Wirtschaft

Chinas Bevölkerung schrumpft viel stärker als erwartet

Chinas Bevölkerung ist 2022 erstmals seit sechs Jahrzehnten geschrumpft. Experten sehen einen Wendepunkt und warnen vor einer unvorstellbaren Bevölkerungskrise.
17.01.2023 10:29
Aktualisiert: 17.01.2023 10:29
Lesezeit: 2 min
Chinas Bevölkerung schrumpft viel stärker als erwartet
Historisch niedrige Geburtenrate, hohe Sterberate. China hat eine demografische Krise. (Foto: dpa) Foto: Mark Schiefelbein

Chinas Bevölkerung ist erstmals seit der Großen Hungersnot vor mehr als 60 Jahren geschrumpft. Das Nationale Statistikbüro gab am Dienstag die Zahl der Bürger Ende 2022 mit 1,41 Milliarden an, etwa 850.000 weniger als im Jahr zuvor. Das markiert auch eine Zeitenwende für die Wirtschaft.

"Chinas demografische und wirtschaftliche Aussichten sind viel düsterer als erwartet", bewertete der Demograf Yi Fuxian die neuen Daten. "China wird seine Sozial-, Wirtschafts-, Verteidigungs- und Außenpolitik anpassen müssen." Damit dürfte Indien noch in diesem Jahr das bevölkerungsreichste Land der Erde werden.

Die chinesische Bevölkerung war zuletzt 1961 geschrumpft, dem letzten Jahr der großen chinesischen Hungersnot. Zu der Entwicklung 2022 trug eine historisch niedrige Geburtenrate von knapp 6,8 je 1000 Einwohner bei. Gleichzeitig stieg die Todesrate mit 7,4 je 1000 Einwohner auf den höchsten Stand seit der Kulturrevolution 1974.

Einen Hinweis auf die weitere Entwicklung gibt der Rückgang bei den Frauen im gebärfähigen Alter, das in China als von 25 bis 35 Jahre definiert ist: Die Zahl fiel um etwa vier Millionen. Die Vereinten Nationen gehen inzwischen von einem Schrumpfen der Bevölkerung um 109 Millionen bis 2050 aus. Das ist mehr als drei Mal so viel wie noch 2019 vorhergesagt.

NATIONALES STATISTIKBÜRO: KEIN GRUND ZUR SORGE

Der Leiter des Nationalen Statistikbüros, Kang Yi, sagte vor Journalisten, die Bevölkerung solle sich keine Sorgen machen. Insgesamt übersteige das Angebot an Arbeitskräften weiter die Nachfrage. Demograf Yi Fuxian erklärte seinerseits, die abnehmende Zahl von Erwerbsfähigen und der damit einhergehende Rückgang der Industrie-Kapazität werde in den USA und Europa die hohen Preise und die Inflation weiter verschärfen. Experten zufolge führt die Entwicklung zu einem langsameren Wirtschaftswachstum, während die Staatseinnahmen sinken und die Verschuldung wegen höherer Gesundheits- und Sozialkosten steigt.

Demografen warnen seit längerem, dass China schneller alt wird als reich. Als Grund für die Entwicklung gilt insbesondere die Ein-Kind-Politik von 1980 bis 2015. Zudem schrecken hohe Kosten für die Bildung viele Chinesen davon ab, mehr als ein Kind oder überhaupt Kinder zu haben. Die strenge Null-Covid-Politik der Regierung verschärfte die Lage weiter. Während des Lockdowns von April bis Mai 2022 machte der Hashtag "Wir sind die letzte Generation" kurz auf sozialen Medien die Runde, bevor die Zensur einschritt.

Die Behörden versuchen seit 2021 mit diversen Maßnahmen, den Bevölkerungsrückgang zu bekämpfen. Dazu gehören Steuererleichterungen, längerer Mutterschaftsurlaub und finanzielle Unterstützung für Wohnkosten. Seit 2016 dürfen Paare zwei Kinder und seit 2021 drei haben. Die Arbeitszeiten sollen flexibler gestaltet und Angestellte mit Kindern Anspruch auf Homeoffice erhalten. Präsident Xi Jinping kündigte im Oktober weitere Maßnahmen an. Bislang zeigen sie keine Wirkung.

In anderen Staaten der Region ist die Entwicklung ähnlich: Japan, Südkorea und Taiwan sehen sich alle mit rückläufigen Bevölkerungen konfrontiert, weil sowohl die Geburtenraten als auch die Einwanderungszahlen niedrig sind. (Reuters)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie BradyPrinter i7500: Revolution im Hochpräzisionsdruck

Sie haben genug vom altmodischen Druck großer Etikettenmengen? Keine Kalibrierung, keine Formatierung, kein umständliches Hantieren mit...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie: Kurs knickt nach Orcel-Aussage deutlich ein
31.03.2025

Die Commerzbank-Aktie muss nach einer starken Rallye einen Rückschlag hinnehmen. Unicredit-Chef Andrea Orcel hatte zuvor einen möglichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU vor Herausforderungen: Handelskriege könnten die Wirtschaft belasten – der Ausweg heißt Binnenmarkt
31.03.2025

Die protektionistischen Maßnahmen der USA und mögliche Handelskonflikte belasten die EU-Wirtschaft. Experten wie Mario Draghi fordern...

DWN
Technologie
Technologie Arbeitsmarkt: Top-Berufe, die es vor 20 Jahren noch nicht gab
31.03.2025

Eine Studie von LinkedIn zeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) neue Jobs und Fähigkeiten schafft, Karrieren und Arbeitswelt verändert:...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Betonblock: Lego verklagt Hersteller von Anti-Terror-Betonklötzen
31.03.2025

Lego verklagt das niederländische Unternehmen Betonblock. Die Anti-Terror-Blöcke des Herstellers erinnerten zu sehr an die...

DWN
Technologie
Technologie Neue EU-Vorschriften: Plug-in-Hybriden drohen deutlich höhere CO2-Emissionen
31.03.2025

Mit der Einführung neuer, verschärfter Emissionsmessungen für Plug-in-Hybride (PHEVs) wird die Umweltbilanz dieser Fahrzeuge erheblich...

DWN
Politik
Politik Marine Le Pen wegen Veruntreuung zu Fußfesseln verurteilt - FN-Chef Bardella: "Hinrichtung der französischen Demokratie"
31.03.2025

Marine Le Pen wurde in Paris wegen der mutmaßlichen Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen - das...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerk mit Speicher: Für wen sich die Investition wirklich lohnt
31.03.2025

Balkonkraftwerk mit Speicher: eigenen Strom gewinnen, speichern und so Geld sparen. Doch so einfach ist es leider nicht, zumindest nicht...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Der Handelskrieg gefährdet die US-Ausnahmestellung
31.03.2025

Da Investitionen nach neuen Möglichkeiten abseits der zuletzt florierenden US-Finanzmärkte suchen, wird an der Wall Street diskutiert, ob...