Deutschland

Spahn und RKI fordern massive neue Corona-Maßnahmen

Das Robert-Koch-Institut meldet erneut Rekordwerte, und sein Präsident Wieler sowie Gesundheitsminister Spahn fordern massive Corona-Maßnahmen.
26.11.2021 15:36
Aktualisiert: 26.11.2021 15:36
Lesezeit: 3 min

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fordert angesichts der rasanten Corona-Ausbreitung massive Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung. Je länger man damit warte, desto einschneidender würden die Maßnahmen in einigen Wochen ausfallen müssen, warnte der geschäftsführende Minister am Freitag in Berlin.

Spahn vermied den Begriff Lockdown, machte aber deutlich, dass es dann drastische Kontaktbeschränkungen geben müsse. Weihnachtsmärkte etwa passten nicht zur der dramatischen Lage. "Es ist mittlerweile halb eins, aber der Weckruf ist noch nicht überall angekommen", sagte der CDU-Politiker. Er verwies auch darauf, dass die Luftwaffe bereits bis zu 100 Corona-Intensivpatienten aus überlasteten Krankenhäusern in andere Kliniken verlege.

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, appellierte, jetzt alles zu tun, um die vierte Welle zu brechen. Für zusätzliche Dramatik sorgte eine in Südafrika entdeckte Virus-Variante. Deutschland und zahlreiche andere Staaten schränkten den Flugverkehr aus der Region ein. Die Börsen reagierten verunsichert. Der Dax brach zeitweise um rund vier Prozent ein, so stark wie zuletzt beim Börsencrash zu Beginn der Pandemie im März 2020.

Mehr zum Thema: Neue Corona-Variante aus Südafrika ist offenbar Problem für Geimpfte

Das RKI verzeichnete am Freitag erneut Höchstwerte sowohl bei den Neuinfektionen als auch bei der Sieben-Tage-Inzidenz. Das RKI registrierte 76.414 neue Ansteckungsfälle binnen 24 Stunden. Das sind 23.444 mehr als am Freitag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg weiter auf 438,2 von 419,7 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 357 weitere Menschen starben mit oder an dem Coronavirus.

Sehr hohe Infektionszahlen gibt es weiter vor allem im Süden und Osten Deutschlands. In Sachsen stieg die Inzidenz deutlich auf 1192,8. Dann folgen Thüringen mit 805,7 und Sachsen-Anhalt mit 686,6. Brandenburg verzeichnet einen Wert von 663,6 und Bayern von 652,5.

Angesichts dieser Zahlen mahnte Wieler einen entschlossenen und gemeinsamen Kampf in Deutschland gegen die Corona-Pandemie an. "Wie viele Menschen müssen denn noch sterben?" fragte er. "Was muss denn noch geschehen", damit alle daran mitwirken, das Virus zu bekämpfen?"

Die Lage erhielt zusätzliche Brisanz durch eine in Südafrika entdeckte Virus-Variante, die laut Wieler bereits 80 Mutationen aufweise. Deutschland und die Europäische Union wollen sich deshalb mit Flugverboten und der Einstufung als Virusvariantengebiet gegen die Ausbreitung der neuen Coronavirus-Variante wappnen. Die EU-Kommission erwäge den Flugverkehr aus dem südlichen Afrika aufgrund der besorgniserregenden Variante B.1.1.529 einzustellen, twitterte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Deutschland wird Südafrika und eventuell Nachbarländer heute zum Virusvariantengebiet erklären. In Asien kündigten Singapur und Indien strengere Grenzkontrollen und strengere Corona-Tests an. Laut Wieler ist in Deutschland noch kein Fall der Variante festgestellt worden. Er sei aber sehr besorgt, weil man noch nicht wissen, ob die bisherigen Immunisierungen gegen B.1.1.529 helfen würden.

SPAHN ATTACKIERT AMPEL-PARTEIEN UND SCHOLZ

Spahn griff die Ampel-Parteien SPD, Grünen und FDP als zu zögerlich in der Pandemie-Bekämpfung an, forderte aber auch von Ländern und Kommunen eine konsequentere Umsetzung der möglichen Corona-Maßnahmen. Der von der Ampel angekündigte neue Krisenstab würde die Pandemie nicht stoppen, es gebe auch ausreichende wissenschaftliche Erkenntnis und Gremien zur Bund-Länder-Abstimmung, sagte er. Es brauche jetzt vielmehr "politische Verantwortungsübernahme" für Entscheidungen. "Wir haben alle Daten, um sachgerecht zu entscheiden", sagte RKI-Chef Wieler.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte von der künftigen Regierung sofortiges Handeln. "Bei Corona wird es keine 100-Tage-Schonfrist geben, wir haben nicht einmal 100 Stunden", sagte der CSU-Chef. "Wenn es keine bundeseinheitliche Regelung gibt, dann wird Land unter sein vor Weihnachten. Und zwar auch mit erheblicher Lebensgefahr. Wie Spahn forderte auch Söder eine sofortige Ministerpräsidentenkonferenz. Zudem müsse die SPD sehr schnell sagen, wer neuer Gesundheitsminister werden soll. Söder fordert zudem erneut eine allgemeine Corona-Impflicht. Eigentlich sei sie bereits zum 1. Januar nötig, sagte er.

Spahn kritisierte hingegen die Debatte über eine Impfpflicht. "Wir haben jetzt eine Woche lang jeden Tag hoch und runter eine Impfpflicht diskutiert", sagte er. "Das kann man alles machen, aber das ist nicht das Thema dieser Tage." Das Thema sei vielmehr, "wie wir diese Welle brechen". Allerdings bereite sein Ministerium mit den Ampel-Parteien einen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht für Personal in bestimmten Einrichtungen wie Pflegeheime vor. Der Bund stelle innerhalb von zehn Tagen 18 Millionen Impfdosen zur Verfügung.

In Deutschland wächst einer Umfrage zufolge die Zustimmung der Bevölkerung zu einer Impfpflicht. 69 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass sich alle gegen Covid-19 impfen lassen müssen, wie eine Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer ergibt. Fast zwei Drittel (63 Prozent) der Deutschen sind laut Politbarometer zugleich der Auffassung, dass nicht genug für den Schutz gegen das Virus getan werde.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Lawrow bringt Nichtangriffsgarantie für Europa ins Spiel
29.10.2025

Russlands Krieg in der Ukraine erschüttert die Sicherheit Europas, die Zeichen stehen auf Aufrüstung. Nun fällt bei Außenminister...

DWN
Politik
Politik Gegengewicht zu China: Japan und USA stärken Allianz
28.10.2025

Die USA bleiben Japans Schutzmacht. Bei einem Gipfeltreffen in Tokio kündigen beide Länder eine weitere Vertiefung ihrer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Einkaufsmanagerindex Deutschland: Das Comeback der Wirtschaft hat eine gefährliche Schwachstelle
28.10.2025

Die deutsche Wirtschaft wächst so stark wie seit Jahren nicht mehr – doch der Aufschwung hat Schattenseiten. Während Dienstleistungen...

DWN
Finanzen
Finanzen Überbewertete KI-Aktien: Auf neue Sektoren setzen
28.10.2025

Rekorde an den Börsen, Gold fällt, und Investoren ziehen sich aus überbewerteten KI-Aktien zurück. Wall-Street-Veteranen sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen PayPal-Aktie hebt ab: Kooperation mit OpenAI und starke Quartalszahlen sorgen für Kursfeuerwerk
28.10.2025

Die PayPal-Aktie erlebt derzeit ein beeindruckendes Comeback. Nach Bekanntgabe einer Kooperation mit dem KI-Unternehmen OpenAI und der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tipico verkauft: Milliarden-Deal stärkt Sportwettenmarkt
28.10.2025

Tipico, einer der größten Sportwettenanbieter Deutschlands, wechselt für Milliarden den Besitzer. Der französische Konzern Banijay...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutsche sparen weniger: International aber weit vorn
28.10.2025

Knapp 270 Euro im Monat legen Privathaushalte in Deutschland im Schnitt zurück. Damit sinkt die Sparquote gegenüber dem vergangenen Jahr....

DWN
Finanzen
Finanzen Europas Rüstungsindustrie überholt die USA: Boom bei Verteidigungsausgaben lässt Rüstungsaktien steigen
28.10.2025

Europas Rüstungsindustrie wächst rasant, angetrieben von höheren Verteidigungsausgaben und neuen EU-Investitionsprogrammen. Besonders...