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Marc Friedrich: Wie wir durch unseren energiepolitischen Sonderweg unsere Zukunft verspielen

Lesezeit: 8 min
13.02.2022 08:13  Aktualisiert: 13.02.2022 08:13
Marc Friedrich analysiert Deutschlands Energiepolitik.
Marc Friedrich: Wie wir durch unseren energiepolitischen Sonderweg unsere Zukunft verspielen
Eine Projektion der Umweltschutzorganisation "Greenpeace" erstrahlt auf dem Atomkraftwerk "Grohnde". Nach rund 36 Jahren ist das AKW im Weserbergland bei Hameln am 31. Dezember 2021 endgültig vom Netz genommen worden. (Foto: dpa)
Foto: Julian Stratenschulte

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Deutschlands Energiepolitik ist die dümmste der Welt: Das sage nicht nur ich, das sagt auch das Wall Street Journal. Deutlich spiegelt sich die überhastete und ideologisch aufgeladene Energiepolitik vor allem in den rasant steigenden Strompreisen. Aktuell zahlen wir Verbraucher 0,346 Cent pro kWh, das entspricht dem höchsten Strompreis der Welt. Wobei die Tendenz weiter steigend ist, denn mit Ende des Jahres 2021 wurden in Deutschland zusätzlich noch drei der letzten sechs Atomkraftwerke sowie einige Kohlekraftwerke im Zuge der übereilten Energiewende abgeschaltet, was die Gesamtsituation weiter verschärft. Parallel hat sich der Gaspreis vervierfacht, und die deutschen Gasspeicher befinden sich auf einem Tiefstand. Zusätzlich wurde die Gaspipeline Nordstream 2 vorläufig auf Eis gelegt, und die Bundesregierung liefert sich gefährliche Wortgefechte mit Russland - demjenigen Lieferanten, von dem man größtenteils abhängig ist. Also alles in einem: Es läuft ziemlich suboptimal.

Der Chef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Prof. Dr. Stefan Kooths, attestiert der Politik ebenfalls krasses Versagen und dass sich die Akteure in die eigene Tasche lügen - all das natürlich auf unsere Kosten. Nicht nur wird auf diese Weise die Versorgungssicherheit unseres Landes gefährdet, sondern auch seine Wettbewerbsfähigkeit.

Die Energiewende – eine kostspielige Fehlentscheidung

„Die Dummheit von Regierungen sollte niemals unterschätzt werden.“

Helmut Schmidt, ehemaliger Bundeskanzler

Die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder beschloss im Jahr 2000 den Atomausstieg. CDU-Kanzlerin Angela Merkel revidierte das 2010 und verlängerte die Laufzeiten der Kernkraftwerke, das heißt, sie besiegelte damit zunächst den Ausstieg aus dem Ausstieg. Nachdem am 11. März 2011 das Kernkraftwerk Fukushima in Japan durch ein Erdbeben und einen Tsunami teilweise zerstört worden war und es zu einer Nuklearkatastrophe gekommen war, stellte fast die gesamte Welt die Atomenergie in Frage. Viele Reaktoren wurden vorübergehend stillgelegt. Auch in Deutschland stellte man sich die Frage nach einem Atomausstieg nun wieder vermehrt.

Zwei Wochen nach dem Unglück waren in meinem Heimat-Bundesland Baden-Württemberg Landtagswahlen, und das Thema Atomausstieg war, neben Stuttgart 21, das bestimmende Thema schlechthin. Als es dann auch noch zu einem historischen Regierungswechsel in Baden-Württemberg zu Rot-Grün kam, die Grünen den Ministerpräsidenten stellten und entgegen allen Erwartungen die CDU nicht stärkste Kraft im Ländle blieb, herrschte in der Bundesregierung pure Panik. In einer Hauruckaktion verkündete Merkel am 30. Juni 2011 völlig überstürzt den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg …

Schon jetzt ist es Fakt, dass dies eine weitere historische Fehlentscheidung unserer Politiker war. Die Kritik wird von allen Seiten immer lauter – Bürger, Unternehmen und Verbände, aber auch der Bundesrechnungshof hält mit deutlichen Worten nicht hinter dem Berg: Die Energiewende werde schlecht koordiniert und gesteuert, entscheidende Verbesserungen seien „unumgänglich“, heißt es in einem Prüfbericht der Finanzkontrolleure. In den letzten fünf Jahren seien dafür mindestens 160 Milliarden Euro aufgewendet worden, das heißt: „Steigen die Kosten der Energiewende weiter und werden ihre Ziele weiterhin verfehlt, besteht das Risiko des Vertrauensverlustes in die Fähigkeit von Regierungshandeln.“

Die chaotische Energiewende kostet uns Bürger bis zum Jahr 2025 laut Institut für Wettbewerbsökonomie an der Universität Düsseldorf 520 Milliarden Euro - zunächst mal! Das Wirtschaftsministerium ging letztes Jahr von Gesamtkosten in Höhe von, man höre und staune, einer Billion Euro bis Ende 2030 aus. Das sind pro Bundesbürger rund 10.000 Euro. Wobei klar ist, wer dafür aufkommt: Ja natürlich, wir, die Bürger.

Hinzu kommen noch die stetig steigenden Energiekosten - schon jetzt sind es die höchsten weltweit! Die Strompreise bei unserem atomaren Nachbarn in Frankreich sind rund 50 Prozent günstiger. Dafür sind wir abhängiger von russischem Gas geworden – und jetzt halten Sie sich fest: von französischem Strom - welch Ironie des Schicksals (lol).

Fakt ist: Die Energiewende ist purer Aktionismus, sie verläuft völlig chaotisch, ist eine teure Angelegenheit, und es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass sie nicht nachhaltig ist und sogar unsere Energieversorgung gefährdet: Immer öfter kommt es zu Netzausfällen, und die Gefahr für einen Blackout nimmt zu. In anderen Ländern ist Gleiches zu beobachten, und immerhin: erste Maßnahmen, um gegenzusteuern, finden dort bereits statt. Dass unsere Regierung nun eine Kehrtwende macht, darf allerdings bezweifelt werden. Zu sehr hat man sich auf das neue Narrativ eingeschossen. Jetzt stellt sich die Frage: Wie konnte es soweit kommen?

Die energetische Zeitenwende

Weltweit haben sich die Staaten und selbst die Notenbanken zu einer Abkehr von fossilen Energieträgern sowie der massiven Reduzierung der Treibhausgase verpflichtet, um die Klimaerwärmung zu stoppen. Weiterhin haben sich insgesamt 195 Staaten beim Pariser Klimaabkommen von 2015 darauf geeinigt, dass die Erderwärmung bis 2050 bei unter zwei Grad gestoppt werden soll, möglichst sogar bei 1,5 Grad, gemessen jeweils an den Zuständen in vorindustrieller Zeit. Dieser Vertrag soll alle fünf Jahre nachjustiert werden. Die EU hat sich besonders

ambitionierte Ziele gesteckt. Obwohl sie bis dato bei fast jeder Krise versagt hat, schwingt sie sich nun auf, das Klima zu retten. Unter der zwar nicht zur Wahl aufgestellten und auch nicht gewählten, aber trotzdem ernannten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will das Staatenbündnis mit Hilfe des Green Deals die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null reduzieren und damit der erste klimaneutrale Kontinent werden. Zuletzt hat die EU ihre Klimaziele gar weiter verschärft. Sie möchte die Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent senken statt bisher um 40 Prozent (im Vergleich zu 1990). Hierzu werden auch Gelder aus dem 750 Milliarden Euro schweren Corona-Aufbaufonds verwendet. Insgesamt sollen 30 Prozent des Topfs dazu genutzt werden, um die Klimaziele zu erreichen.

Damit wir den CO2-Ausstoß reduzieren und die Pariser Klimaziele bis 2050 erreichen, benötigt die Welt saubere Energie. Bei sauberer Energie denkt man zuerst an klimaneutrale, erneuerbare Energien (Wasser, Wind, Sonne und Geothermie). Doch auch hierfür werden zuerst fossile Energien und klimaschädliche Ressourcen benötigt und verwendet. Dies muss in der Klimabilanz berücksichtigt werden. So haben Photovoltaik-Anlagen nach circa drei Jahren eine ausgeglichene Energiebilanz - lediglich oder schon, je nach Sichtweise.

Der Anteil an regenerativen Energien am Strommix in Deutschland steigt immer weiter. Im ersten Halbjahr 2020 lag der Anteil bei einem Rekordwert von 55,8 Prozent. Im windreichen Februar 2020 waren es sogar 61,8 Prozent! Auf das Gesamtjahr bezogen, waren es 47 Prozent. Das Jahr 2021 war dann äußerst windarm, und die Quote fiel auf 43 Prozent zurück.

Der Nachteil der alternativen Energielieferanten ist allerdings offenkundig: Die damit gewonnenen Energiemengen hängen von den Sonnenschein- und Windverhältnissen ab und lassen sich kaum bedarfsgerecht speichern. Das Aufkommen ist zwar kurzfristig einigermaßen vorhersehbar, aber es ist nicht nach Belieben steuerbar.

Das Speicherproblem

Was tun also bei Nacht und bei einer Flaute – also dann, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht? Deutschland verfügt momentan über circa 30.000 Windräder. Aber sie liefern bei Windstille keinen Strom! Auch wenn sich die Anzahl an Windrädern verdoppeln oder sogar verdreifachen würde, würde sich daran nichts ändern: Auch 60.000 oder 90.000 Windräder mit null Wind ergeben null Stromausbeute. Dasselbe gilt für die Solarenergie: Ohne Sonne kein Strom!

Leider ist es unmöglich, Pufferkapazitäten zu bilden. Dafür, wie an sonnenreichen und an windigen Tagen die überschüssige Energie zwischengespeichert werden kann, fehlt noch eine nachhaltige Lösung. Das heißt, Deutschland muss an windreichen Tagen Überkapazitäten ans Ausland verschenken oder sogar den Abnehmer dafür bezahlen, dass der Strom abgenommen wird, sonst würde das Netz zusammenbrechen. Doch wenn Flaute herrscht, muss Deutschland, um die Grundlastfähigkeit zu erhalten, teuren Strom aus fossilen oder nuklearen Energiequellen aus dem Ausland (Polen, Tschechien, Frankreich) einkaufen. Das ist natürlich komplett irrational - und wird in der Ökobilanz nicht berücksichtigt.

Zum Verständnis: Die Grundlastfähigkeit ist das Minimum an Elektrizität, die benötigt wird, um die Stromversorgung kontinuierlich und zuverlässig zu sichern. Dabei wird die niedrigste Tagesbelastung eines Stromnetzes herangezogen. Zur Deckung der Grundlast werden jene Technologien verwendet, die die betreffende Leistung konstant liefern können. Es handelt sich dabei vor allem um Atom-, Kohle-, Gas- und Ölkraftwerke. Nicht grundlastfähig sind wegen der schwankenden Produktionsmengen Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Die einzige grundlastfähige Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien können Wasserkraftwerk garantieren – aber Wasserkraft steht nicht überall zur Verfügung, und der Bau eines solchen Kraftwerkes ist mit einem massiven Eingriff in die Natur verbunden.

Aktuell gibt es nur eine wirtschaftliche Lösung, um Strom aus Sonne und Wind zu speichern: Pumpspeicher. Allerdings besteht hier nur ein begrenztes Ausbaupotenzial. Aus diesem Grund wird an alternativen Speichertechnologien geforscht, zum Beispiel an Druckluftspeichern; an „Power-to-Gas-Technologie“, bei der Wasser mittels Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt wird; und an Batterien als Speichermedien. Bei all diesen Ansätzen besteht aber noch ein erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf, bevor sie in der Praxis in größerem Umfang einsatzfähig sind. Dies kann noch Jahre oder gar Jahrzehnte dauern.

Die Elektrowelle

Durch die Elektrifizierung des Autos steigt der Strombedarf zusätzlich. Immer mehr Staaten verbannen den Verbrenner-Motor - der Verkauf soll mittelfristig verboten werden, um die strikten Klimaziele zu erreichen:

Auch das Autoland Japan will bis 2035 alle „Stinker“ von der Straße verbannen und den Ottomotor verbieten.

Das Elektroauto scheint momentan die Antwort zu sein, wenn es um die Mobilität der Zukunft geht. Meiner Meinung ist das Ende aber noch offen. Weder ist eine ausreichende Lade-Infrastruktur vorhanden noch genügend Strom (vor allem nachhaltiger Strom), um die Welt elektrisch zu bewegen. Für den Bau und Betrieb eines ökologisch korrekten Autos sind darüber hinaus viele seltene Erden notwendig, die nicht nur die Gesamt-Ökobilanz des Fahrzeugs verhageln, sondern von denen auch lediglich endliche Ressourcen vorhanden sind - was geschieht, wenn sie vollständig abgebaut sind? Übrigens: Das E-Auto muss mindestens acht Jahre gefahren werden, bis es klimaneutral ist. Marktführer und Vorreiter ist Elon Musks Firma Tesla, welche aktuell an der Börse mehr wert ist, als alle anderen Autobauer zusammen - wie reell ist solch ein Börsenwert?

All diese Entwicklungen haben zu einem Umdenken bei den alteingesessenen Autoherstellern geführt und zeigen die gewaltige Transformation, in der sich eine der wichtigsten deutschen Schlüsselindustrien - und damit auch Deutschland als Wirtschaftsstandort - befindet. Daimler, Porsche, Opel, Audi und Volkswagen sind dabei, ihr Angebot in einer milliardenschweren Kraftanstrengung komplett umzukrempeln. So will VW bis 2025 komplett auf Elektromotoren umstellen. Ob diese Mühen mit Erfolg belohnt werden, wird sich zeigen.

Deutschland schaltet ab – alle andere schalten an

Um die Energieversorgung sicherzustellen und um emissionsfrei und sauber Strom zu produzieren, werden in anderen Ländern immer mehr Kernkraftwerke gebaut und reaktiviert. Weltweit befinden sich momentan 54 AKWs im Bau. Über 200 weitere sind geplant. Zusätzlich reaktivieren immer mehr Länder ihre abgestellten Kernkraftwerke.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass kein Land der Welt Deutschland auf seinem Weg folgen wird, radikal eine vorhandene sichere Energieversorgung zu zerstören.

Die Welt braucht saubere Energie – die Welt braucht Kernkraft

Der Energiekonsum nimmt immer mehr zu (Stichwort China, Indien und weitere Schwellenländer), wobei ein Großteil dieser Energie immer noch von fossilen Brennträgern wie Gas, Kohle und Öl stammt. Circa elf Prozent werden durch Atomkraft erzeugt. Durch die Forderung, klimaneutral zu werden und saubere Elektrizität zu produzieren, wird der Bedarf nach emissionsfreien Alternativen, die auch zuverlässig sind, immer größer. Parallel dazu wird der Bedarf weiter steigen durch die Digitalisierung und die Elektro-Revolution.

Die Forschung hat keine Pause eingelegt, und so ist die nächste Generation von Kernkraftwerken noch effizienter und sicherer. Selbst das erdbebengeplagte Japan hat abgeschaltete Reaktoren wiederbelebt und plant neue Atomkraftwerke.

Durch den Trend, die fossilen Energieträger zu verbannen und schadstofffreie Lösungen zu fördern, wird die Kernenergie weiter ins Licht rücken. Immerhin ist sie momentan der einzige grundlastfähige Energieträger, der den Spagat zwischen steigendem Stromverbrauch und emissionsfreier Energieerzeugung erbringen kann, und Uran ist hierfür unersetzlich.

All das führt zu einer Schlussfolgerung: Es gibt momentan keinen Weg am Uran vorbei.

Selbst wenn „verstrahlte“ und weltfremde Experten und Politiker das Ende der Atomkraft ausgerufen haben - damit lagen sie wieder einmal völlig daneben. Das Gegenteil ist richtig: Das Atomkraft-Zeitalter scheint gerade erst richtig zu beginnen. Ein paar Zahlen:

  • Global gibt es 442 Reaktoren in 31 Ländern (Stand Februar 2021). 17 weitere Länder werden in den nächsten Jahren Atomkraftwerke bauen (unter anderem Ägypten, Jordanien, Türkei, Indonesien).
  • Die USA betreiben mit 95 Stück die meisten Atomkraftwerke. China hat 49, baut gerade aber 54 weitere Reaktoren, um seinen immensen Energiehunger als Werkbank der Welt zu stillen. Bis 2050 will Peking sage und schreibe 230 weitere AKWs bauen.
  • Weltweit befinden sich aktuell 112 Atomkraftwerke im Bau und 330 in Planung (Stand Dezember 2021).

Fazit: Ohne Atomkraft ist es unmöglich, die Pariser Klimaziele zu erreichen. Man darf gespannt sein, wann die deutsche Politik von ihrem teuren Sonderweg abkommt. Bis dahin müssen wir, die Bürger, die Zeche bezahlen durch steigende Strompreise sowie sinkende Wettbewerbsfähigkeit.

Marc Friedrich ist Deutschlands erfolgreichster Sachbuchautor (7 SPIEGEL Bestseller in Folge), ausgewiesener Finanzexperte, gefragter Redner, YouTube-Star, bekannt aus Funk und TV, Vordenker, Freigeist und Honorarberater. Sein neuestes Buch trägt den Titel „Die größte Revolution aller Zeiten – Warum unser Geld stirbt und wie Sie davon profitieren“ und beschäftigt sich ausschließlich mit den Themen Bitcoin, Zyklen und Geldgeschichte.

Mehr Informationen: www.friedrich-partner.de und www.marc-friedrich.de
Twitter und Instagram: @marcfriedrich7


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