Wirtschaft

Bewährte Schmuggelrouten: Wie Russland das Öl-Embargo umgeht

Um das Öl-Embargo der EU zu umgehen, nutzt Russland eine ganze Reihe von Schmuggelrouten. Einige Methoden haben sich schon im Kampf des Irans gegen Sanktionen bewährt.
09.06.2022 14:24
Lesezeit: 4 min
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Das von der Europäischen Union verhängte Teilembargo auf russische Ölimporte betrifft auf Druck Ungarns zwar nur Einfuhren über den Seeweg. Aber dennoch werden damit die Rohöllieferungen aus Russland in die EU "bis Ende des Jahres effektiv um rund 90 Prozent reduziert", wie der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, letzte Woche erklärte.

Es ist noch unklar, inwieweit das Teilembargo tatsächlich durchgesetzt werden kann. Denn solange Indien und China bereit sind, Russland bei der Umgehung der westlichen Sanktionen zu unterstützen, wird das russische Öl nicht nur Abnehmer jenseits des Westens finden, sondern unvermeidlich über Umwege auch in die westlichen Staaten gelangen.

Die negativen Folgen des Embargos treffen aber nicht nur Konsumenten und Unternehmen in Europa. Denn auch wenn Russland offenbar auf das Öl-Embargo der EU recht gut vorbereitet ist, so werden sich die Einnahmen des Landes aus Rohölexporten dennoch erheblich verringern. Daher sucht Moskau angestrengt nach weiteren Wegen, die Sanktionen des Westens zu umgehen.

Ein Vorbild für das Umgehen westlicher Ölsanktionen bietet der Iran, im Verlauf der letzten 40 Jahre mehrere gute Schmuggelmöglichkeiten genutzt hat. Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 ist der Iran äußerst geschickt darin, die westlichen Sanktionen zu umgehen, und zwar vor allem in den Jahren 2011 bis zur Vereinbarung des Atomdeal im Jahr 2015.

Gegen Ende des Jahres 2020 erklärte auch der damalige iranische Erdölminister Bijan Zangeneh ein Detail zu einer solchen bewährten Methode der Umgehung von Sanktionen: "Was wir exportieren, läuft nicht unter dem Namen des Iran. Die Dokumente werden immer wieder geändert, ebenso wie die Spezifikationen."

"Wenn es eine Kunst gibt, die wir im Iran perfektioniert haben und die wir anderen für einen Preis beibringen können, dann ist es die Kunst, Sanktionen zu umgehen", sagte der iranische Außenminister Mohammad Zarif im Dezember 2018 auf dem Doha-Forum. Der frühere Trader Simon Watkins erwähnt dies in seinem neuen Buch zum Handel auf dem globalen Ölmarkt.

Mehrere Methoden der Sanktionsvermeidung laufen über das Nachbarland Irak, über den der Iran immer noch beträchtliche wirtschaftliche und militärische Macht ausübt. Die Kernstrategie besteht schlicht darin, iranisches Öl als Öl aus dem Irak zu kennzeichnen. Dabei nutzt der Iran die bestehende irakische Infrastruktur, darunter sehr großer Rohöltanker, die um das südliche Exportzentrum Basra beladen werden.

Der iranische Ölexport kann auch direkt über den türkischen Hafen Ceyhan nach Südeuropa erfolgen, und zwar über die Rohölpipelines, die durch die halbautonome irakische Region Kurdistan verlaufen, auch wenn diese seit Jahren immer wieder unterbrochen werden, und Watkins zufolge gibt es Pläne für weitere Pipelines vom Irak nach Jordanien und Syrien.

Diese Rohölexportmethoden über den Irak können bei Bedarf durch verschiedene Methoden auf dem Seeweg ergänzt werden, die frühere Trader Simon Watkins in seinem neuen Buch über die globalen Ölmärkte ebenfalls analysiert hat. Grundlegende Methoden sind dabei die Deaktivierung des automatischen Identifizierungssystems auf Öltankern sowie falsche Angaben zum Zielort in den Frachtpapieren.

In einigen der weniger streng überwachten Häfen Südeuropas wird auf diese Weise transportiertes Öl seit jeher angeliefert, darunter die Häfen von Albanien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Mazedonien und Kroatien. Von dort aus kann das Öl dann problemlos über die Grenzen zu den größeren Ölverbrauchern in Europa und der Türkei transportiert werden.

Bei Ölexporten nach Asien hat der Iran Malaysia und in geringerem Maße auch Indonesien in die Weiterleitung einbezogen, wobei Tanker mit Ziel China iranisches Öl auf See oder kurz vor dem Hafen auf Tanker unter anderer Flagge umgeladen haben sollen. Der Iran konnte seine Schiffe auch unter der Flagge Panamas umflaggen, bis die USA begannen, ihre Schifffahrtssanktionen mit Nachdruck durchzusetzen.

Zudem ist der Iran weiterhin ein wichtiger Öllieferant für Syrien. Diese direkten Methoden, die es dem Iran ermöglichen, die Sanktionen für Rohöltransporte zu umgehen, haben seit der Inbetriebnahme der Guriyeh-Jask-Pipeline an Intensität zugenommen, die es dem Iran bei vollem Betrieb ermöglichen wird, mindestens 1 Million Barrel pro Tag seines eigenen Rohöls in die ganze Welt zu transportieren.

Es gibt eine Reihe von russischen Rohölsorten, die in ihren Spezifikationen den vergleichbaren Sorten im Iran und im Irak sehr ähnlich sind. Daher enthielten auch alle zehnjährigen Kooperationsvereinbarungen Russlands mit dem Iran stets die Abmachung, dass Teheran keine nennenswerten Mengen seines Leichtöls (oder Gases) nach Europa liefert.

Quellen im Umfeld des iranischen Erdölministeriums sagten in der vergangenen Woche, dass es während der jüngsten Reise des stellvertretenden russischen Ministerpräsidenten Alexander Novak zu einer "signifikanten Änderung" dieser seit langem bestehenden Vereinbarung über die "scheinbare" Abgrenzung der Rohölströme aus Russland, dem Iran und dem Irak kam.

"Die Grundlagen für eine neue Vereinbarung über die Rohölströme aus Russland/Iran/Irak waren bei den Treffen im Januar festgelegt worden und wurden in den letzten Wochen weiter erörtert", sagte ein Insider gegenüber OilPrice.com. Die Treffen im Januar fanden in Moskau statt und waren der erste Besuch eines iranischen Präsidenten, Ebrahim Raisi, in Russland seit fast fünf Jahren.

Für Russland geht es dabei um die iranischen Netzwerke für den Transport von Öl nach Europa. Nach eigenen Schätzungen der EU dürften die Verbote innerhalb von sechs Monaten täglich etwa 2,3 Millionen Barrel russischer Rohölimporte und weitere 1,2 Millionen Barrel tägliche Importe von Raffinerieprodukten bis Ende des Jahres betreffen.

Russland stehen alle bewährten Schmuggelrouten offen, die der Irans zur Umgehung der Sanktionen nutzt, darunter die fast immer erfolgreichen Routen über den Irak. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass der Irak in der Lage sein könnte, zusätzliche Routen für Rohöl zu eröffnen, die über den Irak direkte nach Europa führen.

Wie Alaa al-Yasiri, der Generaldirektor der staatlichen irakischen Ölvermarktungsorganisation (SOMO), in der vergangenen Woche vor dem Ausschuss für Öl, Gas und natürliche Ressourcen des irakischen Parlaments erklärte, hat sich das staatliche Unternehmen an französische Handelsunternehmen gewandt, um die Möglichkeit zu prüfen, Europa mit Rohöl zu beliefern.

Yasiri erklärte, dass der Irak weltweit Raffinerien für die Verarbeitung seines Rohöls anstrebt, was dem zweitgrößten OPEC-Produzenten die Möglichkeit geben würde, von der Suche Europas nach "alternativen Lieferungen aus Russland" zu profitieren. Allerdings verfügt der Irak gar nicht über Öl, das er zusätzlich exportieren könnte, solange er nicht seine wichtigsten Engpässe in der Rohölinfrastruktur beseitigt hat.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte ebenfalls in der vergangenen Woche, als der Irak die Möglichkeit plötzlicher und reichlicher neuer Öllieferungen anpries, dass Russland "gezielte, systematische Maßnahmen ergreift, die es uns ermöglichen werden, die negativen Folgen [eines etwaigen EU-Verbots für russisches Öl] zu minimieren".

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