Deutschland

Innenminister werden nicht-angemeldete Corona-Demos nicht mehr dulden

Lesezeit: 2 min
28.01.2022 13:31  Aktualisiert: 28.01.2022 13:31
Wer bei einer angemeldeten Demonstration gegen Anti-Corona-Maßnahmen protestiert, hat dazu jedes Recht, betonen die Innenminister. Unangemeldete Protestkundgebungen werde man aber grundsätzlich nicht dulden. Schon gar nicht vor den Häusern von Politikern.
Innenminister werden nicht-angemeldete Corona-Demos nicht mehr dulden
Boris Pistorius, (SPD, l-r) Innenminister von Niedersachsen, Nancy Faeser, (SPD) Bundesministerin für Inneres und Heimat, Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, und Joachim Herrmann, (CSU) Innenminister von Bayern, stehen vor Beginn eines Treffens der Innenminister im Innenministerium in Stuttgart zusammen. (Foto: dpa)
Foto: Bernd Weißbrod

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Mit großer Sorge blicken die Innenminister von Bund und Ländern auf aktuelle Entwicklungen in der Corona-Protest-Szene. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sieht hier unter anderem die AfD als einen Faktor, der zur Radikalisierung beiträgt. „Sie ist ganz eindeutig eine Gefahr für diese Demokratie“, sagte der SPD-Politiker am Freitag bei einem Innenministertreffen in Stuttgart.

Die Partei versuche, Kapital aus der Corona-Krise zu schlagen, „indem ihre Ortsverbände diese organisierten nicht-angemeldeten Versammlungen auf den Weg bringen, teilweise sind es örtliche Abgeordnete, die das tun“, kritisierte Pistorius. In Niedersachsen seien die Teilnehmerzahlen bei Corona-Protesten zwar geringer als in manchen anderen Bundesländern, allerdings sei eine „Zunahme von verbaler Aggression und Übergriffen“ festzustellen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte mit Blick auf das Protestgeschehen: „Es ist in der Tat so, dass es zunimmt, und was auch zunimmt, sind die rechtsextremistischen Lagen vor Ort.“ Unter den Protestierenden seien Verschwörungstheoretiker, aber auch Menschen, die gegen eine Impfpflicht seien, „und das ist ja auch ihr gutes Recht“. Allerdings sei zu beobachten, dass Rechtsextremisten den Unmut immer stärker für ihre Zwecke missbrauchten. Es gehe um ein „Aufbegehren gegen den Staat“. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) betonte: „Anständige Staatsbürger beteiligen sich nicht an verbotenen Demonstrationen.“

Strikt verurteilten die Innenminister Kundgebungen vor den Häusern von Ministerinnen oder Kommunalpolitikern. Auf der Tagesordnung ihres Treffens in Stuttgart stand auch die Frage nach einer Strategie gegen Aufrufe zu Mord und Gewalt, die über Telegram verbreitet werden. Faeser sagte, sie sehe bei Google und Apple Bereitschaft, gegen Gewaltaufrufe in Telegram-Gruppen vorzugehen. Ihr Ministerium habe festgestellt, dass insbesondere Google da „sehr kooperativ“ sei. Bei den Gesprächen mit den beiden Unternehmen gehe es um eine Kooperation „damit die Inhalte gelöscht werden“. Weitere Details wollte sie nicht nennen.

Faeser und die Innenminister der SPD-geführten Landesregierungen hatten nach einem Treffen am 19. Januar erklärt, sie wollten Apple und Google wegen Gewaltaufrufen und Hetze in Telegram-Gruppen auffordern, die App aus ihrem Angebot zu verbannen. Davon war in Stuttgart jetzt nicht mehr die Rede.

Einig waren sich die Innenminister in dem Bestreben, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) stärker an der Bewältigung von Naturkatastrophen, Cyberangriffen auf die kritische Infrastruktur und anderen Krisenlagen zu beteiligen. Bisher sind die Aufgaben so verteilt, dass sich Länder und Kommunen um den Katastrophenschutz in Friedenszeiten kümmern, während der Bund Vorkehrungen für den Schutz der Bevölkerung im Fall eines militärischen Angriffs trifft. Diese strikte Trennung erscheint vielen Politikern inzwischen überholt, weshalb inzwischen Vorbereitungen für die Einrichtungen eines gemeinsamen Kompetenzzentrums von Bund und Ländern laufen.

Man müsse sich für die Zukunft „auf deutliche komplexere und bedrohlichere Gefahrenlagen einstellen“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). „Wir müssen jetzt aus den bisherigen Erfahrungen die richtigen Schlüsse ziehen“, fügte er hinzu. Als ein Beispiel nannte er das verheerende Hochwasser vom vergangenen Juli, von dem vor allem Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen betroffen gewesen waren.

Damals starben mehr als 180 Menschen, als sich kleine Flüsse und Bäche nach Starkregen in reißende Fluten verwandelten. Nach der Katastrophe kam die Frage auf, warum die Bevölkerung vor der drohenden Gefahr mancherorts wohl nicht früh und ausreichend gewarnt worden war. Mit Bezug auf den Kreis Ahrweiler beschäftigt das inzwischen auch die Staatsanwaltschaft Koblenz.

Bei dem Treffen in Stuttgart wurde der Vorsitz der Innenministerkonferenz turnusgemäß von Baden-Württemberg an Bayern übergeben. Herrmann kündigte an, man wolle Anfang Juni in Würzburg und Ende November in München zusammenkommen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Robert Habeck sollte endlich die Kehrtwende vollziehen - im Heizungskeller Deutschlands
03.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Indische Arbeitskräfte im Fokus: Deutschland öffnet die Türen für Fachkräfte
03.05.2024

Die Bundesregierung strebt an, einen bedeutenden Anteil der indischen Bevölkerung nach Deutschland zu holen, um hier zu arbeiten. Viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie lege ich mein Geld an – wichtige Tipps für Anfänger
03.05.2024

Die Tipps zur Geldanlage können wirklich spannend sein, besonders wenn es darum geht, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen und eine...