Unternehmen

Zuckerberg will WhatsApp nach chinesischem Vorbild WeChat umbauen

Der Social-Media-Riese Meta steht unter massiven Druck. Jetzt will es das lange ungenutzte finanzielle Potenzial von WhatsApp ausschöpfen.
07.12.2022 09:09
Lesezeit: 3 min

Wegen Metas verlangsamten Umsatzes und Nutzerwachstums, und auch dem Einbruch der Aktie, will Geschäftsführer Mark Zuckerberg jetzt das ungenutzte finanzielle Potenzial von WhatsApp ausschöpfen. Dazu will er den Instant-Messaging-Dienst in eine „Super-App“ verwandeln. Vorbild soll WeChat sein, die führende Messenger-App in China.

Facebook, das im vergangenen Jahr in Meta umbenannt wurde, erwarb WhatsApp 2014 für 19 Milliarden US-Dollar. Damals nutzten 400 Millionen User die App. Heute sind es über zwei Milliarden.

Laut Business Insider hat die Meta-Aktie seit Jahresbeginn über 60 Prozent an Wert verloren. Zuckerberg steht unter massivem Druck: Um den Sturz aufzuhalten, werden andere Produkte des Meta-Konzerns auf ihre Rentabilität überprüft. WhatsApp könnte dabei sehr wichtig sein. Eine neue Meta-Abteilung wurde dieses Jahr eingerichtet, nachdem das Anzeigengeschäft des Konzerns durch Apples Änderungen am Ad-Tracking auf iOS, und einen allgemeinen Rückgang der Ausgaben für digitale Werbung, stark beeinträchtigt wurde.

Der Meta-Konzern entließ Anfang November beim ersten großen Stellenabbau seiner Geschichte mehr als 11 000 Mitarbeiter – etwa 13 Prozent der Belegschaft.

The Verge, ein amerikanisches Technikportal und Mediennetzwerk, berichtet, dass Meta derzeit eine neue Produktorganisation einrichtet. Diese soll möglicherweise kostenpflichtige Funktionen für WhatsApp, aber auch für andere Unternehmen wie Instagram und Facebook, die zu Meta gehören, identifizieren und entwickeln. Die neue Abteilung Metas sei der erste ernsthafte Vorstoß in die Entwicklung kostenpflichtiger Funktionen für seine wichtigsten sozialen Anwendungen, so The Verge.

Vorbild: Tencents WeChat

Das große Vorbild für die geplanten Veränderungen bei WhatsApp ist die chinesische App WeChat, die rund 1,3 Milliarden aktive Nutzer hat und zum chinesischen Mega-Konzern Tencent gehört. Gemessen an Einnahmen, ist Tencent eines der umsatzstärksten Multimedia-Unternehmen in der Welt.

Einfach wird die Umstrukturierung für Zuckerberg nicht. WhatsApps Werbepotenzial ist zwar noch nicht ausgeschöpft, doch gleichzeitig darf die App keine Kunden verlieren. „Das ist eine wirklich große Herausforderung,“ sagte Matt Idema, der im vergangenen Jahr zum Vize-Präsident für Business Messaging bei Meta befördert wurde, in einem Business Insider-Interview.

Im Fokus steht der Aufbau einer „Business Messaging“-Strategie, bei der verschiedene Unternehmen WhatsApp verwenden können, um mit Kunden per SMS zu chatten, zu werben und sie zu bedienen. Die Idee fand Anklang aufgrund der veränderten Kommunikation während der Corona-Pandemie. Noch mehr Unternehmen als früher nutzen WhatsApp, um ihre Kunden und Mitarbeiter zu erreichen, so Idema.

Aktuelles Geschäft: Werbung

WhatsApps derzeit wichtigstes Geschäft ist die Werbung – bekannt als Click-to-Message oder Click-to-WhatsApp-Anzeigen. Doch der Werbemarkt hat noch viel mehr Potential. Idema sagte, das Unternehmen habe zuerst „ein paar Versuche unternommen,“ WhatsApp in Metas massive digitale Werbemaschine zu integrieren. Bis 2020 wurden die Bemühungen dann aufgegeben. Werbung war das Gegenteil von dem, was die Whatsapp-Geschäftsführung von Anfang an wollte. Das Versprechen war lange, dass die Plattform werbefrei bleibt, auch nach Metas Übernahme.

Anstatt seinem traditionellen Werbemodell zu folgen, das Meta zu einem der größten Unternehmen der Welt gemacht hat, baut WhatsApp seine Werbeflächen nur verhalten aus. Hauptsächlich besteht der Markt aus kleinen Unternehmen auf internationalen Märkten, die Kunden SMS schreiben, Bestellungen ausführen und ihre Geschäfte über WhatsApp ausüben. Indien, Brasilien, Indonesien und Mexiko sind die größten WhatsApp-Märkte.

Zweiter Versuch für WhatsApp

Ein ehemaliger Facebook-Mitarbeiter, der mit Business Insider gesprochen hat, sagte, dass WhatsApp schon vor Jahren eine vollständig integrierte Zahlungsfunktion hätte haben können. „Die App hätte schon lange echtes Geld verdienen können,“ so der Mitarbeiter. Jetzt sei es seiner Auffassung nach bereits zu spät.

John Hegeman, Metas Vize-Präsident für Monetarisierung, sagte, WhatsApp werde immer noch fokussiert sein auf den Ausbau des Anzeigengeschäfts. Es gäbe derzeit keine Pläne, die Nutzer dafür bezahlen zu lassen, Anzeigen in ihren Apps auszuschalten. „Ich denke, wir sehen Möglichkeiten, neue Arten von Produkten, Funktionen und Erlebnissen zu entwickeln, für die die Leute bereit wären zu zahlen und für die sie gerne zahlen würden“, so Hegeman.

Während sich WhatsApp von WeChat inspirieren lässt, unterscheiden sich die Entwicklung und das Geschäftsmodell der chinesischen App drastisch von der Meta-App.Kevin Shimota, ein Berater, der zuvor als globaler Leiter für Partnerschaften und Marketing bei WeChat gearbeitet hat, sagt, dass die WeChat Plattform ursprünglich nicht als Super-App geplant wurde. Alle Funktionen, die WeChat nach der Erstellung der Kern-Chat-Funktionalität der App hinzugefügt hat, zielten darauf ab, die App für Benutzer und nicht für Unternehmen zu verbessern.

Metas massive Marketingkampagne

Meta steckt dieses Jahr neue Energie und viele Ressourcen in WhatsApp, so Business Insider. Eine große Marketingkampagne läuft für den Dienst. In jüngerer Zeit hat Zuckerberg WhatsApp als eine sicherere SMS-Plattform als iMessage gepriesen, doch durch die Apple-Funktion, dass Nutzer jetzt auch Werbe-Tracking für Apps ausschalten können, verliert Meta Milliarden.

WhatsApp berechnet bestimmten Unternehmen Gebühren für die Möglichkeit, ihren Kunden Nachrichten zu senden. Im Juni erklärte Zuckerberg, dass das Unternehmen bis 2024 keinen Anteil an den Umsätzen aus kostenpflichtigen Funktionen und Abonnements nehmen würde.

2022 war kein gutes Jahr für den amerikanischen Technologiesektor. Eine Entlassungswelle rollt durch den Sektor. Betroffene Konzerne sind Meta, Amazon und Twitter.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

Vera von Lieres

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

DWN
Panorama
Panorama Eilmeldung Washington DC: Schüsse nahe dem Weißen Haus - Zwei Nationalgardisten angeschossen
26.11.2025

In der Nähe des Weißen Hauses in Washington sind zwei Nationalgardisten von einem Schützen angeschossen worden. Sie befinden sich in...

DWN
Politik
Politik Deutsche Bank gegen Verband der Familienunternehmer: Mietvertrag gekündigt auf Grund der Einladung eines AfD-Politikers
26.11.2025

Der Verband „Die Familienunternehmer“ lädt einen AfD-Politiker ein – entgegen der politisch gewollten Brandmauer der etablierten...

DWN
Politik
Politik Bündnis Sahra Wagenknecht: AfD unterstützt Neuauszählung der Bundestagswahl
26.11.2025

An gerade mal 9.500 fehlenden Stimmen scheiterte im Februar der Einzug des BSW in den Deutschen Bundestag. Seitdem fordert die Partei eine...

DWN
Politik
Politik Grüngasquote für Energiewende: Mehr Umweltschutz und mehr Kosten für Industrie und Verbraucher
26.11.2025

Die schwarz-rote Regierung plant eine Quote, um die schleppende Wasserstoffwirtschaft und Energiewende in Deutschland weiter...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz bei GOVECS – das Ende der elektrischen Schwalbe
26.11.2025

Das Münchner Unternehmen Govecs stellt unter dem Namen der in der DDR populären Moped-Marke seit einigen Jahren Elektroroller her. Nun...

DWN
Politik
Politik Chatkontrolle: EU-Staaten setzen auf freiwillige Maßnahmen statt Pflichtkontrollen
26.11.2025

Die EU ringt seit Jahren darum, wie digitale Kommunikation geschützt und zugleich besser überwacht werden kann. Doch wie weit sollen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schwarz Group plant Lidl-Rechenzentrum: Milliardenprojekt für Deutschlands KI-Infrastruktur
26.11.2025

Die Großinvestition der Schwarz Group verdeutlicht den wachsenden Wettbewerb um digitale Infrastruktur in Europa. Doch welche Bedingungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jobs wandern nach Südamerika: Faber-Castell will 130 Stellen in Deutschland streichen
26.11.2025

Hohe Kosten und eine schwache Nachfrage: Der fränkische Schreibwarenhersteller will Fertigung nach Südamerika verlagern und dafür...