Wirtschaft

Kupfer: Rezessionsgefahr trübt die Aussichten, langfristig aber enormes Potential

Der Rohstoff-Experte der DWN, Markus Grüne, analysiert den Kupfermarkt.
18.05.2022 14:56
Aktualisiert: 18.05.2022 14:56
Lesezeit: 4 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Kupfer: Rezessionsgefahr trübt die Aussichten, langfristig aber enormes Potential
Lesen Sie heute die erste Folge des neuen DWN Rohstoff-Reports!

Die Kombination aus der weltweit kräftig anziehenden Inflation, den Pandemie-Gegenmaßnahmen sowie des unvermindert wütenden Ukraine-Kriegs rückt die - in der allgemeinen Wahrnehmung lange ein Schattendasein führende - Anlageklasse der Rohstoffe wieder in den Fokus. Und wenn man dabei aus naheliegenden Gründen auch in erster Linie an Öl oder Gold denkt - die ganz große Geschichte der kommenden Jahre könnte doch Kupfer werden!

Kupfer ist das am weitesten verbreitete und am meisten gehandelte Industriemetall der Welt. Auf Grund seiner physikalischen Eigenschaften findet es in nahezu jedem Industriezweig vielfältige Verwendung. Auf Grund seiner Konjunkturabhängigkeit gilt es als wichtiger Indikator für die Gesundheit und vor allem die Aussichten der Weltwirtschaft. Äußere Einflüsse, wie Handelszölle oder temporäre Verknappungen, haben ebenfalls einen großen Einfluss auf seine Preisbildung. Mit Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 ging Kupfer zunächst aufgrund des plötzlich einsetzenden negativen Nachfrageschocks auf Tauchstation und erreichte sein „Pandemie-Tief“ im Einklang mit anderen Vertretern seines Sektors Mitte März des gleichen Jahres bei knapp 4.350 US-Dollar pro Tonne. In der folgenden Rally schoss das rote Metall ohne nennenswerte Rücksetzer beinahe 150 Prozent in die Höhe und erreichte sein bisheriges Allzeithoch schließlich gut zwei Jahre später bei rund 11.100 US-Dollar pro Tonne.

Durststrecke - vor allem wegen China

Der danach zu beobachtende Preisverfall - immerhin notierte Kupfer in der Spitze beinahe 20 Prozent tiefer -, lässt sich im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückführen:

  1. Die beispiellose Geldpolitik der Zentralbanken hüben wie drüben des Atlantiks führte zu einer seit Dekaden nicht mehr erlebten Inflationsentwicklung, die nun durch äußere Faktoren wie Krieg und Pandemie noch beschleunigt wird und ein entsprechend hartes Gegensteuern erforderlich macht. Mit der sehr realen Gefahr einer bevorstehenden tiefen Rezession.
  2. Chinas immer grotesker erscheinende Versuche, den jüngsten Corona-Ausbruch im Land unter Kontrolle zu bringen.

Wäre ersteres nicht schon ungünstig genug, auch, weil der mit dem bereits begonnenen US-Zinserhöhungszyklus einhergehende Dollar-Anstieg Güter, die in dieser Währung denominiert werden, per se verteuert, ist es aber insbesondere China, das durch das hartnäckige Festhalten an seiner Null-Covid-Politik die entscheidenden Probleme bereitet. So hat beispielsweise die Abriegelung des Shanghaier Seefrachthafens, immerhin der größte der Welt, den dortigen Betrieb zum Erliegen sowie der Lockdown verschiedener Großstädte und Industriezentren deren Aktivitäten zum Stillstand gebracht. Ein Großinvestor in Hongkong bezeichnete die derzeitige Lage in China als die schlimmste seit 30 Jahren, da Pekings zunehmend heikle Null-Covid-Politik das Wachstum bremst und gleichzeitig die Unzufriedenheit in der Bevölkerung erhöht. Infolgedessen sind die globalen Versorgungsketten weiterhin mit zunehmenden Staus in den chinesischen Häfen konfrontiert, während die Nachfrage nach wichtigen Rohstoffen, von Rohöl bis hin zu Industriemetallen, deutlich zurückgegangen ist. Wie die jüngsten Zolldaten zeigen, hat sich das Exportwachstum gegenüber dem Vorjahr auf 3,9 Prozent verlangsamt (verglichen mit einem Anstieg von noch 14,7 Prozent im März). Das ist das schwächste Tempo seit Juni 2020.

Licht am Ende des Tunnels

Aber Sie wissen ja: jede gute Krise geht einmal zu Ende, und das beste Beispiel für die dann mögliche Entwicklung ist eben die, die auf jene Tage folgte, die Mitte März 2020 die Preistiefs diverser Rohstoff- und Finanzmärkte markierten. China, der wesentliche Treiber der Rally, die damals ihren Anfang nahm, stellt nun zum einen Lockerungen seiner restriktiven Politik in Aussicht und sieht sich zudem bereits gezwungen, ein umfangreiches Konjunkturprogramm aufzulegen, um überhaupt in die Nähe seines Wachstumsziels von 5,5 Prozent zu kommen. Diese Initiative dürfte insbesondere den Industriemetallsektor beflügeln, liegt doch ihr Schwerpunkt auf dem Ausbau der Infrastruktur und der Energiewende. Und letztere wird zukünftig enorm an Bedeutung gewinnen, nicht nur im Riesenmarkt China, sondern vor allem auch in Europa. Grüne Politik treibt diese Entwicklung ohnehin voran, wobei die Idee zur verstärkten Nutzung alternativer Energien angesichts eines aktuell drohenden Gasengpasses sowie ideologieübergreifend Befürworter findet.

Dabei ist es interessant, sich zu verdeutlichen, wieviel Kupfer eigentlich in entsprechenden Anlagen verbaut wird. So enthält beispielsweise eine einzige Windkraftanlage, inklusive der nötigen Infrastruktur, im Schnitt gut 30 Tonnen. In einer typischen 1-MW-Photovoltaikanlage stecken circa vier Tonnen. Die Bereiche Elektromobilität samt Ladestationen und Batterietechnologie kommen hinzu. Zwar ist in dieser Form eingesetztes Kupfer langlebig, und etwa 35 Prozent des weltweiten Kupferbedarfs wird mit recyceltem Material gedeckt. Dennoch befindet sich der Kupfermarkt seit Jahren in einem Defizit, was in der Kombination von

  • plötzlich auftretender Nachfragesteigerung durch schnellere Umstellung auf alternative Energien
  • mit latenten Angebotsschocks durch potenziell häufiger auftretende Lieferkettenstörungen

zu Problemen führen und mit grundsätzlich steigenden Preisen einhergehen dürfte.

Fazit

Kupfer wird absolut unerlässlich sein, wenn wir es mit der Abkopplung von Öl, Gas und Kohle ernst meinen und unsere Welt so weit wie möglich elektrifizieren wollen. Dabei wird das Metall zukünftig erheblich knapper werden, denn weder Recyling- noch Fördermengen werden sich in gleichem Maße erhöhen lassen, wie es die zu erwartende Geschwindigkeit der Nachfragesteigerung vor dem Hintergrund alternativer Energieerzeugung und -nutzung erfordern würde. Analysten namhafter Investmentbanken sehen bereits kurzfristig Preise um die 15.000 Dollar pro Tonne, langfristig könnte noch erheblich mehr möglich sein, vorausgesetzt natürlich, die „Verknappungstheorie“ spielt sich wie angenommen aus. Der Boden der jüngsten Kurskorrektur dürfte jedoch erreicht sein, zum einen, da China tatsächlich wieder Öffnungsschritte seiner Wirtschaft wagt, und zum anderen, da große Spekulanten, wie beispielsweise Hedge-Fonds, in Kürze gezwungen sein könnten, ihre bestehenden Shortpositionen einzudecken. Laut aktuellem Commitments-of-Traders-Report haben sich diese in der Woche bis zum 10. Mai mehr als verdoppelt und liegen jetzt auf einem Zweijahreshoch. Das ist klassisches Short-Squeeze-Szenario.

Der kritische Leser wird an dieser Stelle etwas sorgenvoll auf die aufgrund dieser Entwicklungen nicht auszuschließenden Preissteigerungen kupferintensiver Güter verweisen (Stichwort Inflation). Mit einer entsprechenden Erweiterung des eigenen Anlagehorizonts lässt sich dahingehend jedoch aus der Not eine Tugend machen und ganz persönlich am kommenden Kupferboom teilhaben. Detaillierte Anlageempfehlungen sind an dieser Stelle zwar nicht möglich. Generell empfehlen sich aber erstens ETNs, mit Schwerpunkt im Industriemetallsektor; zweitens ETFs beziehungsweise klassische Investmentfonds, die in entsprechende Förderer/Verarbeiter oder Metall-Futures am Terminmarkt investieren; sowie drittens Einzelaktien aus diesem Sektor. Bedenken Sie jedoch gerade bei letzterem, dass Sie dann auch immer das individuelle Unternehmensrisiko tragen, und nicht mehr nur das der Kupferpreisentwicklung an sich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

avtor1
Markus Grüne

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Milliardenpläne in der Arktis: Konkurrenz für Suez- und Panamakanal
09.08.2025

China und Russland treiben gemeinsam ein Milliardenprojekt in der Arktis voran, das den Suez- und Panamakanal umgehen könnte. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen So werden Sie reich mit Autos: Warum Oldtimer besser sind als Aktien
09.08.2025

Oldtimer als Kapitalanlage? Zwei Autoprofis erklären, warum Klassiker und Supersportwagen echte Geldmaschinen sind – und welche Modelle...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle treiben Afrika in Chinas Einflusszone
09.08.2025

Afrikas Exporte geraten ins Fadenkreuz von Trumps Zollhammer – doch für China öffnet sich ein geopolitisches Zeitfenster. Wie der...

DWN
Politik
Politik Haushaltsplan: Sondervermögen Infrastruktur – wohin fließt das Geld eigentlich?
09.08.2025

Nach viel Hin und Her haben sich Union und SPD auf einen Haushaltsplan 2025 und folgend bis 2029 geeinigt. Neben hohen Investitionen in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Umbau der US-Verteidigung stellt Milliardenprojekte infrage
09.08.2025

Donald Trump krempelt die US-Verteidigung radikal um: Alte Kampfjets werden verschrottet, Milliarden in neue Tarnkappenbomber investiert....

DWN
Politik
Politik 50 Jahre Abkommen von Helsinki – ein Pakt ohne Erbe
09.08.2025

Vor 50 Jahren versprach das Abkommen von Helsinki eine neue Weltordnung aus Kooperation und Respekt. Heute, im Zeitalter hybrider Kriege,...

DWN
Technologie
Technologie Globale Bank-ID: Yubico-Gründerin will Passwörter abschaffen – Milliardenpotenzial für deutsche Firmen
09.08.2025

Die Gründerin von Yubico will mit ihrer Stiftung Siros ein globales, offenes System für digitale Identitäten schaffen – sicher wie ein...

DWN
Technologie
Technologie ChatGPT-5: So verwenden Sie das neue ChatGPT-Modell
08.08.2025

Open AI erlaubt erstmals tiefe Einblicke in die Denkweise von ChatGPT. Wer die neue Erweiterung nutzt, kontrolliert nicht nur Daten –...