Schon zum allerersten „Miss America“-Wettbewerb sollen rund 100 000 Zuschauer auf die hölzerne Promenade vor Atlantic City geströmt sein. Vereinzelte Schönheitswettbewerbe hatten in den Jahren zuvor für Furore gesorgt und so taten sich Unternehmerverbände und Lokalzeitungen in dem Ostküsten-Badeort zusammen, um etwas Ähnliches zu organisieren - und damit Touristen zu bespaßen und vielleicht noch ein paar Tage länger im Ort zu halten. Die Krone gewann schließlich die damals 16-jährige Margaret Gorman: Am 8. September 1921 wurde sie zur „Goldenen Meerjungfrau“ und ersten „Miss America“ gekrönt.
Seitdem ist das Spektakel zum festen Bestandteil der amerikanischen Populärkultur geworden - geliebt von vielen, aber auch verabscheut von vielen, allen voran der ersten „Miss America“ selbst: „Ich wollte nie ,Miss America‘ sein, das war nicht meine Idee“, soll die 1995 gestorbene Gorman einmal gesagt haben. „Ich bin davon so gelangweilt. Ich möchte das Ganze wirklich am liebsten vergessen.“ Aber der Wettbewerb hielt sich, auch im Kampf gegen Konkurrenz wie die später gestartete „Miss USA“, „Miss Universe“ und zahlreiche nationale Veranstaltungen weltweit, etwa „Miss Germany“ - und geht am kommenden Donnerstag (16. Dezember, Ortszeit/17. Dezember, 2.00 Uhr MEZ) nun im 100. Jahr mit 51 Teilnehmerinnen über die Bühne.
Über die Jahrzehnte hat sich das Spektakel stark verändert - vor allem auch mit dem Aufkommen des Fernsehens und später des Internets. Anfangs waren nur weiße Teilnehmerinnen zugelassen. 1945 gewann mit Bess Myerson erstmals eine jüdische Teilnehmerin den Titel. Vor allem seit den 60er Jahren protestierten immer wieder Frauenbewegungen gegen die ihrer Ansicht nach sexistische und frauenfeindliche Veranstaltung. 1983 gewann mit Vanessa Williams erstmals eine Afro-Amerikanerin, 2014 mit Nina Davuluri erstmals eine indisch-stämmige Amerikanerin. 2019 wurde „Miss Virginia“ Camille Schrier zur „Miss America“ gekrönt - wegen der Coronavirus-Pandemie wurde die Veranstaltung im folgenden Jahr abgesagt und Schrier durfte weitere zwölf Monate amtieren.
„Miss America“ sei „eine mächtige kulturelle Institution, die im vergangenen Jahrhundert viel über eine sich verändernde Nation offenbart hat“, urteilt der US-Rundfunk PBS. „Die zunehmende Macht des Images, den Aufstieg des Kommerz, die Komplexität vom Zusammenspiel der Geschlechter, die wichtige Rolle der großen Unternehmen und die Emotionalität der Kleinstädte. Es geht hier um Gewinner und Verlierer, vorwärts kommen, dabei sein und außen vor sein.“ Auch in vielen Filmen und Songs kommt „Miss America“ vor, mit am bekanntesten ist wohl der langjährige Titelsong „There She Is, Miss America“ („Da ist sie, Miss America“).
Zum 100. Geburtstag will sich die vor einigen Jahren in den Bundesstaat Connecticut umgezogene Veranstaltung nun nach viel Kritik in den vergangenen Jahrzehnten modern und verändert präsentieren. Die Präsentation der Talente und Begabungen der Teilnehmerinnen wurde aufgewertet, die besonders stark kritisierte Badeanzug-Präsentation schon vor einer Weile abgeschafft. Das sei der „ehrlichste Teil der Veranstaltung“ gewesen, hatte die Frauenrechtlerin Gloria Steinem einmal gesagt. „Denn es geht ja wirklich um Körper - es geht darum, Frauen als Objekte zu begutachten.“
Inzwischen gehe es aber längst um etwas anderes, betont Veranstaltungschefin Shantel Krebs. „,Miss America‘ ist mehr als ein Titel. Es ist eine Bewegung zur Ermächtigung junger Frauen überall, damit sie große Träume haben und ihre Stimmen hören lassen können, um Veränderung in die Welt zu bringen. Selbstverständlich trägt die ,Miss America‘ eine Krone - denn sie herrscht.“