen die Investitionen schrumpfen und führen zu Wachstumsverlusten. Zölle schaden der...

DWN
Finanzen
Finanzen KI-Blase: Warum der Hype um die Nvidia und Co. gefährlich werden könnte
27.12.2025

Die weltweite Euphorie rund um künstliche Intelligenz treibt Aktien wie Nvidia und Microsoft in immer neue Höhen und heizt die Diskussion...