Immobilien

Herausforderung für Bauherren: „Es kommt zu weiteren Engpässen und Preissteigerungen“

Lesezeit: 6 min
03.07.2022 13:08  Aktualisiert: 03.07.2022 13:08
Frank Zimmermann ist seit 30 Jahren im Bereich Bau- und Projektmanagement tätig. Im Interview spricht er über die aktuellen Herausforderungen für angehende Bauherren und die Zukunft des Bauens.
Herausforderung für Bauherren: „Es kommt zu weiteren Engpässen und Preissteigerungen“
Im besten Fall sollten Bauherr und plandendes Architekturbüro eine vertrauensvollen, partnerschaftlichen Zusammenarbeitet eingehen. (Foto: iStock.com/pcess609)
Foto: pcess609

Immobilien Neu Gedacht: Sehr geehrter Herr Zimmermann, vorab möchten wir uns bei Ihnen bedanken, dass Sie für dieses Gespräch zur Verfügung stehen. Kommen wir gleich zur ersten Frage. Sie sind mit Ihrem Büro BauTab-Consulting seit 30 Jahren im Bereich Bau- und Projektmanagement tätig. Haben Sie in dieser Zeit einen so starken Anstieg der Baupreise in Deutschland erlebt wie es derzeit der Fall ist?

Frank Zimmermann: Ich möchte mich für Ihre Einladung bedanken. Zu Ihrer Frage: Nein, derartige regelrechte Preiskapriolen in fast allen Gewerken habe ich bis dato noch nicht feststellen müssen. Wir leben aktuell beziehungsweise seit der Corona-Epidemie und den kriegerischen Entwicklungen in der Ukraine in einer global äußerst angespannten Gesamtsituation.

Eine Ursache für den Preisanstieg ist die aktuelle Knappheit von Baumaterialien wie Holz, Stahl oder Dämmstoff. Wie reagiert die Baubranche darauf und ist ein Ende der Preissteigerungen absehbar?

Aus meiner Erfahrung sehen sich die Verarbeiter als letztes Glied in der Kette und versuchen natürlich so gut wie es geht, die Preissteigerungen durch frühzeitige Ankäufe, verbunden mit Lagerhalten, etwas abzufedern. Eine Weitergabe der gestiegenen Preise ist für viele Betriebe ein schwieriges und nicht immer erfolgreiches Unterfangen, da oftmals die Verträge vorher zustande gekommen sind und nachträglich, ohne Preisgleitklausel im Vertrag, der Auftraggeber diese Mehrkosten nicht zwingend übernehmen muss. Aber auch aktuell kommen die Auftraggeber, insbesondere die Eigenheimbauer, an ihre finanzielle Belastungsgrenze. Hier werden bereits einige kleine Projekte aus Kostengründen gar nicht angestoßen. Die Frage nach der „gläsernen Kugel“ kann sicherlich niemand seriös beantworten. Wir werden vom aktuellen Zeitpunkt aus gesehen sicherlich noch mehrere Jahre die Nachteile dieser Entwicklung zu spüren bekommen. Und ja, es wird sicherlich zu weiteren Engpässen sowie Preissteigerungen kommen, ebenso aber auch zu leichten Entspannungen wie zuletzt im Holzsektor.

Was würden Sie zukünftigen Bauherren raten, die kurz vor dem Bau einer Immobilie stehen und durch die gestiegenen Materialkosten verunsichert sind?

Da ja aktuell auch die Bauzinsen auf dem Weg nach oben sind: Ist eine ausreichende Kapitaldecke vorhanden, werden nach Ende der Zinsbindung in 10, 15 Jahren bei eventueller Steigerung der Bauzinsen um 2, 3 oder gar 4 Prozent die monatlichen Belastungen noch tragbar sein? Der Wunsch nach den „eigenen vier Wänden“ ist gerade nicht nur für junge Familien nachvollziehbar, muss aber immer individuell betrachtet werden. Hier ist aber auch der Architekt als Ansprechpartner und verantwortungsbewusste Vertrauensperson gefragt: Gibt es Möglichkeiten zur Kostenoptimierung, welche Zuschüsse der KfW können herangezogen werden, sind Wechsel der Materialitäten ohne Verlust der Wohnqualität möglich und können Raumkonzepte optimiert werden?

In den Medien liest man in den vergangenen Monaten häufig von einer Immobilienblase, welche zu platzen droht. Sind die Sorgen aus Ihrer Sicht berechtigt und welche Konsequenzen hätte dies sowohl für den Kauf als auch den Bau von Immobilien?

Dieses „Gespenst“ ploppt ja nun regelmäßig alle paar Monate seit der Immobilienkrise in den USA vor etwa 14 Jahren auf. Natürlich sehen Ökonomen und Finanzexperten eine Gefahr bei der Null-Zins-Politik der letzten Jahre, welche ja auch die Bauzinsen auf ein historisch niedriges Niveau gedrückt hat. Ich sehe hier jedoch keine direkten Auswirkungen bis hin zu einer Finanz- beziehungsweise Immobilienkrise, sollten die Bauzinsen in nächster Zeit auf ein moderates Niveau ansteigen. Wie bereits erwähnt, sollte eine Finanzierung der eigenen vier Wände auf seriösen und soliden Fundamenten stehen und nicht nur kurzsichtig gesehen werden. Die Bauherren lassen sich ja meist auf eine Finanzierung von bis zu 20 oder 30 Jahren ein. Hierbei müssen auch „schlechtere“ Zeiten berücksichtigt werden. Eine Regulierung des Marktes und die Anpassung der exorbitanten Preissteigerungen der Immobilien würde sicherlich allen Beteiligten guttun.

Zurück zum Hausbau. Welche grundsätzlichen Dinge gilt es aus fachlicher Sicht vor, während und nach dem Bau einer Immobilie unbedingt zu beachten?

Nun, die Bauherren sind ja meist doch Laien und etwas unbedarft in diesen Themen, auch wenn das Internet unendlich viele Möglichkeiten darbietet, sich schnell zum „Experten“ zu „googeln“. Am Anfang des Projektes sehe ich grundsätzlich die Frage nach einer vertrauensvollen, partnerschaftlichen Zusammenarbeitet mit dem planenden Architekturbüro. Dieses sollte die Bauherren in allen Belangen unterstützen und begleiten. Aber auch die weiteren einzubindenden Fachplaner für Bauphysik, die Tragwerksplanung und Haustechnik sind wichtig und als Team zu sehen. Zudem rate ich im Zuge der Ausführungphase ein kompetentes Büro zur Qualitätssicherung aller Gewerke heranzuziehen. Auch wenn dies mit zusätzlichen, wenn auch verhältnismäßig geringen Kosten verbunden ist, so ist eine zusätzliche externe, kritische Qualitätskontrolle aus meiner Erfahrung ratsam. Dies ist nicht gegen den Architekten beziehungsweise die Fachplaner oder ausführenden Firmen zu verstehen, sondern vielmehr als weitere Optimierungsmöglichkeit für einen möglichst mangelfreien Bau, um für alle Beteiligten zu einem gelungenen Projekt zu kommen.

Entscheidet man sich gegen einen Hausbau und erwirbt stattdessen eine gebrauchte Immobilie, müssen Neueigentümer gegebenenfalls bestimmten Sanierungspflichten nachgehen. Was sollten Immobilienbesitzer gerade im Hinblick auf zukünftige Maßnahmen beachten, wenn es zum Beispiel um die potentielle Solarpflicht geht oder eine energetische Sanierung vorgenommen werden muss?

Hinsichtlich des Aspektes des nachhaltigen Bauens ist hier sicherlich eine Gebrauchtimmobilie die bessere Wahl. Jedoch ist dies im Vorfeld umfänglich durch Fachleute zu prüfen, um hier nicht zu große Überraschungen erleben zu müssen. Die Solarpflicht ist hierbei sicherlich das kleinere Thema: sollte diese kommen, so ist diese meist als Photovoltaik-Anlage auszulegen und mit überschaubaren Investitionen anzusehen – bei einem nicht unerheblichen Benefit für die Umwelt. Bei energetischen Sanierungen sprechen wir hier schon schnell von einem sechsstelligen Betrag. Und hier kommen zwingend die qualifizierten Energieberater ins Gespräch. Diese werden über die KfW beziehungsweise DENA vermittelt und erstellen objektbezogen entsprechende Empfehlungen bezüglich der energetischen Sanierung. Aus diesem Maßnahmenkatalog können die Bauherren auch nach finanziellen Aspekten die vorrangigen und effektivsten Maßnahmen auswählen. Aber es muss auch darauf hingewiesen werden, dass sicherlich auf die Millionen Eigenheimbesitzer in den kommenden 20 Jahren zur Erzielung der angestrebten Klimaneutralität erhebliche Mehrbelastungen zukommen werden, welche nicht in Gänze finanziell durch Zuschüsse, Steuerentlastungen oder Ähnliches abgefedert werden können. Hier wird sicherlich eine nicht unerhebliche Anzahl an Eigenheimbesitzern größte finanzielle Anstrengungen auf sich nehmen müssen.

Die letzte Frage bezieht sich auf das Bauen in der Zukunft. Welche Trends, Chancen, aber auch großen Herausforderungen zeichnen sich für die kommenden Jahre und Jahrzehnte in der Bau- und Immobilienbranche ab und welche Rolle spielt dabei ein Umdenken hin zu einer nachhaltigen Bau- und Immobilienwirtschaft?

Ja, dieses Thema zieht sich ja bereits durch einige Fragen. Es ist gerade in der aktuellen Zeit recht publik geworden, welch enorm hohen Verbrauch an Ressourcen und Energie sowie welch erheblichen Anteil am CO2-Ausstoß die Bauindustrie, vorrangig die Zementindustrie, hat. Hier muss und hier wird sich sicherlich in den kommenden Jahren zwingend ein Umdenken zur Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung mehr und mehr durchsetzen. Wir werden sicherlich den Baustoff Beton nicht von heute auf morgen ersetzen, aber er kann optimiert werden, unter Einsatz von beispielsweise Glasfaserbeton, Recyclingmaterialen oder einer schlankeren Bauweise. Das Thema Recycling beziehungsweise Kreislaufwirtschaft wird auch mehr und mehr in den Vordergrund rücken. Die Kapazitäten der Deponien für Bauschutt kommen langsam an ihre Grenzen. Die Entsorgungskosten haben sich hier bereits teilweise mehr als verdoppelt. Deutschland und Europa als Standort von Start-Ups im Bausektor sowie der Fähigkeit zu Innovationen, verbunden mit herausragenden Forschungsanstalten, sind für mich ein Garant, um die künftige Herausforderung für nachhaltiges Bauen zu stemmen. Hierbei sind natürlich auch die politischen Rahmenbedingungen von großer Relevanz. Wichtig ist letztendlich natürlich auch der Wille derer, welche im Immobiliensektor Projekte mit entsprechender Vorbildfunktion anstoßen, auch wenn hierbei Mehrkosten mögliches Renditestreben reduzieren. Dies wird mit Sicherheit eine Generationenaufgabe, wie manch anderes in diesen recht turbulenten Zeiten.

Zur Person: Frank Zimmermann ist mit seinem Büro BauTab-Consulting seit 30 Jahren im Bereich Bau- und Projektmanagement tätig. Zu seinen umfangreichsten Projekten zählen u.a. Neubau- sowie Umbaumaßnahmen von SB-Verbrauchermärkten, Bauen im Bestand, Projekte der öffentlichen Hand, Rekultivierung von Einkaufszentren, Wohn- sowie Gewerbebauten, aber auch Sonderbauten.

***

Nico Bülles arbeitet als Freischaffender in der Kultur- und Kreativwirtschaft und ist für Verlage und Agenturen sowie für bildungspolitische und soziale Organisationen tätig.

 

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