Deutschland

Rückzug aus Russland kostet BASF viele Milliarden Euro

Der vollständige Rückzug des Energiekonzerns Wintershall Dea, der mehrheitlich BASF gehört, aus Russland bringt dem Chemieriesen einen Milliardenverlust.
Autor
18.01.2023 15:33
Lesezeit: 3 min
Rückzug aus Russland kostet BASF viele Milliarden Euro
Bundeskanzler Olaf Scholz im November beim Besuch des Chemiekonzerns BASF mit CEO Martin Brudermüller. (Foto: dpa) Foto: Sebastian Kahnert

Knapp ein Jahr nach Beginn des Kriegs in der Ukraine ist der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea zum Rückzug aus seinem Geschäft in Russland gezwungen. "Eine Fortführung unseres Geschäftes in Russland ist nicht haltbar", erklärte Vorstandschef Mario Mehren am Dienstagabend. Der Krieg habe die Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland, auf die das Unternehmen lange gebaut hatte, zerstört.

"In den vergangenen Monaten hat die russische Regierung die Tätigkeit westlicher Unternehmen im Land eingeschränkt. Zusätzlich haben externe Eingriffe in die Aktivitäten unserer Joint Ventures dazu geführt, dass Wintershall Dea nicht wie bisher in Russland tätig sein kann. Die Joint Ventures wurden de facto wirtschaftlich enteignet", musste Mehren einräumen.

Das Unternehmen ist an drei Förderprojekten am Erdgasfeld Juschno Russkoje sowie der Achimov-Formation des Urengoi-Felds in Sibirien beteiligt. Der Anteil der russischen Geschäfte an der gesamten Produktion lag zuletzt bei 50 Prozent. Die enge Zusammenarbeit mit Russland, für die Wintershall in der Vergangenheit durchaus Kritik einstecken musste, hatte das Management vor dem Krieg stets verteidigt und unterstrichen, dass es ohne Russland für Europa keine Energiesicherheit gebe.

An seinen Beteiligungen hielt Wintershall Dea trotz des Krieges fest: Bei einem Rückzug würden Milliardenwerte an den russischen Staat fallen, hatte Mehren gewarnt. Andere Energiekonzerne wie Shell, Total oder Enel hatten sich dagegen von ihren Aktivitäten in Russland getrennt.

Wintershall Dea ist zudem mit 15,5 Prozent an dem Betreiber der Nord Stream-Pipeline beteiligt, die Russland mit Deutschland verbindet und sich mehrheitlich im Besitz des russischen Energieriesen Gazprom befindet. Moskau hat Ende August die Gaszufuhr durch die Pipeline unterbrochen. Im September beschädigten Explosionen, für die sich der Westen und Russland gegenseitig verantwortlich machten, die Pipeline sowie die parallel verlaufende Nord Stream 2-Pipeline.

Börsengang von Wintershall Dea wird nun leichter

Zuletzt war aber auch Wintershall Dea weiter auf Distanz zu seinen russischen Geschäften gegangen und hatte Ende Oktober angekündigt, eine rechtliche Trennung zu prüfen. Der Abschied aus dem Land führt bei Wintershall Dea nun zu einem einmaligen Verlust von 5,3 Milliarden Euro. "Wir sind auf diesen schwierigen Moment vorbereitet", sagte Mehren. Das Unternehmen wolle nun außerhalb Russlands wachsen, ins Visier wurden dafür bereits Norwegen, Algerien, Argentinien und Mexiko genommen.

Wintershall Dea entstand 2019 aus dem Zusammenschluss der BASF-Tochter Wintershall mit dem Rivalen Dea. Der Ludwigshafener Chemiekonzern hält noch 72,7 Prozent, der Rest liegt bei der ehemaligen Dea-Eignerin LetterOne. BASF hatte sich eigentlich aus dem Öl- und Gasgeschäft zurückziehen und Wintershall Dea an die Börse bringen wollen. Der Börsengang wurde aber schon mehrmals verschoben und die Pläne dann vom Krieg in der Ukraine zunichte gemacht. Für BASF wurde Wintershall Dea damit immer mehr zum Mühlstein am Hals mit hohen Belastungen.

Doch nach Einschätzung von Investoren macht der Rückzug aus Russland nun den Weg für einen Börsengang von Wintershall Dea wieder frei. "So schmerzhaft die Abschreibung des Russlandgeschäfts ist, schafft sie doch bessere Perspektiven für die weitere Entwicklung des Konzerns", sagte Cornelia Zimmermann, Spezialistin Corporate Governance bei der Fondsgesellschaft Deka Investment, am Mittwoch zu Reuters. BASF könne sich damit den Rechtsunsicherheiten und der massiven öffentlichen Kritik entziehen. "Außerdem erleichtert dieser Schritt den Börsengang von Wintershall Dea."

Auch Fondsmanager Arne Rautenberg von der Fondsgesellschaft Union Investment, die zu den zehn größten Anteilseignern von BASF gehört, begrüßte den Schlussstrich unter dem Russlandgeschäft. "Niemand am Markt hat den russischen Aktivitäten noch einen Wert beigemessen", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Das übrige Geschäft von Wintershall Dea sei ein sehr gutes und mit dem Krieg noch attraktiver geworden, erklärte er mit Blick auf die Gasproduktion des Unternehmens in Europa. "Der Weg zum lange angestrebten Börsengang ist damit nun geebnet."

Massiver Milliardenverlust für BASF

2022 musste der Chemiekonzern insgesamt Wertberichtigungen von 7,3 Milliarden Euro auf die Beteiligung vornehmen, davon alleine 5,4 Milliarden Euro im vierten Quartal wegen der Entkonsolidierung der russischen Explorations- und Produktionsaktivitäten. BASF schrieb deshalb einen Verlust nach Steuern von 1,38 Milliarden Euro, nachdem 2021 noch ein Gewinn von 5,52 Milliarden Euro zu Buche stand. Analysten hatten dagegen mit einem Gewinn von rund 4,77 Milliarden Euro gerechnet.

Der bereinigte operative Gewinn (Ebit) sank um gut elf Prozent auf 6,88 Milliarden Euro und lag damit am unteren Ende der Prognosespanne von 6,8 bis 7,2 Milliarden Euro. Die im Zuge des Kriegs deutlich gestiegenen Energiekosten machten BASF als größtem industriellen Gasverbraucher in Deutschland besonders zu schaffen. Der Umsatz stieg allein dank höherer Preise und positiver Währungseffekte um elf Prozent auf 87,3 Milliarden Euro.

Die Märkte hatten die negativen Zahlen offenbar nicht anders erwartet. Die BASF-Aktie zeigte sich am Mittwoch weitgehend unverändert.

Im vergangenen Jahr musste bereits der Ölkonzern BP im Zusammenhang mit der Entscheidung, sich aus seinen Russland-Beteiligungen zurückzuziehen, eine Vorsteuerbelastung von 25,5 Milliarden Dollar vor Steuern hinnehmen, wie das Wall Street Journal berichtet.

Der deutsche Energieversorger Uniper, der in hohem Maße von russischen Gaslieferungen abhängig war, verzeichnete in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres einen Nettoverlust von rund 39,3 Milliarden Dollar, nachdem Russland die Gaslieferungen eingestellt und die deutsche Regierung gezwungen hatte, das Unternehmen zu verstaatlichen. Dies war einer der größten Verluste in der deutschen Unternehmensgeschichte. (Reuters/gu)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik China-Importe: Deutschlands Handel, Verbraucher und Zollbeamte fordern Regierung zu Regeln auf
22.01.2025

Täglich werden Hunderttausende Pakete mit Waren aus China auf den europäischen Markt geschwemmt, die China-Importe umgehen trickreich die...

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Prognose 2025 mit mehr Potential als Risiko - Nvidia-Aktie Kursziel überzeugt
22.01.2025

Die Nvidia-Aktie gehört zu den Lieblingspapieren sowohl der institutionellen Investoren als auch der privaten Anleger. Der US-Chipkonzern...

DWN
Politik
Politik Rüstungsexporte steigen auf Rekordwert, mehr als die Hälfte geht an die Ukraine
22.01.2025

Die Regierung von Kanzler Scholz hatte sich ursprünglich vorgenommen, Rüstungsexporte mit einem Kontrollgesetz einzudämmen. Dann kam die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schuhhändler Görtz erneut in die Insolvenz gerutscht
22.01.2025

Einst gab es in fast jeder Fußgängerzone eine Görtz-Schuhfiliale. Doch das Traditionsunternehmen, das 1875 gegründet wurde, ist erneut...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft IWF-Prognose Weltwirtschaft: USA im Aufwind - Deutschland abgeschlagen
22.01.2025

Die neue IWF-Konjunkturprognose für die Weltwirtschaft zeichnet ein differenziertes Bild für das Wachstum der Industrienationen....

DWN
Finanzen
Finanzen Apple-Aktie rutscht ab: Jefferies-Analyst senkt Kursziel – jetzt Apple-Aktie kaufen?
21.01.2025

Die Apple-Aktie steht am Dienstag mächtig unter Druck. Ein skeptischer Analystenkommentar sowie schwächere Verkaufszahlen in China sorgen...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt-Entwicklung 2025: Stimmung hellt sich auf, welche Segmente sind die Favoriten?
21.01.2025

Nachdem das Transaktionsvolumen auf dem Immobilienmarkt für zwei Jahre deutlich zurückgegangen war, hat er sich vergangenes Jahr...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steigende Sozialabgaben pushen Schwarzarbeit: Handwerk wird unbezahlbar
21.01.2025

Steigende Sozialabgaben sorgen für steigende Preise: Das Handwerk fordert jetzt eine Sozialabgabenbremse, sonst werden Handwerksarbeiten...