Deutschland

Umfragen: Deutsche Wirtschaft steuert auf schwere Zeiten zu

Umfragen zeichnen ein beunruhigendes Bild. Inzwischen sorgen sich Firmen hierzulande um die Versorgung mit Strom. Die „Klimapolitik“ könnte der angeschlagenen Wirtschaft den Rest geben.
15.02.2022 13:00
Lesezeit: 3 min
Umfragen: Deutsche Wirtschaft steuert auf schwere Zeiten zu
Ein Hochöfner arbeitet am Hochofen 2 im Werk Schwelgern von Thyssenkrupp. (Foto: dpa) Foto: Rolf Vennenbernd

Zwei aktuelle Umfragen unter deutschen Unternehmen und Bürgern zeichnen ein beunruhigendes Bild. Möglich ist, dass es im laufenden Jahr keine konjunkturelle Erholung, sondern eine Rezession oder Stagflation geben wird. Zuletzt hatte das Institut der deutschen Wirtschaft vor einem solchen Szenario gewarnt.

DIHK: Firmen haben Angst vor Versorgungsausfällen

Hohe Energie- und Rohstoffpreise sowie Lieferengpässe bremsen die deutsche Wirtschaft. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) senkt vor diesem Hintergrund seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr. Erwartet wird nun ein Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 3 Prozent, nach zuvor 3,6 Prozent. "Die Konjunktur hält die Luft an", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben am Freitag in Berlin. In den Unternehmen herrsche zwar weiterhin eine vorsichtig optimistische Grundstimmung. "Viele wissen aber wegen großer Unsicherheiten nicht, wie es weiter geht."

Als größte Belastungsfaktoren nannte er neben der Corona-Krise und Lieferengpässen die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise sowie den Fachkräftemangel. Hinzu kämen weitere zu erwartende Kostensteigerungen durch die Transformation beim Klimaschutz. Viele Firmen befürchteten eine Verschlechterung ihrer Position auf den Weltmärkten.

Die geringeren Erwartungen hätten auch damit zu tun, dass das vierte Quartal 2021 schwächer als erwartet ausgefallen sei, so Wansleben. Das Vorkrisenniveau der Wirtschaftsleistung nach dem Einbruch 2020 wird laut DIHK voraussichtlich erst zur Jahresmitte erreicht. Die Bundesregierung erwartet für 2022 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,6 Prozent.

Die Wirtschaft beurteilt sowohl ihre aktuelle Lage als auch den Ausblick auf das Gesamtjahr 2022 insgesamt negativer als vor dem Jahreswechsel, wie eine DIHK-Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn unter knapp 28.000 Unternehmen ergab. Nur knapp ein Viertel der Unternehmen rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit besseren Geschäften. In den von der Corona-Krise besonders betroffenen Wirtschaftsbranchen wie dem Gastgewerbe und dem Einzelhandel habe sich die Lage der Betriebe über den Jahreswechsel deutlich verschlechtert. Wansleben sprach von "Kellerkindern der Konjunktur". Er machte deutlich, dass es wichtig sei, staatliche Hilfen zu verlängern.

Angesichts der nicht zuletzt wegen zahlreicher "Klima-Steuern" drastisch gestiegenen Energiepreise müsse es Entlastungen geben. Wansleben nannte eine schnelle Abschaffung der EEG-Umlage und eine Senkung der Stromsteuer. Unter Firmen herrsche inzwischen außerdem Angst um die Versorgungssicherheit, weil die Versorgungsqualität des deutschen Stromnetzes im Zuge der Energiewende stark in Mitleidenschaft geraten ist.

Lesen Sie dazu: Energiewende im Rückwärtsgang: Anteil erneuerbarer Energien am Strommix sinkt erstmals seit Jahren

Fast zwei Drittel der Betriebe stuft laut Umfrage die Energie- und Rohstoffpreise als eines ihrer größten Geschäftsrisiken ein, in der Industrie sind es demnach sogar 85 Prozent. Neun von zehn Unternehmen meldeten höhere Einkaufspreise als Folge von Lieferengpässen. Nur noch zehn Prozent der Betriebe und damit deutlich weniger als im Herbst 2021 rechneten mit einem Ende der Lieferprobleme bis zu Jahresmitte.

Lesen Sie dazu: Bundesrechnungshof rechnet mit Energiewende ab: Kosten laufen aus dem Ruder, Stromausfälle kommen

Bei den Investitionsabsichten blieben die Unternehmen abwartend. Der DIHK rechnet mit einem Anstieg um 3,5 Prozent in diesem Jahr, in guten Zeiten seien es vier bis fünf Prozent. Damit fehlten wichtige Zukunftsinvestitionen für die Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Dekarbonisierung und Digitalisierung.

Bürger machen sich Sorgen

Die meisten Bürger in Deutschland fürchten einer Umfrage zufolge finanzielle Belastungen durch die hohen Energiepreise. 62 Prozent machen sich demnach Sorgen, dass die Energiepreis-Krise sie in Zukunft belasten werde, wie eine Umfrage des Instituts Kantar im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) zeigt. 36 Prozent fürchten nach der vom vzbv am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Umfrage keine persönlichen Belastungen.

Lesen Sie dazu: Klima-Inflation führt zu „ungewöhnlich starken Reallohnverlusten“ der Deutschen

Die Frage, ob die Regierung mögliche Strom- oder Gassperren für zahlungsunfähige Kunden vorübergehend aussetzen sollte, bejahten 71 Prozent. Der vzbv forderte Maßnahmen, die die Geldbeutel der Menschen schnell entlasten - etwa ein schnell eingeführtes Klimageld, Strompreissenkungen für private Haushalte und Entlastungen von Mieterinnen und Mieter von der CO2-Sondersteuer, die Anfang 2021 eingeführt wurde und nach dem Willen der Grünen rasch erhöht werden sollte.

Die Unionsfraktion im Bundestag will einen Antrag für milliardenschwere Entlastungen einbringen, um auf die gestiegenen Energiepreise und die hohe Inflation zu reagieren. In dem Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, fordern CDU und CSU, die Bundesregierung müsse "endlich handeln und sowohl dauerhafte als auch vorübergehende Maßnahmen ergreifen, um die Kostenexplosion bei den Energiepreisen abzufedern". Unter anderem solle die Abschaffung der EEG-Umlage "für alle Stromkundenschon spätestens zur Mitte dieses Jahres schnell und unbürokratisch umgesetzt werden".

Viele Grundversorger, also die Energieanbieter mit den meisten Kunden in einer Region, haben in den vergangenen Wochen neue Tarife für Neukunden eingeführt. Hintergrund ist die Liefereinstellung durch Energiediscounter, wodurch Hunderttausende ehemalige Kunden in die sogenannte Ersatzversorgung durch den örtlichen Grundversorger fielen. Diese sind verpflichtet, die Kunden bei Wegfall des bisherigen Lieferanten zunächst weiter mit Strom und Gas zu versorgen. Viele Unternehmen verlangen von Neukunden jedoch Preise, die deutlich höher liegen als die der Bestandskunden. Sie begründen dies mit deutlich höheren Beschaffungskosten. Die Verbraucherzentrale sieht in den doppelten Tarifen eine Ungleichbehandlung.

Einige Strom- und Gasgrundversorger in 14 der bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands haben ihre Preise für Neukunden laut vzbv zuletzt stark angehoben. Beim Strom hätten die Grundversorger in fünf der untersuchten Städte einen gesonderten Neukunden-Tarif eingeführt - so in Köln, Frankfurt/Main, Leipzig, Dortmund und Dresden. Für Verbraucher könnten die jährlichen Mehrkosten je nach Stromverbrauch etwa bei 1654 Euro gegenüber Bestandskunden liegen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Verteidigung der Zukunft: Hensoldt rüstet Europa mit Hightech auf
06.06.2025

Kaum ein Rüstungsunternehmen in Europa hat sich in den vergangenen Jahren so grundlegend gewandelt wie Hensoldt. Aus einer ehemaligen...

DWN
Politik
Politik Trump gegen Europa: Ein ideologischer Feldzug beginnt
06.06.2025

Donald Trump hat Europa zum ideologischen Feind erklärt – und arbeitet systematisch daran, den Kontinent nach seinen Vorstellungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die wertvollsten Marken der Welt: Top 5 fest in US-Hand
06.06.2025

Während die Weltwirtschaft stagniert, explodieren die Markenwerte amerikanischer Konzerne. Apple regiert unangefochten – China und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Star-Investorin: „Wir erleben eine neue Generation von KI-Gründern“
06.06.2025

US-Chaos, Trump und Kapitalflucht: Europas KI-Talente kehren dem Silicon Valley den Rücken – und bauen die Tech-Giganten der Zukunft vor...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Konjunkturprognose unter Druck: Wie der Zollstreit Deutschlands Exporte trifft
06.06.2025

Zölle, Exporteinbrüche und schwache Industrieproduktion setzen Deutschlands Wirtschaft zu. Die aktuelle Konjunkturprognose gibt wenig...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Internationale Handelskonflikte: So schützen sich exportorientierte KMU
06.06.2025

Ob Strafzölle, Exportverbote oder politische Sanktionen – internationale Handelskonflikte bedrohen zunehmend die Geschäftsmodelle...

DWN
Panorama
Panorama Musk gegen Trump: Politische Zweckbeziehung artet in öffentlichen Machtkampf aus – die Tesla-Aktie leidet
06.06.2025

Elon Musk und Donald Trump galten als Zweckbündnis mit Einfluss – doch nun eskaliert der Streit. Was steckt hinter dem Zerwürfnis der...